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Eröffnung 01.02.2008, 19:00 Uhr

Die anspruchsvolle und dominante Architektur des Kunsthaus Graz evoziert die verschiedensten Ausstellungstypologien und regt in hohem Maße ein Programm an, das Künstler und Künstlerinnen berücksichtigt, die in ihrer künstlerischen Praxis die Entwicklung von ortsspezifischen, auf den Charakter der architektonischen Gegebenheiten reagierenden Projekten anvisieren. Das Obergeschoß des Kunsthaus Graz (der so genannte Space01) stellt in seiner Monumentalität und ungewöhnlichen Geometrie eine ganz besondere Herausforderung dar – sowohl für die künstlerische Vorstellungskraft als auch für die kuratorische Praxis. 2004 artikulierte Sol LeWitt mit seinem beeindruckenden installativen Meisterwerk Wall (als überwältigendem künstlerischen Statement einer einzigartigen Kraft, das er eigens für das Kunsthaus Graz entworfen hat) die Potenzialität dieses Raumes in äußerster Vollendung.

Die Installation True Gardens #6 (Graz) des portugiesischen Künstlers Pedro Cabrita Reis (geb. 1956 in Lissabon) markiert einen weiteren kühnen und radikalen Versuch der Eroberung und gleichzeitigen Zähmung dieses widerborstigen und subversiven Raumes. Pedro Cabrita Reis ist ein Meister der Koexistenz. Sein imposanter Werkkatalog umfasst Architektur, Plastik und Malerei und setzt sich aus ganz alltäglichen Stoffen zusammen – banale Alltagsumgebungen, Baumaterialien und eine architektonische Semantik, die er sich aus der Alltagswirklichkeit angeeignet und auf wundersame Weise in Altare einer beinah spirituellen Erfahrung verwandelt hat. In der Praxis seiner Alchemie des Alltäglichen verwandelt der Künstler Wohlvertrautes in Erhabenes, Triviales in Kostbarkeiten, und erreicht so die sublimen Ebenen der menschlichen Wahrnehmung, Emotion und Würdigung der Welt.

Eigens für das Kunsthaus Graz entwickelt, stellt Cabrita Reis’ True Gardens #6 (Graz) ein weiteres Kapitel in einem laufenden Projekt der Erforschung eines Mikrokosmos der ursprünglichen Dinge dar. Die vorangegangenen Versionen wurden in Le Crestet, Stockholm, Dijon, London und Benevento realisiert und gingen immer eine ganz besondere, extrem persönliche Beziehung mit dem jeweiligen Schauplatz und dessen besonderem Genius Loci ein. True Gardens #1 (Le Crestet) umfasste zum Beispiel eine Spiegelsammlung, die von zwei emaillierten Paneelen unterbrochen war, und sich auf einer Plattform aus Holz im Innenhof des Kunstzentrums befand, was eine Synergie zwischen der natürlichen Umgebung und dem Einsatz industrieller Materialien erzeugte. Bei True Gardens #2 (Stockholm) und True Gardens #3 (Dijon) hingegen wurde eine innere Landschaft aus Licht aufgebaut, deren Intensität mit dem Volumen des Innenraums zusammenwirkte und auf diese Weise eine vielstimmige räumliche Erfahrung erzeugte, die alle Sinne ansprach. Pedro Cabrita Reis betritt das beinah neobarocke Obergeschoß des Kunsthauses Graz mit ungewöhnlicher Bescheidenheit und Demut: Seine True Gardens #6 (Graz) sind ein Labyrinth aus Licht und Glas, das auf Holztramen aufliegt und sich einer Ordnung folgend auf die offene gekrümmte Fläche des Space01 verteilt. Auf diese Weise erinnern sie durch ihre strenge Horizontalität und Ebenheit an ein Gemälde der möglichen Erzählungen, das sowohl Harmonie als auch Kontrast verkörpert, das gleichzeitig sowohl eine Geste des Dissens darstellt als auch den Raum, in dem es zu Gast ist, und dessen dynamische Geometrie umarmt. Die industriellen Materialien (Neonröhren, Glasplatten, derbe Holztramen, meterweise Stromkabel) und die sichtbaren Zeichen eines Arbeitsprozesses verwandeln den Raum in eine gewaltige Baustelle, an der geistige und körperliche Arbeiten zur Aufdeckung einer Bedeutung und eines Geheimnisses innerer und äußerer Welten beitragen. Cabrita Reis’ performative Installation versprüht die Intensität des Lichts und die Ruhe, die zu einer beinah beunruhigenden Stille mutiert, erzeugt eine poetische Dimension, die den Raum in einen Ort der Kontemplation und einen melancholischen Palast der räumlichen Kommunion verwandelt.

In Pedro Cabrita Reis’ Worten sind Gärten Geometrie für die Natur. Sie drücken die utopische Suche des Künstlers nach Klarheit und Ordnung aus, in einer Welt, die von aggressiven Diskursen und oberflächlicher Rhetorik beherrscht ist. Einer solchen mythologischen Hülle wohnt ein Ort der Wahrheit inne: durchsichtig, reflektierend, nackt, eine Landschaft der elementaren Leidenschaften und des fundamentalen Wissens, eine Sammlung der Emotionen und Assemblage der Erinnerungen.

„Ich glaube, dass man in jedem Kunstwerk diesen sehr eigenen, kurzen und stillen Moment erkennt, in dem man Intelligenz erfährt; eine absolute und totale Intelligenz, durch die alles zueinander führt … Da Kunst eine Offenlegung all unserer Ängste ist, kann sie weder das Leben ändern noch den Tod erklären. Diese prachtvolle Unfähigkeit, uns eine Vorsehung anzubieten, unterscheidet Kunst von Wissenschaft, Religion und Philosophie. Als Streben nach Bedeutung/Sinn könnte dies auch (warum nicht?) eine Suche nach Schönheit sein. Ich betrachte meine Arbeit gerne als Teil dieser Denkweise …“

Kuratoren: Adam Budak, Peter Pakesch

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Pedro Cabrita Reis
True Gardens #6 (Graz)
Kuratoren: Adam Budak, Peter Pakesch