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In einer Gesellschaft, in der Realität vor allem über die Kanäle der Massenmedien vermittelt wird und deren digital produzierte Bilder von Computern analysiert und interpretiert werden, stellt sich die Frage, wie sich heute zwischen Fakten und Fiktionen noch unterscheiden lässt. Unsere Wahrnehmung orientiert sich zuerst am medial vermittelten Bild. Mediale Erfahrung gilt als die Norm aller ästhetischen Erfahrung, es gibt kein 'jenseits der Medien'. Die Bilder der Medienwelt konstruieren Realität und somit ist auch Identität heute zunehmend medial gebunden. Ein Ereignis scheint erst durch die Übertragung in Fernsehen oder Internet zum 'realen' Ereignis zu werden und der Medientheoretiker Jean Baudrillard spricht davon, dass der Zugang zu einer wie auch immer gearteten konkret erfahrbaren Wirklichkeit im Zeitalter elektronischer Massenmedien verloren ist.

Digitale Technologien sind ein Teil unseres Alltags geworden und beeinflussen unser Handeln und Sein. Wir sind konfrontiert mit einer Evolution von Wahrnehmungs-möglichkeiten in Raum und Zeit, die fundamental mit der elektronischen Informations-technologie verbunden sind. Jonathan Crary beschreibt in seinem Buch "Techniken des Betrachters" (1996) die Abstraktion des Visuellen, die Veränderung unserer Wahrnehmung durch computergesteuertes Sehen und verweist darauf, dass neue Techniken der Bild-produktion zu dominanten Visualisierungsmodellen wurden. Wir stehen als Betrachter der Welt nicht distanziert gegenüber, sondern sind ein Teil des Systems, Teil der globalen Netzwerkstrukturen. Persönliche Erfahrungen finden nicht mehr nur im materiellen Realraum statt, sondern auch in der abstrakten Welt der elektronischen Netzwerke. In ihnen bilden sich neue soziale Kommunikationsstrukturen aus, die eine demokratische Mitbestimmung vieler an gesellschaftlichen Prozessen ermöglichen. Sie dienen aber auch der Realitätsflucht und schaffen Simulationswelten, in denen sich Identitäten wechseln lassen wie modische Accessoires. Identität ist zu einer Variable geworden, die frei wählbar scheint. In Reality-Shows wird Privatleben zur Soap-Opera stilisiert und die scheinbare Authentizität einer Inszenierung für die Medien geopfert.

Die Ausstellung ‘Sichtbarkeiten_Zwischen Fakten und Fiktionen‘ thematisiert die medialen Wirklichkeitsinszenierungen unserer Informationsgesellschaft. Sie hinterfragt den Wahrheitsgehalt der medialen Bilder. Wie lässt sich eine immer komplexer werdende Wirklichkeit darstellen, ohne dass es zu einer verharmlosenden Repräsentation durch Film und Fernsehen kommt? Der Status des Visuellen wird auf den Prüfstand gestellt.

Die ausgewählten künstlerischen Projekte benutzen die Mittel der Simulation und Inszenierung, um Realitätskonstruktionen sichtbar und Fiktionen durchschaubar zu machen. Sie benutzen die medialen Formen der Informationsvermittlung, um aus dem Medium heraus die Frage nach Inszenierung und Repräsentation neu zu stellen. Sie handeln vom schmalen Grad zwischen authentischer Erfahrung und inszenierter Authentizität. Die in der Ausstellung gezeigten künstlerischen Werke entwickeln Gegenstrategien und legen die Mechanismen der Manipulation offen. Neben der Erkenntnis der medialen Konstruktion von Wirklichkeit bieten einige der gezeigten Arbeiten Möglichkeiten zur Partizipation und damit die Chance, aktiv in die Produktion massenmedialer Bilder einzugreifen.

KünstlerInnen: The Atlas Group / Walid Raad, Miriam Bäckström, Shane Cooper, Harun Farocki, Benjamin Heisenberg, Lynn Hershman, Korpys/Löffler, Marc Lee und Christoph Ganser, Aernout Mik, Michael Najjar, Saskia Olde Wolbers, Sean Snyder, Brian Springer, The Yes Men

Pressetext

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Sichtbarkeiten_Zwischen Fakten und Fiktionen

Künstler: The Atlas Group / Walid Ra´ad, Miriam Bäckström, Shane Cooper, Harun Farocki, Benjamin Heisenberg, Lynn Hershman, Korpys / Löffler, Marc Lee / Christoph Ganser, Aernout Mik, Michael Najjar, Saskia Olde Wolbers, Sean Snyder, Brian Springer, The Yes Men