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Eröffnung Freitag, 28. Oktober 2016

Die britische Künstlerin Phyllida Barlow hat eine eigenartige und einzigartige Karriere hinter sich. 1944 in Newcastle upon Tyne geboren, stellte sie 1965 erstmals aus und zwar im damals angesagten ICA in London. Von einem breiteren Publikum wahrgenommen, gesammelt und geschätzt wird ihre Arbeit aber erst seit etwas mehr als zehn Jahre. Dazwischen liegen fünf Jahrzehnte, aus denen sich nur wenige Werke erhalten haben. So haben wir es mit einer Künstlerin zu tun, die heute zwar von vielen als bedeutend betrachtet wird, deren Werk aber zu einem grossen Teil auf immer verloren bleibt.

Die Gründe für diese kunsthistorisch recht einzigartige Situation sind vielfältig. Viele von Barlows Skulpturen konnten wegen ihrer Grösse und Beschaffenheit nicht erhalten werden. Denn es gab dafür weder Stauraum noch Geld und offenbar auch keine Käufer. Das änderte sich erst Anfang 2000, als sich Institutionen, Sammler und Galerien für die Künstlerin zu interessieren begannen. Ein zweiter Grund liegt in der Beschaffenheit der Kunst selbst. Barlow vertritt dezidiert die Haltung einer klassischen Bildhauerin. Es geht ihr um die Skulptur, um ihre Bestandteile, ihre Möglichkeiten, Geschichte und Widersprüche. Dabei verwendet sie jedoch Materialien, Formen und Farben, welche dauernd mit den klassischen Vorstellungen von Skulptur brechen: statt Bronze oder Marmor sind es Pappkarton, roher Zement und Bauholz, statt gediegenen Volumen sind es zerklüftete und rohe Gebilde und statt dass die Farbe vereint, besänftigt und dekoriert, bricht sie auf, macht sie deutlich und entwickelt ein Eigenleben. Daraus aber ziehen ihre Werke eine Spannung wie nur wenige sonst – womit es noch länger brauchte, bis ihre formalen und skulpturalen Qualitäten wahrgenommen wurden. Barlows Kunst verteilt keine Komplimente, sie verweigert sich der Bewunderung, sie stellt sich in den Weg und widersetzt sich gängigen Vorstellungen von Wert, Geschmack und Status. Dieser Widerstand wiederum verleiht ihr eine politische Dimension.

In der Kunsthalle Zürich wird die Künstlerin im 2. Stock über die ganze Etage eine hohe raumgreifende Skulptur aufbauen, welche von den Besucherinnen und Besuchern eine „körperliche“ Betrachtung einfordern wird. Hier wird erseh- und erfahrbar, wie Skulptur funktioniert, wie sie mit Architektur in Dialog und Widerstreit tritt und wie Form auch durch banalste Materialien brillieren kann. Im 3. Stock findet ein mehrmonatiges Experiment statt. In einer ersten Phase wird dort ein Teil der Innenwände abgebaut und der Schutt durch eine plattformartige Skulptur überdeckt werden. In einer zweiten Phase werden weitere Wände wegen einer Renovation durch eine Baufirma entfernt. Am Tag der Eröffnung, am 28. Oktober 2016, wird die Arbeit niedergelegt und für ein Wochenende sichtbar. Am 31. Oktober schliesst der gesamte 3. Stock, um die Renovationsarbeiten zu Ende zu führen. Mitte Januar findet dann die zweite Eröffnung statt und die Besucherinnen und Besucher werden einer Skulptur gegenüber stehen, welche von einer mehrwöchigen Baustelle gezeichnet ist – und am Ende der Ausstellung entsorgt wird. Damit verschränken sich in der Kunsthalle Zürich erstmals beide so zentralen Momente von Barlows Karriere und Kunst: Die Skulptur als Fremdkörper, als Abbruch und Schatten.

2017 vertritt Phyllida Barlow Grossbritannien an der Biennale von Venedig.