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Die Jürgen Ponto-Stiftung zur Förderung junger Künstler vergibt seit 2003 Arbeitsstipendien an junge Künstlerinnen und Künstler. Benjamin Hirte und Christoph Knecht, die Stipendiaten der Jahre 2013/14, präsentieren ihre Arbeiten im MMK 3 des MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main.

Benjamin Hirte und Christoph Knecht wurden für das Stipendium von einer vierköpfigen Jury ausgewählt, der neben der Fachkuratorin der Jürgen Ponto-Stiftung im Bereich bildende Kunst Ingrid Mössinger, die Direktorin des MMK Dr. Susanne Gaensheimer, der Kunstsammler Klaus F. K. Schmidt und Ralf Suermann, der Vorstand der Jürgen Ponto-Stiftung zur Förderung junger Künstler, Berlin, angehörten. „Seit vielen Jahren unterstützt die Jürgen Ponto-Stiftung unser Ausstellungsprogramm im MMK 3 mit großem Engagement. Die fruchtbare Zusammenarbeit findet alle zwei Jahre ihren Höhepunkt mit der Präsentation der Arbeiten der Stipendiaten “, sagt Dr. Susanne Gaensheimer, Direktorin des MMK.

Der Titel „open handed“ bezieht sich zum einen auf den offenen Umgang der beiden Künstler miteinander in der Ausstellung, zum anderen auf die Vielschichtigkeit ihrer künstlerischen Praxis. Verweise auf Gegenstände des Alltags – Architektur, Design und Kommunikation – führen in ihrem Schaffen zu einer Auseinandersetzung mit Kulturgeschichte und Formen des Displays. Vertrautes und scheinbar Historisches wird neu geordnet und re-inszeniert. Skulpturale Ansätze verbinden sich mit Sprache, Gegenständliches verbindet sich mit Abstraktion, Opulentes mit Minimalem, Überliefertes mit Gegenwärtigem. Die beiden Stipendiaten vereint, dass sie unterschiedliche künstlerische Medien und Arbeitstechniken, wie Skulptur, Malerei oder Installation in ihren Werken miteinander kombinieren. Für die Ausstellung im MMK 3 haben die Künstler in ihrer Zusammenarbeit bewusst Bezug auf die Arbeiten des jeweiligen Gegenübers genommen.

Benjamin Hirte richtet in seinen Arbeiten den Blick auf alltägliche Formen und Schriften, die beispielsweise aus der Werbung und Warenwelt bekannt sind. Der ästhetische Wert der Objekte tritt in den Vordergrund und wird durch den Künstler erweitert. Bedeutungen werden in Frage gestellt und neu strukturiert. Durch überproportionale Vergrößerung entzieht er den einzelnen Objekten ihren eigentlichen Kontext. Hirte greift zu vorwiegend industriellen Materialien als Basis seiner Werke und bearbeitet diese mittels industrieller Verfahren. Viele seiner Arbeiten entstehen mit Hilfe von Computertechnik. Die Werkgruppe „untitled (tags)“ aus dem Jahr 2014 ist aus Zementspanplatten hergestellt, die üblicherweise im Fassadenbau oder im Innenausbau Verwendung finden. Der Künstler vergrößerte für diese Arbeiten Warenaufhänger, wie man sie im Baumarkt, beim Textildiscounter oder im Supermarkt findet. Es handelt sich üblicherweise um Plastikteile, an denen zum einen die Waren befestigt und mit Informationen versehen werden, zum anderen werden die Waren an diesen Warenaufhängern platzsparend und sicher an einem Warenhaken im Regal präsentiert. Den „tags“ wurde ihr Sinn genommen, sie stehen als ästhetisches Objekt für sich. Die englische Betitelung der „tags“ spielt mit Doppeldeutigkeiten und dem Auseinanderfallen von konventionellen Vorstellungen. Der Betrachter schreibt den sperrigen Warenaufhängern einen eigenen Sinn ein. Die Reduktion auf die verschieden geformten Öffnungen im Aufhänger wirft die Frage auf, welches Produkt an ihnen befestigt war. Gesichter oder andere vertraute Strukturen scheinen erkennbar zu sein, ein kognitives Phänomen, welches als Pareidolie bezeichnet wird.

Christoph Knecht beherrscht verschiedene künstlerische Arbeitstechniken. Er greift auf eine lange kunsthistorische Tradition zurück und übersetzt diese Techniken visuell ins Heute. Die Arbeiten aus der Serie „Plant of Opportunities“ stellen ein stets ähnliches Motiv in verschiedenen Techniken dar. Seine botanischen Darstellungen muten wie aus einem Pflanzenlexikon an und lassen an das Blumenbuch von Maria Sibylla Merian denken. Für die Frankfurterin stellten die Abbildungen das Ausgangsmaterial dar, an dem sich Damen im 17. Jahrhundert bei ihrer Stickkunst orientieren sollten, sie wandte sich aber explizit auch an den Kunstliebhaber. Der Verweis auf eine Übersetzung in andere Techniken findet sich ebenso bei weiteren Arbeiten von Christoph Knecht wieder. Seine überaus detaillierten Abbildungen von imaginierten Pflanzen, die verschiedene Blüten und Blätter treiben, sind sowohl als Malerei als auch als Radierung ausgeführt. Diese Abbildungen exotisch anmutender Pflanzen, die in ihrem Ursprung die Flora fremder Länder dokumentieren, sind ein Verweis auf die kulturelle und bildsprachliche Mobilität der damaligen wie heutigen Gesellschaft. Die kulturelle Aneignung von Ausdrucksformen ist dabei stets ein zentrales Element in seinen Arbeiten. So verweisen seine Kachelfriese zum Beispiel in ihrer Technik auf die Aneignung der chinesischen Porzellankunst durch die europäischen Herrscherhöfe. Es sind auch die Kachelfriese, mit denen Knecht aktiv die Architektur des Ausstellungsraums in sein Schaffen einbezieht und dadurch einen Bezug zu den Arbeiten von Benjamin Hirte herstellt, der die visuellen Strukturen des Alltags zum Kernelement seiner Arbeiten gemacht hat.