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Dinge mit besonderer Macht werden als Fetische bezeichnet: Der Ausdruck ,Fetisch‘ leitet sich vom portugiesischen feitiço (lat. factitius) ab, das ,künstlich, falsch‘ und ,Zauber‘ bedeutet. Dem Fetisch ist eine Verbindung von artifiziellem Ding und magischer Kraft eingeschrieben. Fetische können materiell sein, aber sie gehen darin nicht auf. Vielmehr inkorporieren sie Bedeutungen, Symbole, Kräfte, Energien, Macht, Geister, Götter etc. Interessanterweise existieren diese magische Beziehungen nicht in parallelen Welten jenseits des Alltags.

Gebrauchsgegenständen sind Konventionen der Verwendung und der Handlungen eingeschrieben, durch die uns die Dinge selbst vorgeben, was sie bedeuten und wie wir mit ihnen umzugehen haben. An diese formative Kraft, die von den Dingen ausgeht, kann sich die Frage anschließen, ob die Dinge uns oder wir den Dingen dienen. Dinge scheinen zumindest eine Co-Autorschaft an unseren Handlungen zu haben. Diese Objektbeziehungen können zur Folge haben, dass wir Dingen Magie, eine eigene Macht oder die Fähigkeit eingeständig zu agieren zuschreiben. Da eine Fabrik ein ganzes Regime von durch die Dinge für den Menschen vorab bestimmten Handlungen aufweist, wird für Karl Marx das Subjekt Mensch dort von seinem Wesen entfremdet und verdinglicht. Bei Jean Baudrillard kulminierte dieser Gedanke in der Wunschmaschine in Form des autonomen, intelligenten Roboters und der damit einhergehenden, von Angstlust besetzten Vorstellung von der Verselbständigung der Maschinen, die an die Stelle des Menschen treten (Das System der Dinge, 1968). Der Situationistischen Internationale zu Folge erzeugen in der Gesellschaft des Spektakels hergestellte Dinge tatsächlich Bedürfnisse (Guy Debord, Die Gesellschaft des Spektakels, 1967). Die Akteur-Netzwerk-Theorie (Michel Callon/Bruno Latour) beschreibt die Handlungsmacht der Dinge als agency.

Die zeitgenössische Kultur liefert offenbar die ebenso reflexive wie vermittelnde Form, die es erlaubt, zwischen ökonomischer Rationalität, wissenschaftlichen Wahrheit und fetischistischen Praktiken zu pendeln. Wir scheinen sogar auf Verzauberung angewiesen zu sein, um vor Dissoziation, Anomie und Zugehörigkeitsverlust geschützt zu sein.

Für On Objects and Fetishes haben Anna-Catharina Gebbers und Olaf Stüber Moving Image Works von sieben zeitgenössischen Künstlern zusammengestellt, die die Magie der Dinge thematisieren: Marc Aschenbrenner (AT), Ulf Aminde (DE), Pia Greschner (DE), Lisa Junghanß (DE), Annika Larsson (SE), Stefan Panhans (DE) und Nicole Wermers (DE).. Während Pia Greschner und Nicole Wermers die Verheißungen und Persönlichkeiten von Architekturen thematisieren und konterkarieren, verschmelzen die Protagonisten in den Arbeiten von Ulf Aminde und Marc Aschenbrenner allmählich mit den Objekten. Lisa Junghanß umkreist den Fetisch als zugleich kultisches und erotisches Objekt einer Zwischenwelt. Annika Larsson und Stefan Panhans thematisieren fetischhafte Insignien sozialer symbolischer Macht. Weitere Präsentation/Frieze Art Fair: 15.10., 18-22 Uhr bei 401 Contemporary, 13 Mason's Yard, St. James's, London SW1Y 6BU, England, .

Das Videoprogramm wird in der Ausstellung The Black Object der Fotokünstlerin Heji Shin (DE) gezeigt. Im Zentrum ihrer Arbeiten steht die Verführungsfähigkeit der Kamera. Die Aufnahmen sind von einer filmischen Ästhetik geprägt, die das Dokumentarische des Mediums hinterfragt und seine Inszenierungsmacht hervorhebt. In der Ausstellung in der Bibliothekswohnung entfalten das Filmhafte über eine Serie von Porträts, Stillleben und Materialstudien seine Dramaturgie und die abgebildeten Dinge ihre Magie.

Den Assoziationsrahmen für die Ausstellung liefert die in unmittelbarer Nähe zur Bibliothekswohnung gelegene Oranienburger Straße, die die Friedrichstraße mit dem Hackeschen Markt verbindet. Als Flaneure vermischen sich hier Hauptstadttouristen, Kunstinteressierte, Modebegeisterte, Prostituierte und ihre Kunden. Zurschaustellung und Voyeurismus sowie bestimmte Objektvorlieben und Fetische ziehen sich in den unterschiedlichsten Ausprägungen durch alle dort anzutreffenden Milieus – und lassen die Grenzen verwischen.

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On Objects and Fetishes
Marc Aschenbrenner, Ulf Aminde, Pia Greschner, Lisa Junghanss, Annika Larsson, Stefan Panhans, Nicole Wermers
präsentiert von Anna-Catharina Gebbers & Olaf Stüber
2 Oktober 2010, 14:00-18:00 Uhr