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Zur Kuratierung der Ausstellung bei Fri Art wurde Petunia eingeladen, die 2009 von Valérie Chartrain, Dorothée Dupuis und Lili Reynaud-Dewar gegründete feministische Zeitschrift für Kunst und Kultur.

Ausgangspunkt für Pro-Choice ist die faszinierende Biografie von Mary Shelley, der Begründerin der modernen Science-Fiction. Ihr politisches Engagement, ihre Ansichten über die sexuelle Freiheit, ihre Auflehnung gegen die bürgerliche, konservative Moral ihrer Epoche sowie ihre unermüdliche Unterstützung für die literarischen Ambitionen ihres engeren Umfeldes und ihre Nähe zu zahlreichen Schriftstellern waren wegbereitend für die Konzeption der Emanzipationsprozesse und der Entscheidungsfreiheit, wie wir sie in der zeitgenössischen künstlerischen Praxis vorfinden.

Was Frankenstein betrifft, den Schöpfer eines jenseits biologischer Fortpflanzungsparameter erzeugten Wesens, das weder „natürlich“ noch „biologisch korrekt“ ist, ein aus der Verbindung von totem Fleisch und abseitiger Wissenschaft entstandenes Produkt – Frankenstein ist wahrhaftig die ideale Figur, um über Fragen von Produktion, Reproduktion, Konstruktion und – warum nicht? – Destruktion nachzudenken. Einige aktuelle Interpretationen der Gothic Novel sehen einen Zusammenhang zwischen der dunklen Herkunft des Monsters und der Trauer Shelleys angesichts des tragischen Verlusts mehrerer Kinder und amilienangehöriger. Eben diese reaktionären Zusammenhänge zwischen künstlerischer Produktion und biologischer Reproduktion, Schöpfung und Mutterschaftsimperativ oder, anders gesagt, die Zusammenhänge zwischen Künstler und Matrix – bzw. der Mutter – will Pro-Choice überwinden und zerschlagen.

Mit dem expliziten Verweis auf die Bewegung für das Abtreibungsrecht und die Entscheidungsfreiheit allgemein erweist sich Pro-Choice als Statement oder Mantra. Pro-Choice will die unzähligen Strategien aufzeigen, aus denen die Künstler bei der Produktion oder Konzeption ihres Werkes wählen können; denn mit jeder Wahl wird Bedeutung geschaffen, und die Künstler sind unweigerlich an ihre Wahl gebunden.

Totale Produktionsverweigerung, Reproduktion, Diebstahl, Kopie, die Erfindung eines Alter Egos, der Einsatz der Bauchredekunst oder die Betonung der Subjektivität als zentrales Element des Schaffensprozesses: All diese Möglichkeiten sind Ausdruck einer ganz speziellen Freiheit, in der sich die radikalen Umdeutungen der Sexualität durch die queere Politik, der Wandel und die Verlagerung unserer privaten Strukturen hin zu offeneren, öffentlicheren und weniger stark kontrollierten Modellen widerspiegeln. Unter dem Eindruck von Technoscience, Fortpflanzungsmedizin und der Neuaushandlung des Familienbegriffs versucht sich Pro-Choice an dem gefährlichen Manöver zwischen Essentialismus und Konstruktivismus, ein Thema, das den Feminismus auch heute noch entzweit.

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PRO-CHOICE

Künstler:
Fabienne Audeoud, Natalie Czech, Olivia Dunbar, Sophie Erlund, Vidya Gastaldon, Isa Genzken, Isabella Girtanner, Roni Horn, Natalia Ibanez Lario, Sherrie Levine, Yoan Mudry, NG , Mai-Thu Perret, Beatriz Preciado, Carissa Rodriguez, Kay Rosen, Anne Laure Sacriste, Cosima von Bonin, Emily Wardill, Martina-Sofie Wildberger

Kuratoren:
Petunia  (Valerie Chartrain, Dorothee Dupuis, Lili Reynaud Dewar), auf Einladung von Corinne Charpentier.