press release only in german

The next great moment in history is ours! Dorothy Iannone

„We choose to LOOK at LIFE all the TIME, and though we realize that they are in one sense adult comic books, they are also full of things that speak ...“ Die Welt der Zeichen, der Werbeslogans und der Logokultur war für Sister Corita nicht weites Ödland, sondern bot ihr den Stoff für eine Kunst, die sich aus dem Alltag nährt. Das Werk von Sister Corita steht exemplarisch wie auch das von Evelyne Axell, Christa Dichgans, Rosalyn Drexler, Jann Haworth, Dorothy Iannone, Kiki Kogelnik, Marisol und Niki de Saint Phalle für feminine Strategien der künstlerischen Selbstermächtigung in der Zeit der Popkunst, maßgeblich in den 1960er Jahren. Kunstgeschichtlich primär mit männlichen Protagonisten verbunden, will POWER UP – Female Pop Art eine Revision der Pop Art durch herausragende weibliche Positionen erreichen.

Im Spannungsverhältnis von Abstraktion und Figuration, Warenkult und Kapitalismuskritik, High & Low ähnelt das Werk der ausgestellten Künstlerinnen in Material, Thema und Arbeitsweise an vielen Stellen dem ihrer männlichen Kollegen. Die Künstlerinnen dokumentieren und hypostasieren die Prosperität der Nachkriegsjahre, reflektieren die Oberflächlichkeit der Konsumkultur, entlarven wie Christa Dichgans den Mythos Ware als leere Hülse der zivilisatorischen Errungenschaft oder affirmieren wie Jann Haworth in Soft Sculptures Gegenstände zu überdimensionierten Kitschobjekten. In der Plakativität der einfachen Formensprache, der Verwendung von neuen Materialien wie Plastik sowie einer grellen Farbauswahl treffen die Popfrauen den Geschmack der Masse und bleiben als feministische Vorreiterpositionen, die mit Selbstinszenierungen wie Evelyne Axell, Niki de Saint Phalle und Kiki Kogelnik maximales Aufmerksamkeitspotenzial bündeln, doch kämpferisch, kritisch und außergewöhnlich. Die Ausstellung postuliert keine genuin feminine Kunst, sondern will den Fokus der Pop Art auf hervorragende Künstlerinnen, deren identitätsbildende Arbeit und ihre Perspektive auf die Rolle der Frau in einer Gesellschaft richten, die in den 1960er Jahren stark patriarchalisch ausgerichtet war.

Die Sicht dieser Künstlerinnen revidiert ein männliches Blickregime und die Darstellungen von Frauen wie Tom Wesselmanns entindividualisierte Matrizen des weiblichen Körpers, Mel Ramos malerische Verschmelzungen von Warenanpreisungen und lasziv dargestellten Akten als Objekte des Begehrens und Allen Jones sado-masochistisch arrangierte Sexgefährtinnen. Stattdessen beschreiben sie wie Jann Haworth, Kiki Kogelnik und Marisol das Korsett, in dem die Fremd- und Selbstdarstellung der Frau in dieser Zeit gefangen ist, zeigen wie Christa Dichgans den Versuch mit der Kunst aus einem häuslichen Leben auszubrechen und öffentlich sichtbar zu werden und stellen wie Evelyne Axell sowie Dorothy Iannone den weiblichen Körper, Liebe und Sexualität provokativ zur Schau. In einer ikonoklastischen Geste überpinselt Rosalyn Drexler Zeitungsvorlagen, setzt sich mit Klischeebildungen und Gendertypisierungen in Hollywood Filmen sowie Superstarkonstruktionen auseinander. Offen für die populäre Kultur um sich herum verwendet Sister Corita in einem frühen Akt des culture jammings Werbepropaganda als Teile einer neuen Message, die demokratisch und serigrafisch produziert sowie billig veräußert wird. Ihre Arbeiten beinhalten genauso wie diejenigen von Kiki Kogelnik, Marisol und Niki de Saint Phalle kritische Kommentare auf Ereignisse der Zeit und politische Gegebenheiten wie den Vietnamkrieg.

Die Damen der Années Pop führen Selbstermächtigungsstrategien vor, feiern weibliche Sexualität und Lust, verwenden in Bad-Girl-Manier Pin-Ups, Exzerpte der Konsumkultur und Fragmente einer manchmal allzu banalen Alltagswelt, sie kommentieren gesellschaftliche Veränderungen und machen in deutlich autobiografisch gefärbten Werken das Persönliche zum Politischen. In protofeministischen Arbeiten konterkarieren sie den affektiven Tod, den coolen und anonymen Stil klassischer Pop Art. Ihre Werke stellen eine idiosynkratische Erweiterung des etablierten Kanons auch durch eine tradierte weibliche Formensprache, die Verwendung von Textilien, ornamentalen Elementen und einer naiven Bildsprache dar. Gemein sind ihnen mit der Stilrichtung der Humor und die Nonchalance einer Lebenseinstellung, die sich bis heute in verschiedensten Facetten und Spielarten der zeitgenössischen Kunst fortschreibt.

Kuratorin: Angela Stief

Ausstellungskatalog: POWER UP – Female Pop Art. Hg.: Kunsthalle Wien, Gerald Matt, Angela Stief. Erscheint bei Dumont. Mit Texten von Belinda Grace Gardner, Anke Kempkes, Thomas Mießgang, Kalliopi Minioudaki, Mark Rappolt, Aaron Rose, Sid Sachs, Angela Stief, Martin Walkner. 288 Seiten, deutsch und englisch.

only in german

POWER UP. Female Pop Artists
halle 1
Kurator: Angela Stief

Künstler: Evelyne Axell, Sister Corita , Christa Dichgans, Rosalyn Drexler, Jann Haworth, Dorothy Iannone, Kiki Kogelnik, Marisol , Niki de Saint Phalle

Stationen:
05.11.10 - 20.02.11 Kunsthalle Wien
29.04.2011 - 10.07.2011 Sammlung Falckenberg, Hamburg-Harburg & Deichtorhallen Hamburg
23.07.2011 - 09.10.2011 Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen