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Renata Lucas untersucht in ihren Arbeiten, wie die gebaute Umgebung soziale Beziehungen und Handlungen beeinflusst. In ortsspezifischen Interventionen manipuliert sie die bauliche Struktur, um gesellschaftlich definierte Räume und deren Nutzung zu dekonstruieren und neue, spielerische Möglichkeiten zu erproben. Dabei werden mitunter die Begriffe von privat und öffentlich, von innen und außen oder von Geschichte und Gegenwart zur Diskussion gestellt.

Den Eingriffen, die stets auf dem persönlichen Zugang der Künstlerin zum jeweiligen Ort basieren, gehen umfangreiche Recherchen und oft auch komplexe Verhandlungen voraus. Mittels der Methoden der Hinzufügung, Verdoppelung oder Überlagerung entwirft Renata Lucas subtile Veränderungen, die eine alternative Wahrnehmung eines Ortes anbieten. Für Cruzamento beispielsweise verlegte Lucas 2003 auf einer Straßenkreuzung in Rio de Janeiro einen zweiten Boden aus Sperrholzplatten. Das Aufschlagen der lose verlegten Platten beim Befahren oder Betreten verlieh der visuell eher unscheinbaren Intervention eine starke akustische Komponente. Lucas schuf damit eine temporäre Bühne, auf der die jeweils anwesenden FußgängerInnen und AutofahrerInnen mehr oder weniger bewußt agieren konnten. Die hier benutzten Sperrholzplatten recycelte die Künstlerin für ihre Installation Falha (2003/07). Mit Scharnieren versehen, wurden sie als räumliches Element, das von BesucherInnen verändert werden konnte, über den Boden eines Galerieraums in Los Angeles gelegt.

Auch in der Secession sind die vorgefundenen räumlichen Gegebenheiten im Souterrain Ausgangspunkt für Renata Lucas' Überlegungen. Hier sind Verbindungen von Innen- und Außenraum beschränkt und daher als Fluchtwege ausgezeichnet, der Grundriß erscheint verwinkelt, fragmentiert. In der ortsspezifischen Arbeit werden BesucherInnen mithilfe eines Handlaufs, der sich mühelos in den Bestand einfügt und daher nur subtil als Hinzufügung wahrgenommen wird, die Räume entlanggeleitet zu jenem Punkt, an dem sich die Fluchtwege kreuzen. In einem zweiten Projekt entwickelt Lucas einen Fluchtplan, namentlich für die 1945 erstmals veröffentlichte Geschichte Plan de evasión [Fluchtplan] von Adolfo Bioy Casares. Die von der Künstlerin in sechs Kapitel unterteilte Erzählung findet auf unerwartete Weise einen Weg zu ihren LeserInnen, ihrer Außenwelt, indem der Text sich quasi parasitär in andere Bücher schmuggelt.

Renata Lucas, geboren 1971 in Ribeirão Preto, Brasilien, lebt und arbeitet in Rio de Janeiro.

Eingeladen vom Vorstand der Secession Kuratorin: Jeanette Pacher