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Gefördert durch die Sachsen Bank werden seit 2008 pro Jahr nacheinander vier künstlerische Positionen aus Leipzig im Rahmen der Ausstellungsreihe „RAUM 107“ gezeigt. Anders als in den Jahren zuvor werden ab Ende November 2010 vier Positionen gleichzeitig in der GfZK-1 zu sehen sein. Hinter dieser Gruppenausstellung verbirgt sich jeweils eine Einzelschau, wobei Bea Meyer und Jirka Pfahl Einblicke in ihr Schaffen der letzten Jahre bis heute gewähren und Stephanie Kiwitt sowie Falk Haberkorn und Seven Johne jeweils eine aktuelle Arbeit im größeren Rahmen präsentieren.

Bea Meyer „Kreuze und Haken“

Bea Meyer, in deren Raum wir uns befinden, interessieren gesellschaftliche Rollenverhältnisse aus den unterschiedlichsten Perspektiven. Sie demontiert soziale Zuschreibungen, Verhaltensweisen, Vorurteile und psychologische Abhängigkeitsverhältnisse, die unser Zusammenleben im Alltag bestimmen. Neben den Themenkomplexen, in denen sich die Arbeiten bewegen, bilden die Materialien und die sehr zeitaufwändigen Techniken eine wesentliche Rolle. Sie werden gleichzeitig zum bedeutungstragenden Element und somit auch Inhalt der künstlerischen Auseinandersetzung Meyers. Sei es in den aktuellen, von Maschinen gefertigten Arbeiten der „Schreibstoffe“ mit den Wörtern „Arbeiten“, „Schlafen“, „Stillen“ oder in den Stillprotokollen „Juni“, „Ella“ und „Lovis“. Das letztere ist gestickt, die anderen beiden sind mit Lack auf Aluminium gemalt. Medienbilder, wie die zum 11. September 2001, werden zum Teppich geknüpft und wissenschaftliche Landkarten gehäkelt. In „Mama, aus Spaß bin ich jetzt mal eine Frau“ kommuniziert die Tochter mit einer Selbstverständlichkeit, was gesellschaftlich zu größten Aufregungen geführt hat oder auch führen kann, nämlich, sich frei von Geschlechtszugehörigkeit zu bewegen, frei von Zuschreibungen und festgefahrenem Denken. Meyer übersetzt den Slogan ins Plakatformat und fügt ihnen Fakten der Lebensrealität hinzu, wie beispielsweise den, dass Frauen im Jahr 2007 immer noch weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen.

Falk Haberkorn/Sven Johne “The Brocken is a German”

“The Brocken is a German” ist eine Gemeinschaftsarbeit der beiden Künstler Falk Haberkorn und Sven Johne. Die beiden wanderten am 17. Juni 2010, dem „alten Tag der deutschen Einheit“ seit 1954, insgesamt drei mal vom Gipfel des Brockens im Harz herunter und wieder hoch. Dabei haben sie insgesamt 50 km und 2000 Höhenmeter zurückgelegt. Falk Haberkorn hält seinen Wander- und Künstlerkollegen Sven Johne in regelmäßigen Abständen an immer wieder den gleichen Stellen fotografisch fest: Der Wanderer wird von hinten fotografiert, er wird zum Gejagten, zum einsamen Wanderer, zum Verfolgten oder zur romantischen Identifikationsfigur. Der Fotograf bleibt unsichtbar. Haberkorn und Johne legen sich eine körperlich Strapaze auf, ein Ritual, das seinen Sinn sucht. Der Brocken ist eng verbunden mit dem Deutschen. Er gilt als der deutsche Berg, auf ihm läuft man streckenweise entlang der deutsch-deutschen Grenze, er wurde von den Nationalsozialisten instrumentalisiert und ist bis heute Magnet für viele Touristen. Im Übrigen stammt die Aussage „Der Brocken ist ein Deutscher“ aus der Feder Heinrich Heines, der diese Wendung auf seiner Harzreise um 1824/26 prägte. Die Arbeit besteht aus drei gerahmten Tableaus von jeweils rund 60 Fotografien. Jedes Bild ist mit GPS-Koordinaten und Uhrzeit versehen.

