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„seems to be. differente identitäten zwischen ich / wir / queer" zeigt künstlerische Positionen, die in vielfältiger Weise Identitäts(de)-konstruktionen reflektieren. Ausgangspunkte sind dabei kritische Auseinandersetzungen um die Begriffe „Ich“, „kulturelle Identität“ und „Geschlecht“, sowie die Überlagerung/Überschreitung dieser Kategorien von Identität in multiplen Zugehörigkeiten.

Der Begriff einer „kulturellen Identität“ ist grundsätzlich ein problematischer, da er doch immer wieder dazu benützt wird, sogenannte „fremde Kulturen“ in ein „anderes“ „Außen“ zu verweisen. Ausgrenzung („draußen bleiben sollen“, „die kulturelle Identität behalten sollen“) wie die Forderung nach Anpassung („sich hineinassimilieren sollen“) funktionieren über diese medial und politisch beschworene Vorstellung einer Existenz grundsätzlich unterschiedlicher und in sich geschlossener Kulturen. Das medial existierende Bildrepertoire erlaubt kaum einen anderen Blick auf Migrationskontexte, als einen von dieser beschworenen „Fremdheit“ geprägten. Der Diskurs um kulturelle Identität kontrastiert Begriffe des „Eigenen“ mit einem imaginierten „Anderen“, wobei das sogenannte „Eigene“ häufig mit positiven Begriffen wie Heimat, Sicherheit, Geborgenheit, konnotiert wird. Die Begriffe für das „Fremde“ bleiben demgegenüber sozusagen im Dunkeln (bestenfalls erhält das Exotische noch eine zweifelhafte positive Färbung). Reale Lebenssituationen und Hintergründe, tatsächliche Denk- und Handlungsvoraussetzungen der Menschen mit Migrationshintergrund haben in diesem öffentlichen Diskurs kaum Platz.

Aber auch Angehörige der Mehrheitsgesellschaft sind von dieser dominanten Vorstellung einer gemeinsamen Identität negativ betroffen, finden in diesem „Wir“ keinen realen Platz. Das „Ich“ konstituiert sich im realen Leben jedes Individuums ja durchaus different und vielfältig. So kann auch ein „Ich“ mit österreichischem Pass gleichzeitig Frau jüdischer Herkunft, Magistra der Wirtschaftswissenschaften, lesbisch, Mutter, Feministin, Sozialhilfeempfängerin und liebevolle Pflegerin ihres kranken Vaters sein. Und sich somit zwischen vielfältigen Zugehörigkeiten, Prägungen und Communities bewegen, die zu widersprüchlichen, sich überlagernden Kontextualisierungen und Formulierungen des jeweiligen Ichs führen. Allerdings können wir uns dieses vielfältige Ich auch nicht wirklich selbstbestimmt und aktiv aussuchen. Den eigenen Vorlieben und bewussten Verortungen gegenüber steht ein mächtiges System: Konsum, Medienbilder, identitäre Normen und Machtprinzipien.

Das Ausstellungsprojekt „seems to be“ zeigt also einerseits Positionen, die sich mit den (Anpassungs)Logiken rund um den Begriff kultureller Identität beschäftigen. Andrerseits Arbeiten, die eine grundsätzliche Infragestellung essentialistischer Identitätsbilder versuchen und/oder die Bedingtheit eines konstruierten „ICHs“ bearbeiten. Überlagert und verschärft werden diese Positionen mit der zur Fragestellung von Geschlecht als sicherer Kategorie. Vor allem die performativen, aber auch permanente Beiträge „verqueeren“ sozusagen das Projekt „seems to be“ und bilden damit den dritten, vielleicht subversivsten Strang der Frage nach Identitäts(de)konstruktion.

Ausgehend von den politischen Diskursen der Lesben- und Schwulenbewegung wird seit den 80er Jahren im sogenannten queer movement grundsätzliche Kritik am einheitlichen Subjekt vernetzt gedacht mit Strategien der Konstruktion positiver Identitäten. Zentraler Ansatzpunkt ist dabei die - nach wie vor im Mainstream-Diskurs klar verankerte - identitäre Norm einer Geschlechtsidentität Mann/Frau, aber auch Kategorien wie Homo/Hetero, „die Lesbe“ und „der Schwule“. Das Geschlecht wird demnach in der queer theory als soziale Konstruktion begriffen, identitätspolitische Festlegungen der Mehrheitsgesellschaft werden abgewiesen und randständige Positionen in den Mittelpunkt gerückt. Gleichzeitig wird versucht, real existierende Differenzen und Erfahrungen der AktivistInnen zu berücksichtigen. Universale/Binäre Kategorien werden von queeren AktivistInnen, TheoretikerInnen und KünstlerInnen vielfältig und frech gebrochen, überlagert und persifliert. Gleichzeitig werden diese Umwertungen strategisch genutzt: ein temporäres, vielfältiges WIR versucht sich im radikalen und lustvollen antiidentitären Angriff auf die „Essenz“ des Mehrheitsgesellschafts-Herrschaftssystems rund um Privatheit/Öffentlichkeit/Rasse/Nation/Natur/Kultur/Frau/Mann. (....) Ingeborg Erhart & Gudrun Pechtl

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seems to be. differente identitäten zwischen ich / wir / queer
Kuratoren: Ingeborg Erhart und Gudrun Pechtl

Künstler: Katrina Daschner, Ines Doujak, Thomas Feuerstein, Nilbar Güres, Thomas Hörl, Dejan Kaludjerovic, Jan Machacek / Anna Mendelssohn, Michail Michailov, Christine S. Prantauer, Maria Richle / Alexander Barth, Christoph Schwarz, Stefanie Seibold, Annette Sonnewend