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Plötzlich wird man im Ausstellungsraum von einem Kunstwerk angesprochen. „Excuse me…have you got a moment?“ Trotz dieser freundlichen Einleitung muss man erst einmal akzeptieren, dass eine abstrakt aussehende Holzskulptur auf einem Eisengestell mit dem Besucher redet. „Could you turn me just a bit to the right?“ fährt das Werk fort. Folglich wird man aufgefordert, das Objekt in die entsprechende Richtung zu drehen. Dies ist möglich, denn der obere Teil der Figur lässt sich mittels vier Griffen um die eigene Achse drehen. Bewegt man nun den oberen Teil in die geforderte Richtung, wird man von dem Objekt angeherrscht: „No! Not that way. The other way!“. Dabei hat man doch nur das getan, worum man gebeten wurde.

Muss man sich von einem Kunstwerk herumkommandieren lassen? Gehorcht man sogleich der Laune der Skulptur und dreht sie in die andere Richtung? Oder lässt man sich die Aufforderungen des Objekts nicht länger bieten und geht weiter? Oder wartet man ab und will sehen, wie es reagiert und ignoriert absichtlich seinen Ärger und seine Kommandos. In jedem Fall wird das Kunstwerk eine Handlung des Besuchers provozieren, anhand derer dieser wieder sein eigenes Verhalten ändert? Es handelt sich ganz offenbar um ein intelligentes Werk und es ist typisch für die Maschinen, die der kanadische Künstler Norman White (geb. 1938) entwirft, baut und programmiert.

Für sein Gesamtwerk hat er im Jahr 2008 den d.velop digital art award [ddaa] verliehen bekommen, den die Kunsthalle Bremen regelmäßig mit dem Digital Art Museum [DAM], Berlin, als Ausrichter und den Sponsoren d.velop AG, Gescher, Haupt Pharma AG, Berlin, und kommunikation lohnzich, Münster, für ein Lebenswerk im Bereich der digitalen Kunst vergibt und mit einer Ausstellung mit Katalog begleitet. Wegen des Umbaus der Kunsthalle Bremen findet diese Ausstellung in diesem Jahr in der Weserburg | Museum für moderne Kunst, Bremen, statt. Mit Norman White als drittem Preisträger wird erstmals die künstlerische Nutzung des Computers als „Gehirn“ für komplexe Abläufe in Maschinen deutlich, deren zweite und sichtbarere Ebene elektronische und mechanische Komponenten sind.

Das Werk, das in der Ausstellung den Besucher in eine Interaktion verwickelt, ist dabei nicht nur ein gutes Beispiel für den einfachen Ansatz, den White mit seinen Maschinen verfolgt, sondern auch für die absurde Ebene, die er integriert. Denn diese intelligente Skulptur heißt Helpless Robot und der Künstler unterläuft damit alle gängigen Vorstellungen eines Roboters. Er sieht nicht aus, wie man sich einen Roboter vorstellt, und er macht nicht, was man von einem Roboter erwartet. Wozu ist eine intelligente Maschine gut, wenn sie nichts kann, als uns um Hilfe bitten? Doch während man noch über die Ironie des Kunstwerks lacht, schafft es der Künstler sehr direkt, sowohl das selbstständige Verhalten des Roboters als auch unser menschliches Verhalten zu analysieren.

White gehört mit diesem und anderen Werken zu den Pionieren interaktiver Kunst, die ohne Computersteuerung kaum denkbar wäre, weil das jeweilige Kunstwerk selbstständig die Situation erfassen und reagieren können muss. Sein Interesse an eigenständig agierenden Maschinen, deren Verhalten trotz der Programmierung durch den Künstler nicht vorhersehbar ist, gilt aber auch schon für die Werke, die er vor seinem ersten Computereinsatz im Jahr 1977 schuf. Aus den Jahren 1966 bis 1976 stammen vor allem Lichtobjekte, die komplexe und selbstständig ablaufende Prozesse visualisieren, die im Inneren durch elektronische Schaltungen gesteuert werden. Sowohl diese frühen Arbeiten als auch die späteren computergesteuerten Werke sind in dieser ersten Retrospektive von Norman White zu sehen und geben einen nie humorfreien Einblick in die Welt elektronischer (Kunst)Maschinen. Ingmar Lähnemann

Katalog: Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Beiträgen von Anne-Marie Duguet, Ingmar Lähnemann und Wolf Lieser.

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Norman White
we fix toasters
Preisträger des d.velop digital art award [ddaa] 2008

Kurator: Ingmar Lähnemann