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Eröffnung: Sonntag, den 8. März 2009 um 11 Uhr

Mit der Ausstellung "Schmidts Fotoalbum" präsentiert das Kunstforum Ostdeutsche Galerie in Zusammenarbeit mit der Arno Schmidt-Stiftung und Janos Frecot, dem ehemaligen Leiter der Fotoabteilung der Berlinischen Galerie, das fotografische Werk eines der bedeutendsten und zugleich umstrittensten Schriftsteller der Bundesrepublik. Zu sehen ist erstmals eine prägnante Auswahl von etwa 150 Farb- und Schwarzweiß-Fotografien Arno Schmidts; ausgestellt als Diaprojektionen oder als Fotoabzüge. Die Schau beleuchtet damit eine bislang unbekannte Seite des seit 1958 in Bargfeld in der Lüneburger Heide äußerst zurückgezogen lebenden Autors, der bereits zu Lebzeiten mit den höchsten deutschen Literaturauszeichnungen wie dem Goethe-Preis geehrt wurde. Neben dem literarischen Werk stellte Arno Schmidt in den Jahren 1949 bis zum Todesjahr 1979 weit über 2.500 Farb- und mehr als 1.000 Schwarz-Weiß-Dias her. "Wie in seinen Büchern zielt Schmidt in seinen Fotografien auf die Abläufe und inneren Zusammenhänge der Welt in ihrer Gesamtheit ab", sagt Dr. Roman Zieglgänsberger, Leiter der Grafischen Sammlung. "Als stiller Chronist schildert er präzise sein direktes Umfeld, seine Landschaft, sein Dorf, sein Haus oder seinen Garten. All diese Details stehen bei ihm jedoch, quasi als pars pro toto, immer für das Ganze. Erst durch diese beharrliche Beobachtung verschafft er den oberflächlich gesehen eigentlich langweiligen Dingen eine unermessliche bildliche und emotionale Präsenz."

Arno Schmidt, der Außenseiter der deutschen Literatur

Arno Schmidt (1914-79) wird als Sohn eines Polizeibeamten in Hamburg geboren und wächst in einem Arbeiterviertel auf. Bereits im Alter von drei Jahren lernt der Junge, der zeitlebens ein "Bücherfresser" bleibt, das Lesen. 1928 stirbt überraschend sein Vater, Schmidt wird mit 14 Halbwaise. Gemeinsam mit seiner Mutter und seiner drei Jahre älteren Schwester siedelt Arno Schmidt nach Lauban in Schlesien um, von wo die Vorfahren stammen. Nach seinem Abitur 1933 will Schmidt zunächst Astronomie und Mathematik studieren. Um den Lebensunterhalt für seine Familie zu sichern, wird er Lagerbuchhalter in einer Textilfabrik. 1937 heiratet er seine Arbeitskollegin Alice Murawski (1916-1983), die sich künftig an zahlreichen literarischen Projekten beteiligt. Einen Tag nach der Hochzeit kündigt das Ehepaar ihre Arbeit und widmet sich Schmidts Schriftstellerei. 1939 wird Arno Schmidt zur Wehrmacht eingezogen und kommt gegen Ende des Krieges in englische Kriegsgefangenschaft. Diese Erfahrungen machen den Schriftsteller zu einem radikalen Oppositionellen der Wiederbewaffnung der BRD. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Schmidt zunächst als Dolmetscher und Lehrer. Erst Ende der 1940er Jahre beschließt er, freier Schriftsteller zu werden. Für das Ehepaar Schmidt beginnt damit ein Leben in Armut und Entbehrung. 1949 erscheint mit "Leviathan" Arno Schmidts erstes Buch. Ein Jahr nach der Veröffentlichung wird der Autor für den Erzählband mit dem Alfred-Döblin-Preis ausgezeichnet. Dennoch kann Schmidt bis etwa 1970 von seiner Schriftstellerei nicht leben. Um seinen Lebensunterhalt zu sichern, nimmt er "Brotarbeiten" an wie Übersetzungen, Aufsätze und Kurzgeschichten für Zeitungen oder literaturhistorische Gespräche für den Rundfunk. Ende 1958 zieht Schmidt nach Bargfeld, einem kleinen Dorf in Niedersachsen. Es wird der letzte Wohnort des Dichters, den er nur selten verlässt. Bargfeld und seine Landschaft spielen fortan in seinem literarischen Schaffen eine entscheidende Rolle, so z.B. in seinem letzten vollendeten Roman "Abend mit Goldrand". Die flache, eintönige Landschaft bietet auch dem Fotografen Schmidt reichlich Stoff. 1964 bekommt Schmidt den so genannten Fontanepreis. Um sein Hauptwerk "Zettel's Traum" zu vollenden, zieht er sich in den folgenden Jahren aus dem öffentlichen Leben zurück. Nach mehrjährigen Vorarbeiten erscheint das Buch 1970. Im Juli 1972 erleidet Schmidt, der seit Mitte der 1950er Jahre mit Herzproblemen kämpft, einen Herzinfarkt. 1973 steht Arno Schmidt auf dem Höhepunkt seines Ruhmes: mit dem Goethepreis verleiht ihm die Stadt Frankfurt am Main den meist angesehenen und höchstdotierten Kulturpreis der Bundesrepublik. Diesen Preis haben vor ihm u.a. Stefan George, Albert Schweitzer, Sigmund Freud, Max Planck, Thomas Mann und Walter Gropius erhalten. Aus gesundheitlichen Gründen kann Schmidt den Preis nicht persönlich entgegennehmen. Mitten in der Arbeit an seinem Roman "Julia, oder die Gemälde" erleidet Arno Schmidt im Sommer 1979 einen schweren Schlaganfall und stirbt im Alter von 65 Jahren. Der letzte Satz, den er geschrieben haben soll, lautet: "Ist Fleiß für Menschen & Tiere eine einfache (Lebens)Notwendigkeit?"

