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Santiago Sierra ist ein Künstler, der mit seinen vielbeachteten Ausstellungen und Performances, u.a. im P.S.1 in New York, in den Kunst-Werken in Berlin und bei der Venedig Biennale, zu politischen und sozialen Fragestellungen einer zunehmend globalisierten Welt Stellung bezieht. Dabei richtet der 1966 in Madrid geborene Künstler, der heute in Mexiko-City lebt, sein Interesse auf Situationen, in denen Menschen bereit sind, sich gegen ein geringes Entgelt für seine Aktionen herzugeben. So bezahlte er Arbeitslose oder Prostituierte dafür, sich eine Linie auf den Rücken tätowieren zu lassen; er stellte mittellose Einwanderer für einen Mindestlohn dazu ein, Schwerstarbeit zu verrichten, ließ sie etwa tonnenschwere Betonblöcke gießen und diese dann in einem Ausstellungsraum ziellos umhertragen. Nicht selten zielen die Arbeiten des Künstlers auf die Verletzung der Menschenwürde oder körperlichen Integrität der teilnehmenden Freiwilligen, nicht selten wird diese künstlerische Strategie Santiago Sierra daher zum Vorwurf gemacht. Doch die lapidare Antwort des Künstlers auf Vorhaltungen dieser Art lautet: “Es sind die Bedingungen Eures Lebens, die ihr nicht sehen wollt.”

Die “Entgrenzung der Kunst” ist einer der wichtigsten Begriffe, der die Kunstdebatte seit einigen Jahren beherrscht. Santiago Sierra greift mit seiner Arbeit, die zweifellos die Grenzen herkömmlicher Galerieausstellungen sprengt, in diese Debatte ein. “Entgrenzung der Kunst” meint zum einen die zunehmende gattungs- und medienübergreifende Kunstproduktion der letzten Jahrzehnte, zum anderen aber bezeichnet sie die Aufnahme außerkünstlerischer Fragestellungen aus der Soziologie, der Ökonomie, der Politik aber auch empirischer Wissenschaften in die künstlerische Praxis. Setzten sich die Avantgarden des 19. und des 20. Jahrhunderts die Befreiung von der Indienstnahme der Kunst durch Staat und Kirche zum Ziel, so lassen sich in der jüngeren Vergangenheit Bestrebungen erkennen, das Kunstwerk aus seiner selbstgewählten Isolation zu lösen und es einem politischen oder sozialen Diskurs anzunähern.

In der Tradition von Performance Art und Happening der sechziger und siebziger Jahre verweigert sich Sierra einem traditionellen Werkbegriff, der das Kunstwerk als unveränderliche Einheit formaler und inhaltlicher Entscheidungen versteht. Die Arbeiten Sierras verlangen die Betrachtung eines Werkprozesses, der dem Künstler dazu dient, Mechanismen der Ausbeutung und der kompromißlosen Hierarchisierung unserer Gesellschaft aufzuzeigen: Objekte sind innerhalb formaler Ordnungssysteme Elemente von Machtstrukturen. “Personen sind Objekte des Staates und des Kapitals und werden als solche eingesetzt. Genau das versuche ich aufzudecken”.

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Santiago Sierra
Konstruktion und Installation von 12 mit Teer beschichteten Formen mit den Maßen 75 x 75 x 800 cm, angeordnet in 2 Räumen