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Anlässlich der Europa-Premiere der von T-B A21 koproduzierten Marionetten-Rockoper DON`T TRUST ANYONE OVER THIRTY von Dan Graham, Tony Oursler und Rodney Graham im Rahmen der Wiener Festwochen zeigt T-B A21 unter dem Titel PUPPETS & HEAVENLY CREATURES im Space in Progress von 4. Juni bis 29. Juli 2005 eine Auswahl von Installationen und Filmen aus dem Sammlungsbestand.

Puppen, Marionetten und Masken bilden ein Repertoire aus vereinfachenden Verfremdungssubjekten, die Überzeichnungen von regressiven Eigenschaften und projektive Identifikationen zulassen. Himmlischen Wesen, die das Firmament der Rockwelt bewohnen, aber auch die ätherischen Wesen der höheren, komplexen Ebenen, die uns durch ihre symbolische Transfiguration enthoben sind, dienen einer überhöhenden Anrufung. John Bock, Laurent P. Berger, Dan Graham, Rodney Graham, Tony Oursler, Paul McCarthy, Jason Rhoades und Christoph Schlingensief entwickeln Strategien der performativen, ritualistischen und dokumentarischen Vermittlung, die mittels Repräsentationen / Impersonifikationen / Verkörperungen soziale Entfremdungen, politische Entgleisungen und historische Fehlinterpretationen aufzuzeigen versuchen.

Dan Grahams Rock My Religion (1982-84) gilt als Meilenstein in der Bearbeitung von Rock, Punk und deren Wurzeln in der amerikanischen Geschichte. Die Videodokumentation beginnt mit einer Montage von Holzschnitten der Shakers, einer religiös-utopischen Sekte aus dem 19. Jahrhundert und Filmausschnitten von Punk- und New-Wave-Konzerten. In Rock My Religion gelingt es Graham, die Geschichte des Rock n Rolls mit ekstatischen religiösen Ritualen in Verbindung zu bringen sowie die soziokulturellen und psychosexuellen Implikationen von Rock aufzuarbeiten.

Tony Ourslers Synesthesia (1997-2001) besteht aus einer Reihe von Interviews mit Protagonisten der Punkrockgeneration der 1970er und 1980er Jahre - Dan Graham, Genesis P-Orridge, Kim Gordon, Glenn Branca -, welche die Verbindungen von Rock und Kunst, Gender-Stereotypen sowie pop-kulturelle Fragen thematisieren. Diese Interviews sind Teil der Multimedia-Installation The Poetics Project, die Oursler und Mike Kelley bei der Documenta X in Kassel gezeigt haben.

Don`t Trust Anyone Over Thirty: The Storyboard (2004) zeigt die Entstehungsgeschichte der Marionetten-Rockoper anhand von fünf Videoarbeiten von Tony Oursler und 22 Originalzeichnungen und -entwürfe von Dan Graham, Tony Oursler und Laurent P. Berger. Diese bilden eine eigenständige künstlerische Arbeit, welche die Charaktertypen der Performance, sowie die musikalischen und bildnerischen Ansätze in einer collageartigen Zusammenschau präsentiert.

Paul McCarthy ist mit Arbeiten aus der Performance/Installation Piccadilly Circus, die 2003 für die Eröffnung der Galerie Hauser & Wirth in einem ehemaligen Bankgebäude in London entstanden ist, vertreten. McCarthy erschuf eine Vielzahl von puppenhaften Charakteren, mit Masken und clownhaften Kostümen, die an bedeutende Figuren unserer Zeit erinnern. Die verstörenden Handlungen verweisen auf starke psychologische Störungen wie Regression, Selbstzerstörung und Obsession. Durch die Vervielfältigung der Figuren wird der Betrachter in einen Zustand der Hilflosigkeit und Verstörung versetzt. In der 40-teiligen Fotoserie Piccadilly Circus und in der Fotoarbeit Basement Bunker: Painted Queen Small Blue Room (2003) sind Schlüsselmomente der Installation zu sehen.

