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Eröffnung: Freitag, 20.01. um 19 Uhr
Einführung: Heinrich Dietz

Die Schwarzweiß-Fotografien von Owen Gump (* 1980, in Kentfield, Kalifornien, USA) stehen in der Tradition US-amerikanischer Landschaftsfotografie. In seinen topographischen Untersuchungen des amerikanischen Westens wird Landschaft als Stoff ideologischer Formungen und Schauplatz menschlichen Expansionsstrebens lesbar.

Für die neue Serie The Narrows, die im Kunstverein Freiburg erstmalig gezeigt wird, erkundete Gump das Gelände eines Industrieparks bei Reno in Nevada. Im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft entsteht dort unter besonderen baurechtlichen Bedingungen und steuerlich subventioniert ein immenses Gewerbegebiet, auf dem sich global agierende Konzerne ansiedeln, darunter zum einen traditionelle Unternehmen, zum anderen High-Tech- und Online-Firmen. Neben dem weltweit größten Datenzentrum soll dort auch mit der Tesla-Gigafactory das größte Produktionsgebäude der Welt entstehen. In ihr sollen jährlich mehr Akkus hergestellt werden, als die aktuelle jährliche Weltproduktion.

Gump durchstreift das Industriegelände in einer subjektiven Spurensuche. In kleinformatigen Aufnahmen führt The Narrows ein komplexes Zusammenspiel von Mensch und Landschaft, Kultur und Natur vor: monumentale Bauten aus seriellen Modulen dehnen sich in der Wüste aus, legen sich als geometrische Figuren in das Motiv. Immer wieder zeigen die Bilder Bauschutt, plane Bauflächen, Geröllhalden, karge Hügel; dann Straßen und Wege, die wie ambivalente Hinweise auf einen zweifelhaften Fortschrittsglauben mal die Landschaft zerfurchen, mal ins Nichts zu führen scheinen, zugleich Mauern, Zäune, Begrenzungen. Weite Panoramen, teils durch starke hell-dunkel Kontraste akzentuiert, wechseln mit flächigen Frontalansichten oder all-over Kompositionen. Strenge geometrische Strukturen treffen auf formlose Elemente und entropische Situationen. Wobei Gegensätze, wie die von Geometrie und Formlosigkeit, Natur und Kultur, Gegenständlichkeit und Abstraktion, immer wieder in neue Abhängigkeitsverhältnisse treten und teils ineinander zu kippen scheinen.

Menschen sind auf Gumps Bildern abwesend. Doch zeugen die Aufnahmen davon, wie sich der Mensch als geographischer und geologischer Faktor in die Landschaft einschreibt. An der Stirnwand der umlaufenden Galerie des Kunstvereins hängen vier Aufnahmen einer kalifornischen Hügellandschaft, deren Vegetation abgebrannt ist. Mit dem Wissen um die extremen Dürren und Waldbrände in Kalifornien erscheinen sie als nüchternes Zeugnis einer menschengemachten Naturkatastrophe.

In den 1860er und 70er Jahren wurden von der US-Regierung und privaten Initiativen Expeditionen in die noch unerkundeten Regionen des amerikanischen Westens unternommen. Diese Ausweitung der Grenzen einer ressourcenhungrigen Zivilisation wurde auch von Fotografen begleitet. In ihren Aufnahmen hielten sie eine noch fremde, erhabene Wildnis fest. Nahezu ein Jahrhundert später dokumentierten Fotografen wie Robert Adams oder Lewis Baltz die banalen Monumente der durch Industrialisierung und Wirtschaftswachstum geprägten Landschaften im amerikanischen Westen. An diese Tradition amerikanischer Landschaftsfotografie knüpft Gump an und geht ihren Problemstellungen, wie dem Verhältnis von Abbildung, Projektion und Interpretation in territorialen Manifestationen aktueller Fortschrittsideologien und Wachstumsbestrebungen, nach.

Es könnten ebenso die Zukunftsträume von gestern wie die Bruchlandschaften von morgen sein, die Gump festhält. Die geometrischen Strukturen der entstehenden Gebäudekomplexe heben sich stark von der archaischen Wüstenlandschaft ab und lassen sie wie ein Science-Fiction-Set wirken. Damit wird The Narrows zugleich zu einer archäologischen Untersuchung, als würde Gump die Ruinen einer Zukunft dokumentieren, in welcher sich die Einflusssphäre des homo oeconomicus immer weiter ausdehnt.

Zur Ausstellung wird exklusiv für Mitglieder des Kunstverein Freiburg eine Edition erscheinen.