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Der Akt, der unbekleidete menschliche Körper, ist seit Erfindung der Fotografie ein zentrales Thema und Motiv in diesem Medium. Die Ausstellung visualisiert die lange Historie der Aktfotografie und präsentiert facettenreich mit über 200 Fotografien das Körperbild, die sich in den 150 Jahren veränderten Darstellungsformen sowie das gewandelte Körper- und Geschlechterverständnis. Daguerreotypien, die seit den 1840er Jahren in Paris entstanden, bilden den Anfang der Aktfotografie. Es sind kostbare Unikate, die den privaten, männlichen Blick auf einen weiblichen Körper erlauben.

Die Aktfotografie verfolgte jedoch nicht nur erotische, sondern auch akademische Ziele. Die sogenannten fotografischen „Akademien“, die, meist auf einem Abzug ein Modell von unterschiedlichen Seiten in verschiedenen Positionen wiedergaben, waren für viele Künstler ab der Mitte des 19. Jahrhunderts eine preiswerte Studienvorlage. Ab 1880 versuchten Fotografen vermehrt Akte im Freien und in einer exotischen Umgebung, zu inszenieren. In der Lebensreform-Bewegung seit Ende des 19. Jahrhunderts nahm die Freikörperkultur eine besondere Stellung ein. Aktfotografien, die den Körper in seiner Natürlichkeit feierten, stellten für die Naturisten eine wichtige Verbreitung ihrer Ideale dar.

Um 1900 wollten sich die Vertreter des internationalen Piktorialismus von der Massenproduktion akademischer Studienvorlagen absetzen und nobilitierten den Akt als künstlerisches Sujet. Bis in die 1930er Jahre hinein entstanden vergleichbare verklärte Bildentwürfe im Geiste des Piktorialismus, parallel zur realistischen Bildsprache der Neuen Sachlichkeit und des Neuen Sehens, die ganz neue Bildlösungen fanden. Nach dem Zweiten Weltkrieg werden die Entwicklungen der Avantgarde aus den Vorkriegsjahren von den Fotografen aufgegriffen und weiter fortgeführt. In den 1970er Jahren entstanden zahlreiche Aktfotografien im Kontext von Body Art und Performance. Die Künstler erhoben die Unmittelbarkeit der eigenen körperlichen Erfahrung dabei oft zur politischen Frage. Die Sexualität Jugendlicher, ihre Selbstfindung und Selbsterfahrung, zeigte der amerikanische Fotograf und Regisseur Larry Clark (*1943) in einer ungewohnten, offenen wie neuen Bildersprache. Die digitale Fotografie eröffnete neue Dimensionen.  Mit den Möglichkeiten der Manipulierbarkeit veränderten sich die Körperbilder. Und Privat und öffentlich werden im Internet und Fernsehen neu ausgelotet.

Aktfotografie wird oftmals mit dem Bild des weiblichen Aktes gleichgesetzt, dabei gibt es die eigene Bildtradition des männlichen Aktes. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden fotografische Männerakte als Vorlagenstudien für die künstlerische Ausbildung. Um die Jahrhundertwende setzten die ersten emanzipatorischen Bestrebungen homosexueller Männer ein. Die Aufnahmen von Guglielmo Plüschow (1852–1930), Wilhelm von Gloeden oder Vincenzo Galdi (1871–1961) fanden ihre Abnehmer auch unter Homosexuellen. Die Wandervogelbewegung bot ebenfalls gewisse Freiräume.  Viele Männerakte von Herbert List (1903–1975) fanden dort erste Anregung.

Eine von Zensur bestimmte Atmosphäre prägte auch die ersten Jahrzehnte nach 1945. Ein neues Selbstverständnis und Selbstbewusstsein zeigen die Aufnahmen von Will McBride (1931), Herbert Roettgen (1941), Norbert Przybilla (1953), Robert Mapplethorpe (1946–1989) oder Wolfgang Tillmanns (1968). Ungleich seltener richteten Fotografinnen die Kamera auf den männlichen Körper. In Deutschland beschäftigte sich Herlinde Koelbl (*1939) als eine der ersten intensiv mit dem Männerakt.

Ein weiterer Aspekt der Ausstellung ist die Fotografie der sogenannten Glamourwelt: Revuetänzerinnen von T. W. Salomon, die Marilyn Monroe Bilder von Bert Stern (1929), die kurz vor ihrem Tod entstanden, aber auch Fotografien von Stripperinnen und Tänzerinnen in St. Pauli von André Gelpke (1947) oder Prostituierten von Antoine d’Agata (*1961) sind zu sehen; die die dunkle Kehrseite des Glamourösen zeigen.

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Nude Visions - 150 Jahre Körperbilder in der Fotografie
Kurator: Wolfgang Schoppmann

Künstler: Dieter Appelt, Guy Bourdin, Frank Eugene, André Gelpke, Marta Hoepffner, André Kertész, Herbert List, Guido Mangold, Will McBride, Stefan Moses, Helmut Newton, Dennis Oppenheim, Walter Schels, Hermann Stamm, Otto Steinert, Bert Stern, Alfred Stieglitz, Jürgen Teller ...