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Die Ausstellung “Paul Klee: 1933” widmet sich dem Schaffen Paul Klees (1879–1940) in dem für den Künstler beruflich und persönlich äußerst schwierigen Jahr 1933. Wenige Wochen nachdem Hitler Reichskanzler geworden war, durchsuchten Mitglieder der NSDAP Klees Dessauer Bauhaus-Wohnung. Im April wurde Klee seines Postens an der Düsseldorfer Kunstakademie enthoben und wählte Ende des Jahres den Weg in die Emigration. Dennoch verzeichnet der Œuvrekatalog 1933 mehr Werke als in irgendeinem Jahr zuvor. Dazu zählt eine Gruppe von 246 Zeichnungen, in denen Klee das Vehikel der Parodie wählte, um eine außerordentlich komplexe, leidenschaftliche Reaktion auf das NS-System zu Papier zu bringen. Ohne einen direkten Kommentar abzugeben, beschwören diese Zeichnungen in der dem Künstler eigenen Art Demagogie, Militarismus, Gewalt, Antisemitismus und Erniedrigung. In der Ausstellung “Paul Klee: 1933” wird erstmals eine Auswahl von über 100 Zeichnungen dieser so genannten Revolutionsblätter der Öffentlichkeit präsentiert. Die Zeichnungen werden durch farbige Arbeiten aus dem Jahr 1933 ergänzt.

Max Hollein, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt: “Paul Klees lange als verloren angesehene Gruppe von Arbeiten aus dem Jahr 1933 gibt nicht nur einen repräsentativen Einblick in das außergewöhnliche Werk dieses schicksalhaften Jahres, sondern legt auch Zeugnis davon ab, wie ein führender Avantgardekünstler trotz Zensur eine wenngleich verdeckte, so doch scharfe Kritik an den politischen Ereignissen seiner Zeit übte.”

Pamela Kort, Kuratorin der Ausstellung: “Klees Zeichnungen aus dem Jahr 1933 geben dem Betrachter die einmalige Gelegenheit, sich mit einem Wesenszug der Ästhetik des Künstlers auseinander zu setzen, der bislang im Großen und Ganzen unbeachtet blieb: seiner lebenslangen Beschäftigung mit den Möglichkeiten der Parodie und des Witzes. Darin liegt nämlich die wirkliche Bedeutung dieser Blätter, und das gerade für ein Publikum, das sich der politischen Dimensionen von Klees Kunst nicht bewusst ist.”

Das Jahr 1933 begann für den damals 53-jährigen Paul Klee mit zunehmenden persönlichen Repressalien. Am 17. März durchsuchten Männer der SA unter Führung eines Polizeibeamten in Klees Abwesenheit dessen Wohnhaus in Dessau und beschlagnahmten zahlreiche Unterlagen. Da Klee befürchtete, verhaftet zu werden, setzte er sich unverzüglich für einige Wochen in die Schweiz ab. Nur durch die juristischen Interventionen von Schweizer Freunden nahm dieser Vorfall einen glimpflichen Ausgang. Den Höhepunkt der Maßnahmen von Seiten der Nationalsozialisten, von denen Klee in der Presse und in behördlichen Schreiben als “Kulturbolschewist” und “galizischer Jude” verunglimpft wurde, bildete am 21. April die fristlose Entlassung als Professor an der staatlichen Düsseldorfer Akademie per Telegramm. Klee, der seit der Aufkündigung seiner Lehrstelle am Bauhaus in Dessau 1931 fast zwei Jahre lang zwischen Dessau und Düsseldorf gependelt war, hatte erst kurz davor mit seiner Frau ein Haus in Düsseldorf gemietet. Die Umzugsgüter kamen am 26. April, also fünf Tage nach der Kündigung, an. Klee verbrachte die folgenden Monate stellungslos mit seiner Frau in Düsseldorf, wo er zwar mit einigen Kollegen und dem ebenfalls entlassenen Direktor der Kunstakademie Walter Kaesbach in Kontakt stand, jedoch weitgehend auf sich selbst gestellt arbeitete. Im Dezember 1933 schließlich sah Klee sich gezwungen, Deutschland endgültig zu verlassen. Er emigrierte in seine Heimatstadt Bern, wo er mit seiner Frau zunächst bei seinem Vater im Elternhaus Unterschlupf fand. Angesichts der Verfemung in Deutschland verzögerte sich die Bewilligung seines Antrags auf Einbürgerung in der Schweiz, die er bis zu seinem Tod 1940 nicht mehr erlebte.

