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on the edge

Weiß, Rot, Schwarz, Blau. Vier Räume - vier Farben. Die vier Werkgruppen Sandra Meisels beschreiben, ohne unmittelbar autobiografisch zu sein, ihre wesentlichen Schaffensphasen der letzten Jahre bis heute. Ähnlich den vier Protagonisten, Shiro (weiße Wurzel), Kurono (schwarzes Feld), Akamatsu (Rotkiefer) und Oumi (blaues Meer) in Haruki Murakamis neuestem Roman Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki stehen die künstlichen Konstruktionen Meisels neben ihrer starken Unmittelbarkeit für psychische und physische Zustände. Sie halten sich in einer fragilen Balance, drohen zu kippen oder aus dem Gleichgewicht zu geraten.

Ihre Installationen und Skulpturen, in die sie gefundene Gegenstände und recycelte Materialien integriert, beruhen auf minimalen, sehr präzisen Anordnungen: Ein assoziiertes, aber seiner Funktion enthobenes Gatter steht auf einer Phalanx von amorphen, weißen Bistrotischen, kurz vorm Kippen. Scheinbar unkontrolliert wuchernde glatte, organische Formen und Schwellungen bilden einen Gegensatz zu sägerauhen Holzkanten und verweisen auf C.G. Jungs Idee des kollektiven und persönlichen Unbewussten. Das Spannungsverhältnis zwischen Zerbrechlichkeit und Massivität findet seine Entsprechung in den mit unterschiedlichen Erinnerungen und Bedeutungen aufgeladenen Ausgangsmaterialien. Während Meisels Arbeiten häufig Bezüge zu Alltagsdesign, industrieller Massenfertigung, architektonischer Funktionalität aufweisen, haftet ihnen eine surreale, fast traumartige Aura an. In der Kombination verschmelzen Organisches und Technisches, Banalität und Bedeutung.

Ihre „rote“ Installation im Untergeschoß der Galerie funktioniert als „ Mischung aus Psychodrama, Diorama, künstlicher Landschaft, Setting für Horrorfilme und Moderne-Tempel. Die Künstlerin installiert „Inseln“ im Raum, die an in Blut getauchte Gesteinsformationen erinnern und zitiert zugleich museale Präsentationsformen der Nachkriegsmoderne“. (Oliver Koerner von Gustorf)

In der aktuellen Fortsetzung ihrer bereits 2012 in der Galerie präsentierten Werkgruppe erschöpft springt dem Betrachter eine überdimensionale, schräg in den oberen Ausstellungsraum kragende Spiegelung der freistehenden Wand ins Auge. Ein funktionslos gewordener Fensterladen hängt müde von der schwarzen Holzkonstruktion herab. Ein schwarzer Fetisch komplettiert das Bild. Der abstrakt zu verstehende Begriff „erschöpft“ beschreibt bei Sandra Meisel sowohl die sich stupide wiederholenden, ins Absurde abgleitenden Abfolgen, das Verschwinden sinnstiftender Handlungen, als auch den totalen Verzicht, als Mittel zur Schöpfung des Möglichen, hier materialisiert in einer überdimensionalen, versinkenden schwarzen Kraft im Raum.

Wie ein blaues Wunder während dessen dominiert die Installation Blau:wal das Zwischen-geschoß der Galerie. Die auf die Spitze gesetzte Spiegelung des Oberlichtdaches trägt ähnlich der Arche Noah Fundstücke in eine andere Zeit. Flankiert von zwei Cyanotypien: Maidan I+II, die dem Betrachter den Blick auf die aktuellen Geschehnisse in Kiew freigeben. In ihren fotografischen Arbeiten hat sich Sandra Meisel in den letzten Jahren auf die analoge Fotografie konzentriert. Hier speziell auf den Eisenblaudruck, als eines der ältesten fotografischen Edeldruckverfahren. Ebenso wie in ihrer skulpturalen Arbeit nutzt Meisel auch hier vorgefundenes Material wie Filmstills, aber auch selbst fotografierte Szenen und Anordnungen als Ausgangspunkt, um ein Bild assoziativ „weiter zu bauen“ – das ursprüngliche Material in neue Zusammenhänge und Kräfteverhältnisse zu überführen. Meisels Arbeit ist dabei je nach Perspektive des Betrachters reduziert oder erzählerisch, konstruierend oder dekonstr uierend.

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Sandra Meisel. In einen Raum=rückwärts wieder anders gehen

Künstler:
Sandra Meisel

Kuratoren:
Monique Förster, Dirk Teschner