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Die Gruppenausstellung setzt sich mit den Räumen des Kunstmuseums Luzern auseinander. Nouvelles boîtes! vereint Werke, die die Architektur sinnlich erlebbar machen. Die Installationen funktionieren erst im architektonischen Kontext und stehen nicht untereinander in Verbindung, sondern thematisieren im Stakkato der einzelnen Ausstellungssäle den Raum an und für sich.

Nouvelles boîtes! die zweite Ausstellung der neuen Direktorin Fanni Fetzer, setzt sich explizit mit der Architektur und den Räumen des Kunstmuseums Luzern auseinander. Der Titel derinternationalen Gruppenausstellung spielt augenzwinkernd auf den Namen des französischen Architekten Jean Nouvel an, der das Kunstmuseum vor 12 Jahren gebaut hat. Gleichzeitig verweist der Titel Nouvelles boîtes! auf die Idee des White Cube. Der Begriff White Cube wurde von Brian O‘Doherty 1976 in der Kunstzeitschrift Artforum erstmals verwendet und geprägt. Mit «der weissen Zelle» meinte O’Doherty den neutralen, modernen Ausstellungsraum, der die idealen Präsentationbedingungen für Kunst bietet, da er die Aussenwelt fern hält und die Kunst isoliert für sich sprechen lässt. Auch in Luzern realisierte der französische Stararchitekt auf Wunsch der damaligen Museumsverantwortlichen diese Form des zeitgenössischen Kunst­mu­seums. Der Vorrang der Kunstwerke vor der Architektur sollte damit gesichert werden. Jean Nouvel spricht von «nudité des espaces» und wer das Kunstmuseum Luzern besucht, erlebt selbst, wie schwierig eine Orientierung in der aussergewöh-lichen Abstraktheit der Ausstellungsräume ist. Die beiden freitragenden Hallen werden von einem Raster von Wänden unterteilt, deren Türen Durchblicke über die ganze Länge und Breite ermöglichen. So erhoffte sich Nouvel, die Transparenz des gesamten Gebäudes auch in den Museumssälen zu erreichen. Das Ergebnis war, dass er Räume, aber keine Orte schuf. So perfekt die Architektur des Wandrasters hinter der Kunst zurücktritt, so problematisch ist sie auch. Denn manche Werke verlangen nach einem spezifischen Raum, ohne den sie nicht funktionieren können. Die Gruppenausstellung Nouvelles boîtes! vereint Werke, die die Architektur sinnlich erlebbar machen. Zur Mehrheit Installationen, die erst in einem architektonischen Kontext funktionieren, die nicht untereinander in Verbindung stehen, sondern im Stakkato der einzelnen Ausstellungssäle den Raum an und für sich thematisieren.

Nedko Solakovs Aktion A Life (Black & White), in der eine Person einen Raum weiss streicht, während eine zweite Person auf der gegenüberliegenden Seite die Wände wieder schwarz übermalt, kann nicht nur als eine treffende Metapher auf das vergebliche menschliche Tun gelesen werden. Sie ist auch eine Anspielung auf den idealisierten Ausstellungsraum, den White Cube und dessen Entsprechung für Videokunst: die Black Box. Die lichtdurchlässige Deckeninstallation des amerikanischen Künstlers Jim Isermann transformiert den Raum und füllt ihn mit einer besonderen Präsenz. Die Bodenarbeit des spanischen Bildhauers Juan Muñoz bringt das Publikum auf dem illusorischen Untergrund aus dem Gleichgewicht, und Eric Hattan stellt das Mobiliar an die Decke und betont die Höhe des Raumes. Die deutsche Künstlerin Kitty Kraus zeichnet mit Licht in den Raum und der Amerikaner Adrian Esparza spannt ein Fadenbild an die Wand, das von alten Stichen von Schweizer Kristallen inspiriert wurde. Im grossen Saal thematisiert eine Installation von Fred Sandback das Raumvolumen. Christian Kathriners Zwillingstüren suggerieren Raum, wo keiner ist und Stefan Burgers Diainstallation bildet das Kunstmuseum Luzern in sich selbst ab. Bruno Jakob befasst sich schliesslich mit der Atmosphäre und verändert sie, indem er Bilder aus Wasser, Luft und Gedanken auf die Wände malt. Das Verhältnis von Mensch und Raum wird am Tag der Finissage durch eine Performance von Allora & Calzadilla thematisiert. Das Ensemble von «Tanz Luzerner Theater» wird als menschliche Drehtür den Raum teilen.

Die Ausstellung soll nicht als Kritik an der Museumsarchitektur verstanden werden, sondern will die Räume thematisieren und die Frage nach ihrem Potenzial stellen. O’Doherty Analyse des Verhältnisses von Kontext und Inhalt stellte den Mythos von der Neutralität des Ausstellungsraumes bloss, indem er ihn soziologisch, ökonomisch und ästhetisch verortete. Nouvelles boîtes! greift den Begriff nur hinsichtlich seiner Ästhetik auf. Für jeden Raum wird jede Besucherin, jeder Besucher die Frage nach dem Potenzial dieser Ästhetik anders beantworten. Sinnlich, kunstvoll, vergnügt soll ein Nachdenken über die Räume des Kunstmuseums Luzern und die Präsentationsbedingungen von Kunst angeregt werden.

Kuratiert von Fanni Fetzer

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Nouvelles boites!
Kuratorin: Fanni Fetzer

Künstler: Stefan Burger, Adrian Esparza, Eric Hattan, Jim Isermann, Bruno Jakob, Christian Kathriner, Kitty Kraus, Juan Muñoz, Fred Sandback, Nedko Solakov, Allora & Calzadilla