Die monumentale Installation Crown (2003) ist Teil von McCarthys Neuinterpretation des ursprünglichen, edwardianischen Interieurs der Bank. Einer der Eingangskronleuchter wurde rekonstruiert, aber in Dimension und Material völlig verändert: Crown besteht aus einem über drei Meter hohen Aluminiumgerüst mit Standard-Neonleuchten. Crown ist ideologischer Träger seines Vorbildes, einerseits eine "higher-faster-bigger" Verzerrung, anderseits ein Mittler des sozialen und historischen Gefüge, aus dem es entstammt. Der raumgreifende Luster mutiert zu einer grotesken, verstörenden und karnevalesken Form, die ein verdächtiges ideologisches Wertesystem repräsentiert.

Auch Mi Saga, U Saga (Emmanuelle Saga) (2005) von Jason Rhoades ist als Kritik von High-Art Formen zu lesen. Während McCarthy hauptsächlich mit Masken und Puppenderivaten arbeitet, vollzieht Rhoades Transfigurationen und ideologische Untersuchungen auch an Gegenständen. Was zunächst wie ein gigantisches, unstrukturiertes Reich eines manischen Sammlers aussieht, offenbart eine Ordnung, die zwar nicht gänzlich durchschaubar ist, aber einem System zu folgen scheint. Die ins Monumentale anwachsende Akkumulation von Konsumgütern und Informationsmaterialien wird zum Inhalt der Arbeit. In seiner Installation versucht Rhoades dem Gedanken, dass der Künstler ein konsumierendes und verarbeitendes Subjekt ist, Ausdruck zu verleihen. Alles ist zum Rohmaterial der Kunst geworden; Plastikeimer, Monitore, Geräte und Maschinen, Tische, Kabelrollen, Neonschrift und Geräusche.

John Bocks Installation MultiplexKomplex Petit-four transmits the BeWorldMigraineSolution through the metallic NoseAirPeriscope (2004) wirkt nur auf den ersten Blick eher kühl-minimalistisch: ein von der Decke herunterhängendes Metallrohr funktioniert als Periskop, durch das man - wie in einen Guckkasten - in eine chaotisch-verspielte Bock-Welt hinblicken darf. Man taucht ein in eine sagen- und rätselhafte Welt aus selbstgebastelten Puppen, Rasierapparaten, Elektromixern, Drahtgestängen, Stofffetzen, Papier- und Fotoschnipseln- eine Welt, die nur durch Klebeband zusammengehalten wird. Ein zur Installation gehörendes 14-minütiges Video zeigt den Künstler in der Holzbox über dem Metallrohr sitzend, wie er einer japanischen Gruppe absurde Geschichten erzählt und mit seinem Dada-Chaos amüsiert.

Christoph Schlingensief hat im Auftrag von T-BA 21 im Rahmen des Reykjavik Arts Festivals 2005 eine neue Arbeit, Animatograph - Iceland Edition. Destroy Thingvellir entwickelt, die am 14. Mai 2005 in Island uraufgeführt wurde. Die im Rahmen dieser Ausstellung gezeigte Version basiert auf einer Videosequenz, die Schlingensief in Island gedreht hat. Darin zeigt er die Transfiguration des Guten als afrikanischer Vogelstrauß im Kampf mit den westlichen Symbolen (Religion, Krieg, Gewalt und Sexualität). Die Auseinandersetzung mit höheren Mächten wie Geistern, Göttern und Helden ist Ausdruck dieses Kampfes, in dem auch Rituale der Reinigung und der symbolischen Verwandlung eine wichtige Rolle spielen. Schlingensief verbindet nordisch-europäische, afrikanische und asiatische spirituelle Überlieferungen und verwebt filmische Visionen der Wagner`schen Deutung der Legende um den Heiligen Gral mit schamanistischen Traditionen und isländischen Sagas wie der "Edda".

Pressetext

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Puppets & Heavenly Creatures
Anlässlich der Marionetten-Rockoper DON`T TRUST ANYONE OVER THIRTY von Dan Graham, Tony Oursler und Rodney Graham
Ort: Space in Progress, Wien

mit Arbeiten von John Bock, Laurent P. Berger, Dan Graham, Rodney Graham, Tony Oursler, Paul McCarthy, Jason Rhoades, Christoph Schlingensief