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Eröffnung Dienstag, den 22. April um 19.30 Uhr Begrüßung: Peter Naumann, Einführung: Kathleen Rahn

Pressetext:

Die Privatsphäre bietet fernab von öffentlich-gesellschaftlichen Konventionen oder Erwartungen einen vielleicht letzten freien Ort des Rückzugs, der Besinnung und der Freiheit. Die Beschäftigung mit der Privatsphäre, bzw. das Aufgreifen von privat konnotierten Geschichten bietet Künstlerinnen und Künstlern seit jeher ein breites, interessantes Areal. Das symbolische Aufgreifen dieser Sphäre in Form von einfachen, häuslichen Gegenständen wie beispielsweise einem bestimmten Möbelstück, einem Tapetenmuster aber auch bestimmte Gerüche, werden ganze Spektren von Erinnerungen und Gefühlen hervorgerufen. Die in der Ausstellung versammelten KünstlerInnen thematisieren in ihren Arbeiten im weitesten Sinne den Bereich des Privaten, indem sie Gegenstände, Geschichten und Spuren hieraus in ihre Arbeiten einflechten. Hierbei steht die bewusste Verwendung von psychologisch geladenen Symbolen, die als freie Formen Verweise und Zusammenhänge entfalten, im Vordergrund.

Kathrin Sonntags (*1981, lebt in Berlin) Arbeiten kreisen spielerisch und inszenatorisch um das Wesen der Dinge, die uns umgeben. Sie beschäftigt sich mit der Frage, wie man diese Dinge in der Welt anhand von Beobachtung ‚anders’ wahrnehmen kann – was in den humorvollen und präzisen Beobachtungen der Künstlerin deutlich wird. Sonntag stößt auf erstaunliche Ergebnisse, die grundsätzliche Fragwürdigkeiten der Dinge an sich und ihrer Eigenheiten poetisch aufzeigen. So wird sie in der ehemaligen Pförtnerloge des Milchhofgebäudes, in dem der Kunstverein seine Räume hat, die Diaserie Mitternacht (2006) projizieren. Die 81 Diapositive zeigen Arrangements aus Objekten und Utensilien des Ateliers der Künstlerin. Tische, Papierschnipsel, Gläser, Fotografien und Glasplatten werden in jedem der Bilder zu präzisen Inszenierungen zusammengestellt, die fast schon wie von Geisterhand entrückte Momente darstellen. Auch thematisieren die weiteren in der Ausstellung zu sehenden Skulpturen und Fotoarbeiten von Kathrin Sonntag Situationen, die sonst nicht wahrnehmbar scheinen. Die Künstlerin holt Verborgenes hervor und lässt uns ungeahnte Perspektiven einnehmen.

Andreas Oehlert (*1966, lebt in Fürth) geht den Dingen inszenatorisch auf den Grund. Er benutzt persönliche Fund- und Erbstücke als auch Geschichten aus seiner Erinnerung oder Erlebnisse, die er in seinen Arbeiten thematisiert. Persönliche und kollektive Erinnerungen werden in Installationen, Fotografien und Zeichnungen zu neuen, teils begehbaren Erlebnisräumen. Oehlerts jüngste Fotoarbeiten zeigen Fund- und Erbstücke wie Vasen oder Porzellanfiguren, die er mit absurden Materialien drapiert und vor einen meist schwarzen Hintergrund in Szene setzt. In der Ausstellung wird er zudem die Arbeit itsnicetobenice (2000) re-installieren. Diese Arbeit ist wie ein eigener Raum im Raum, der zunächst an eine Bühne erinnert. Nähert man sich diesem Raum, gibt es zahlreiche fetischhafte Details – wie eine Raupe aus Bleistiften, Lamettavorhänge oder einen umhäkelten, getrockneten Donut – zu entdecken. Das Arrangement aus kleinen Relikten und Artefakten birgt eine vielschichtige Spannbreite von Assoziationen. Das „Schönsein“ ist bereits im Titel angedeutet und die Arbeit lässt an ‚Posen’ in unterschiedlichen Lebensbereichen, beispielsweise der Glamourparty aber ebenso an das Posieren in der eigenen Wohnzimmeridylle denken.

Alex Müller (*1969, lebt in Berlin) verarbeitet ebenso Fundstücke der Alltagswelt und überführt diese in malerisch behandelte Skulpturen und in vielschichtige Tafelbilder. In der Ausstellung wird deutlich, dass über malerisch feine und skultpturale Arbeiten hinaus auch die textliche Ebene der Arbeiten von Alex Müller eine bedeutende und poetische Rolle spielt. Für die Ausstellung hat die Künstlerin die Installation Martha, der Hutmacher im Hof (2008) realisiert, die den gesamten Boden der ehemaligen Verteilerhalle des Milchhofes bespielt. Wie bei einem Memoryspiel findet der Besucher auf der einen Seite der über 40 Bodenplatten ein ‚Erbsenmeer’ und auf der anderen Seite trifft er auf Pärchen von Schriftzeichen, die auch als fein komponierte Zeichnungen lesbar sind. Das entwickelte Schriftsystem folgt dem lateinischen Alphabet und entschlüsselt man es, sind Zitate anderer Künstler wie etwa von Francis Bacon, Mike Kelley oder Songtitel von David Bowie und anderer Ikonen der Künstlerin lesbar. Dieses individuelle Zeichensystem taucht auf weiteren Tafelbildern, die im vergangnen Jahr entstanden sind, in der gesamten Ausstellung wieder auf und verbindet so ihre verschiedenen Arbeiten zu einer vielschichtigen, geheimnisvollen Erzählung.

Über inszenatorische Settings aus häuslichen Gegenständen, fotografischen Aufnahmen der Dinge bis hin zu Skulpturen aus diversen Materialien, bietet die Ausstellung Privatsphäre ein assoziatives Feld aus psychologisch geladenen Andeutungen und eine offene Erzählstruktur. Das thematische Interesse der drei eingeladenen KünstlerInnen verbindet ihre Arbeiten in der Ausstellung zu einem breiten Spektrum, das im weitesten Sinne um das Wesen der Dinge kreist und offene Gedankenräume bereithält.

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Privatsphäre
Alex Müller, Andreas Oehlert, Kathrin Sonntag