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Die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen präsentieren in Kooperation mit und in den Räumlichkeiten von [plug.in] in Basel eine zweiwöchige Ausstellung mit sechs aktuellen Videoarbeiten von Graw Böckler, Corinna Schnitt und Jan Verbeek. Eröffnet wird die Ausstellung mit drei Filmprogrammen von je ca. 30 Minuten Länge, die einen umfassenderen Einblick in das filmische Werk der in der Ausstellung vertretenen KünstlerInnen vermitteln.

Die in Ausstellung und Screenings präsentierten Arbeiten setzen sich auf unterschiedliche Art und Weise mit dem Gegeneinander von Dynamik und Kontrolle, Chaos und Regulierung auseinander. Sie beschreiben die Entstehung oder Herstellung von Ordnung, Rhythmus, Transparenz, von raumzeitlichen Mustern und Regelmäßigkeiten anhand scheinbar kontingenter Alltagsphänomene. Sie beobachten etwa, wie sich die Bewegung von Menschenmassen im urbanen Raum organisiert, wie die innere Ordnung privater Lebensräume und die darin verwirklichten (oder imaginierten) Wertvorstellungen durch Rituale der Selbstvergewisserung zugleich forciert und unterlaufen werden, wie populäre mediale Schablonen zum Träger subversiver Botschaften umfunktioniert werden, nur um sich dann ihrerseits zu eigenständigen, wenn auch hybriden Genres zu formieren. Die Arbeiten bewegen sich im unentscheidbaren Bereich zwischen Dokumentation, Fiktion und Fake und halten so die Spannung zwischen inszenierenden und experimentierenden Ausdrucksformen.

Corinna Schnitts sorgfältig komponierte und inszenierte Filme und Videos, die gelegentlich den Eindruck erwecken, als hätte es die Grenze zwischen Dokumentarischem und Fiktionalem nie gegeben, sind präzise, ironische Beobachtungen bürgerlichen Alltagslebens. So bewegt sich das in der Ausstellung gezeigte Video Living a Beautiful Life (2003) bewusst an der Grenze von Fiktion und Fakt: Es zeigt Gespräche mit den Bewohnern eines modernen Wohnhauses in Los Angeles, die von ihrem perfekten Leben erzählen. Ihr Selbstbild und Lebensentwurf sind durchdrungen von Vorstellungen uneingeschränkter Planbarkeit, die in ihrer Penetranz jedoch zunehmend brüchig erscheinen. Der Zwanghaftigkeit dieses Lebenskonzepts, die sich übrigens auch in zahlreichen früheren Filmen von Corinna Schnitt wiederfindet, steht ihre neue Arbeit Once upon a Time (2005, Bild) gegenüber. Das Video zeigt die schrittweise (Wieder-) Aneignung eines Wohnraums durch eine zunehmende Anzahl mehr oder weniger domestizierter Tiere – eine Transformation in einen Lebensraum ganz anderen Formats.

Ein zentrales Motiv in Jan Verbeeks Arbeiten ist die Auseinandersetzung mit Statik und Bewegung, Rhythmus und Kontingenz. In der Ausstellung wird seine Videoarbeit On a Wednesday Night in Tokyo (2004, Bild) zu sehen sein, die fünf Minuten lang in der U-Bahn-Station Shibuya in Tokyo ein täglich sich wiederholendes Ritual protokolliert: Ein Zugabteil füllt sich bis zum Rande des Erträglichen mit Menschen. Uniformierte Helfer mit Schirmmütze und weißen Handschuhen sorgen für das problemlose Schließen der Türen. Scheinbar chaotische Bewegung wird so in eine Art alltägliche Choreographie überführt. Ergänzt wird diese Arbeit durch ein gerade fertig gestelltes Video, Osmotic (2006). Ein junger Parkhauswärter in Seoul dirigiert hier im Trenchcoat tanzend mit langen Armen die Autos zur einen oder anderen Ausfahrt. Der Stifter von Ordnung ist so zugleich Ursache ihrer subtilen Störung.

Die Arbeiten von Graw Böckler (Ursula Böckler und Georg Graw) sind komplexe Sound-Bild- Kompositionen, die unterschiedliche visuelle Materialien – von Super 8 über Video bis hin zu Computersoftware – nutzen und sie mit virulenten gesellschaftspolitischen Inhalten kurzschließen. In der Ausstellung wird ihr experimenteller Musikclip How to Believe in Jesus (2004, Bild) zu sehen sein, in dem zu einem Track von Tujiko Noriko eine Aufnahme der monumentalen Jesus- Skulptur in Rio de Janeiro mit verschiedenen visuellen Effekten und Presets manipuliert wird. Der Erlöser wird hier zum charismatischen digitalen Testbild degradiert. Die Arbeit ist Teil der How to...-Serie, einer Sammlung unkonventioneller „Lebenshilfe-Videos“. Auch die Serie Commercials unauthorised spielt mit einem bekannten medialen Format und unterwirft es einer alltagsbasierten Neulektüre. Zu unterschiedlichen Produkten wurden inoffizielle Werbeclips gedreht, die ihre alltägliche Nutzung fokussieren und damit die sonst übliche Fetischisierung des Konsumgegenstands unterlaufen. So wird im Aufgreifen medialer Muster deren schrittweise Demontage betrieben und zugleich eine Art Gegen-Genre installiert.

Die Ausstellung findet In Zusammenarbeit mit Pro Helvetia im Rahmen von "Plattform Schweiz: Kultur mit Nordrhein-Westfalen" statt. 2004 war die zeitgenössische Schweiz mit 150 Veranstaltungen in den Städten Aachen, Bonn, Düsseldorf, Köln, Münster, Oberhausen zu Gast an den 37. Internationalen Kulturtagen Dortmund im Land Nordrhein-Westfalen. Diese Zusammenarbeit wird nun in der Schweiz fortgesetzt. Zwischen August 2006 und Dezember 2007 präsentieren sich Ensembles und Institutionen mit aktuellem Kulturschaffen aus Nordrhein-Westfahlen mit über 30 Produktionen in der ganzen Schweiz.

Pressetext

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Selbstorganisation.
Filme und Videos
Im Rahmen von "Plattform Schweiz: Kultur mit Nordrhein-Westfalen"

mit Graw Böckler, Corinna Schnitt, Jan Verbeek