Arno Schmidt. Schriftsteller, Mensch, Fotograf

Als unbequemer Einzelgänger ist Arno Schmidt schon früh in die deutsche Literaturgeschichte eingegangen. Seine Romane "Brand's Heide", "Das steinerne Herz" und "Kaff auch Mare Crisium" oder der Erzählband "Kühe in Halbtrauer (Ländliche Erzählungen)" haben ihm diesen Status verliehen. In seinem Werk verbindet Schmidt traditionelle Erzählweise mit avantgardistischer Schreibtechnik. Dies macht ihn zu einem der bedeutendsten Schriftsteller im deutschen Sprachraum nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch seiner Auseinandersetzung mit der Kultur und Gesellschaft verdankt er diese herausragende Stellung. 1970 ehrte ihn die Stadt Frankfurt als einen "[...] Menschen, der sich aus der Grundhaltung kritischer Vernunft und überlegenen Humors für die mögliche Wahrheit und Freiheit im Leben des Einzelnen und der Gesellschaft kompromisslos einsetzt [...]". Dass der Schriftsteller bereits im Alter von 35 Jahren bis zum Lebensende als professioneller Amateur leidenschaftlich fotografierte, ist hingegen weitgehend unbekannt. "Arno Schmidts Foto-Ästhetik verdankt ihren Reiz der Ereignislosigkeit, die der Lüneburger Heide zu Eigen ist", so Dr. Roman Zieglgänsberger, "diese weite Landschaft wird durch den insistierenden Blick des Fotografen magisch aufgeladen. Als Dia an die Wand geworfen wird ihre sonst langweilig-schöne Realität plötzlich verblüffend bedeutsam."

Publikation Ausstellung Zur Ausstellung erscheint das Buch: SchwarzWeißAufnahme. Fotografien von Arno und Alice Schmidt aus drei Jahrzehnten (hrsg. v. Janos Frecot im Suhrkamp Verlag)", Frankfurt am Main 2009.

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Schmidts Fotoalbum. Arno Schmidt als Fotograf
In Kooperation mit der Arno-Schmidt-Stiftung