Trotz der Turbulenzen von 1933 schuf Klee in diesem Jahr mehr Werke (482) als je zuvor – darunter eine große Gruppe von 246 Zeichnungen, die mit ihren ungewöhnlich realistisch-figürlichen Motiven und der Dichte und Erregtheit des Strichs eine Sonderstellung in seinem Schaffen einnehmen. Im Wesentlichen zwischen Mai und September 1933 entstanden, bilden sie die größte in einem Jahr entstandene zusammenhängende Bildgruppe in Klees Œuvre überhaupt. Der Künstler behielt, bis auf wenige Geschenke an vertraute Sammler, fast alle Zeichnungen zeitlebens bei sich und trug jede einzelne Arbeit sorgfältig in seinen Œuvrekatalog ein. Ein einziges Mal, im Sommer 1933, zeigte er eine größere Anzahl der Blätter mit der Bemerkung, sie stellten “die nationalsozialistische Revolution” dar, Walter Kaesbach, der Klee ursprünglich an die Düsseldorfer Kunstakademie geholt hatte, und seinem dortigen Kollegen, dem Schweizer Bildhauer Alexander Zschokke. Seither sind äußerst selten vereinzelte Arbeiten dieser Werkgruppe an die Öffentlichkeit gelangt, wobei der Verweis auf ihre Zugehörigkeit zu den so genannten Revolutionsblättern nahezu immer fehlte. Im Sommer 1945, als die Gefahr vorüber war, berichtete Zschokke im Schweizer Rundfunk von einer Zeichnungsmappe Paul Klees zur “nationalsozialistischen Revolution”. Drei Jahre später beschrieb er die Zeichnungen von 1933 und Klees Verfassung, als dieser sie ihm und Kaesbach gezeigt hatte, in einem Artikel in der Schweizer Zeitschrift “DU”. Lange Zeit war völlig unklar, welche Zeichnungen Klee seinen Kollegen vorgelegt haben könnte. Manche hielten die Blätter gar für verloren.

Erst 1984 gelang es, im Bestand der Paul-Klee-Stiftung des Kunstmuseums Bern einen Großteil dieser Zeichnungen von 1933 zu identifizieren. Ergänzt durch Leihgaben aus verstreutem öffentlichem und privatem Besitz wird nun erstmals eine Auswahl von etwa 100 Bleistift- und Fettkreidezeichnungen der Öffentlichkeit präsentiert. Damit ist dies die erste Ausstellung, die Klees umfangreichste geschlossene Werkgruppe in den Blickpunkt rückt und die längst fällige Frage nach ihrer historischen und politischen Bedeutung stellt.

Die Zeichnungen bieten mit ihren subtilen Kommentaren zum nationalsozialistischen Regime ein überraschendes Bildmaterial und zugleich einen fesselnden Einblick in Klees Schaffensprozess, da sie mit ihrem ästhetischen Potenzial die Voraussetzungen schufen, die Klee ab 1937 in den halbfigürlichen, seriellen Arbeitsprozess ummünzte, der für sein Spätwerk kennzeichnend werden sollte. Die meisten Arbeiten geben keinen unmittelbaren Kommentar zum Nationalsozialismus ab, sondern greifen unter oft scheinbar witzigen Titeln und Kompositionen ernste politische Themen wie Erziehung, Militarismus, Gewalt, Erniedrigung und Verfolgung auf. Der ungewöhnlich realistische, fast “altertümliche” und illustrative Figurenstil der Zeichnungen setzt sich zudem auf subtile Weise mit der vom neuen Regime abgesegneten künstlerischen Ausdrucksform auseinander, indem er diese parodiert.

Ergänzt werden die Zeichnungen um 15 Gemälde und farbige Arbeiten Paul Klees aus dem Jahr 1933, darunter so eindeutige Titel wie “Maske roter Jude”, “Der Gegenpfeil” oder “Von der Liste gestrichen”. Im Lichte der bisher weitgehend unbekannten, teils grotesk-komischen Zeichnungen gewinnt auch der Zeitkommentar dieser bekannten Werke eine überraschend eindringliche Kontur. (Pressetext)

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Paul Klee - 1933
über 100 Zeichnungen aus der Gruppe der "Revolutionsblätter" sowie frabige Arbeiten
Kurotorin: Pamela Kort, Gastkuratorin an der Schirn
Konzeption der Ausstellung: Pamela Kort, New York
Stationen: Städtische Galerie im Lenbachhaus, München - Kunstmuseum Bern - Schirn Kunsthalle Frankfurt - Hamburger Kunsthalle (11. Dezember 2003 – 7. März 2004)