Jirka Pfahl „SNU“

Die Ausstellung von Jirka Pfahl heißt „SNU“. SNU steht für den Rest des Anagramms SUN/UNS/SNU und entspringt der Songzeile „House of the rising sun“, die sich zu Beginn der Ausstellung in abgewandelter Form wieder findet, nämlich als „House of the rising SNU“. SNU soll als Übriggebliebenes dastehen, als Container, wie Pfahl sagt, seiner Sprachspiele und Assoziationswelten, innerhalb derer er sich bewegt. In SNU treffen wir auf ältere und aktuelle Arbeiten, die sich über drei Räume erstrecken und sich zu einer zu entziffernden neuen Erzählung zusammengesellen. Der Künstler zeigt Arbeiten, die sich mit Sprache befassen, wie „House of the rising SNU“, „Words“, „O.T. („damit kenn’ ich mich aus/so was habe ich schon mal erlebt/behaupten“)“, und Arbeiten, die auf Ikonen der Kunstgeschichte Bezug nehmen, wie die Arbeiten „Not Mike Bidlo“, „possible works #1 after Joseph Kossuth“, „Liza radiert“. Eine weitere Gruppe von Arbeiten befasst sich mit dem System von Staat und Ökonomie, dem eigenen System und der Positionierung des Künstlers im Bezug auf seine ihn umgebenden Bezugssysteme, beispielsweise in der Wandarbeit „Das Subjekt“. Der Methode nach arbeitet Pfahl im Rahmen der Konzeptkunst. Sein Konzept folgt der zufälligen Aufnahme von Dingen, die er dann in institutionskritischer, konzeptualistischer Tradition in Sprachspiele, Kipp- und Vexierbilder überträgt. Anlässlich der Ausstellung „SNU“ erscheint eine Publikation im Lubok Verlag, Reihe 24 copies, mit einem Text von Daniela Stöppel.

Stephanie Kiwitt “Capital Décor”

Stephanie Kiwitt untersucht in ihrer Arbeit „Capital Decor“ das Erscheinungsbild von Läden und Discountshops in Einkaufszentren. Auf zwei diagonal durch den Raum laufenden Tischen präsentiert Kiwitt eine Schwarzweißmontage von Einblicken in jene überladenen Einkaufswelten, denen sie in Belgien begegnet ist. Der Wald an visuellen Informationen bleibt als dichter Teppich stehen. Perspektiven sind verbaut oder zum Teil nicht mehr fassbar. Das im dreidimensionalen Raum Erfahrbare verflacht und überlagert sich im neuen abstrakten Raum. Auf der Basis dessen, was an Schrift-, Zahlen- und Sprachinformationen aus den Bildern hervorgeht, hat Kiwitt eine Audiospur entwickelt, die, von Christophe Piette recht mechanisch gesprochen, das Betrachten ihrer Arbeit im Ausstellungsraum begleitet. Auch hier gelingt ihr eine formale Übersetzung der Ursprungssituation hin zu einem neuen abstrakten, akustischen Raum, in dem es ebenso keinen Fokus gibt wie in den Bildern selbst. Das Gesprochene wirkt dadaistisch und mitunter sogar humorvoll. Nicht ohne Grund ist die Arbeit über unserem Shop im so genannten Lab II zu sehen. Die Glasoberfläche spiegelt die Decke des Museumsraums, und der offene Gitterboden lässt Blicke und akustische Eindrücke des Erdgeschosses durchdringen.

Die Sachsen Bank unterstützt seit ihrer Gründung ausgewählte Vorhaben vornehmlich in den Bereichen Kunst, Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft und engagiert sich überwiegend im zeitgenössischen Bereich. Die langjährige Kooperation mit der Galerie für Zeitgenössische Kunst ist dafür beispielhaft.

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RAUM 107
Kurator: Julia Schäfer

Künstler: Stephanie Kiwitt, Bea Meyer, Falk Haberkorn & Sven Johne, Jirka Pfahl