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In unterschiedlichsten Versionen haben sich Menschen zu allen Zeiten ursprüngliche ideale Welten erdacht, aus denen sie stammen und in die sie sich zurücksehnen. Diese Traumwelten bekamen Namen wie Paradies, Elysium, Olymp, Himmel oder das verlorene Arkadien. Es ging dabei um die Transponierung von Glückseligkeit, von menschlichen Gefühlen und Sehnsüchten auf eine andere Ebene und zumeist in eine weit entfernte Vergangenheit.

Zwei entgegengesetzte Konzeptionen beeinflussten die Vorstellung vom Paradies: Die Vielfalt mythischer Gestaltungen in der Antike und die christlich-jüdische Vorstellung vom Garten Eden. Das verlorene Paradies von Adam und Eva bedingte die christliche Vorstellung von einer Zweiteilung der Welt in Gut und Böse, in Himmel und Hölle. Die Antike war seit ihrem Untergang eine gelungene Projektionsfläche für unterschiedlichste Ansichten, Ideen und Wünsche. Der zentrale Unterschied war die Einstellung zu Sexualität, Hetero- wie Homosexualität. Im Christentum wurde sie verteufelt und zum Grund für die Vertreibung aus dem Paradies erklärt. In der Antike hatte sie einen positiven Stellenwert in der Götterwelt, in den Mysterien, der Philosophie und im Leben.

Die Wiederentdeckung antiker Texte und Kunstwerke im Mittelalter, verstärkt aber in der Renaissance führten zur Übernahme derartiger antiker Vorstellungen vom Leben für die Gegenwart. Dies bedingte immer auch freiere Ansichten zu Homosexualität. Daneben konnten zeitgenössische Orte der Liebe und Unbefangenheit wie Badehäuser und Schwimmplätze, aber auch die Prostitution in den Städten zu Plätzen antiker Freiheit stilisiert werden. Dem folgten die französischen Liebesinseln und Liebestempel des 18. Jahrhunderts. Italien wurde als neues Paradies besungen. All diese Fluchtbewegungen boten auch den Homosexuellen eine Möglichkeit, sich auf die Suche nach Arkadien zu begeben.

Paradiesvisionen waren von zentraler Wichtigkeit als Stütze für das Erdulden einer unbefriedigenden Wirklichkeit. Sie hatten eine politische Dimension. Das Imaginieren von positiven Gegenwelten konnte zum Kampfmittel gegen Unterdrückung und Verfolgung werden, zu Manifesten der Selbstbehauptung. Der Fremdwahrnehmung und Entäußerung wurden solche Bilder der Selbstdarstellung entgegengehalten.

Die Ausstellung bietet einen Gang durch die Jahrhunderte und versammelt in zehn Themenbereichen künstlerische Arbeiten aus der Sammlung Sternweiler. Diese wurde in den letzten 20 Jahren parallel zur Entwicklung des Schwulen Museums von dem Kunsthistoriker Dr. Andreas Sternweiler und seinen Eltern Anneliese und Dieter B. Sternweiler aufgebaut. Es handelt sich dabei um Sicherungskäufe von Materialen, die im Antiquariats-, Kunst- und Auktionshandel auftauchten, vom Schwulen Museum wegen des fehlenden Etats nicht angekauft werden konnten und sonst in alle Winde verstreut worden wären.

Nur dank privater Spenden und Zuwendungen zu Lebzeiten oder durch Vermächtnisse war es bisher möglich, im Schwulen Museum eine Sammlung zur schwulen Geschichte, Kultur und Kunst zusammenzutragen.

Gegenwelten mit politischer Dimension

Der Schwerpunkt dieses Bestandes liegt bisher auf der Zeit von 1950 bis heute. Die Sammlung Sternweiler umfasst hingegen Material aus den Bereichen Kunst, Fotografie, Sozialgeschichte, Travestie und Schwulenbewegung von 1500 bis 1950. Zahlreiche Leihgaben aus der Sammlung Sternweiler wurden bisher schon in unseren Ausstellungen gezeigt und sind unabkömmlicher Bestandteil der Dauerausstellung. In der Ausstellung Paradiese ist nur ein Teil der künstlerischen Arbeiten zu sehen.

Kunst und Kultur von 1500 bis 1950

Jetzt bietet sich erstmals für das Schwule Museum die Chance, unter Mithilfe staatlicher Gelder einen großen Ankauf zu tätigen und die Sammlung Sternweiler als eine der umfassendsten privaten Sammlungen zur schwulen Geschichte und Kunst zu erwerben. Dies wäre die ideale Vergrößerung und Ergänzung der Bestände des Schwulen Museums und ein krönendes Geschenk zu seinem 20jährigen Bestehen.

Pressetext

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Paradiese
Schätze aus der Sammlung Sternweiler
ausgewählt von J. M. Krüger

mit Ludwig von Hofmann, Hans John, Peter Martin Lampel, Thomas Piroli, C. Ghisi ...