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Am 22. November 1987 unterbrach eine Figur, die als Low-tech-Version des ikonischen Pseudo-Computergrafik-Fernsehmoderators Max Headroom auftrat, die Sendungen zweier voneinander unabhängiger Fernsehsender im Großraum Chicago, wodurch es zu einem der bis zum heutigen Tag berüchtigtsten Fälle von Fernseh-Piraterie kam. Die Ausstellung von Simon Denny, die wenige Tage vor dem dreiundzwanzigsten Jahrestag dieses Ereignisses in der Halle für Kunst in Lüneburg eröffnen wird, will dieses mit merkwürdiger Präzision begangene Verbrechen, dessen Verantwortliche noch immer unbekannt sind, feiern und romantisieren. Der Künstler wird den Inhalt der ergaunerten Fernsehübertragung und die in ihr verwendeten Materialien rekontextualisieren, indem er die Gegebenheiten zu Werbebildern für dieses Anti-Ereignis umordnet. Durch diese Iteration wird die Piraterie als eine seltsame Umkehrung der sehr flexiblen Figur Max Headroom betrachtet, die als Protagonist einer ‚kritischen Fernsehsendung' gleichermaßen Kritik, wie als Werbefigur von Coca-Cola Affirmation verkörpert. Auf die Ausstellung wird eine Präsentation auf der ArtBasel Miami und eine Ausstellung im Contemporary Art Museum St. Louis folgen.

»Negative Headroom: The Broadcast Signal Intrusion Incident« ist Teil von »CHANNEL TV«, ein das Thema des Fernsehens fokussierendes Kooperationsprojekt des französischen centre d'art Cneai (Chatou bei Paris), dem Kunstverein Harburger Bahnhof (Hamburg) und der Halle für Kunst Lüneburg. Durch I-Pads, Mobiltelefone und andere Bildschirme, die ihre umherschweifenden Betrachter begleiten, verwandelt sich das zwischen kulturkritischer Diffamierung und Aufklärungsphantasien stereotypisierte Fernsehen und zeigt sich als multiples, fragmentiertes und in sich widersprüchliches Medium. Mit Paraphrase auf Walter Benjamin treten die paradoxen Versprechen und Utopien von Medien niemals so deutlich hervor, wie durch das Veralten ihrer (letzten) Entwicklungsstadien, was einen der möglichen Ausgangspunkte des Projekts markiert: »Das Fernsehen ist tot, lang lebe das Fernsehen!".

Angelehnt an einen normalen Fernsehalltag stellten die drei Institutionen gemeinsam ein achtstündiges Fernsehprogramm zusammen, das nicht nur innerhalb der beteiligten Häuser, sondern auch in (halb-)öffentlichen Räumen - Hotellobbys, in Wartezonen auf Bezirksämtern und Bahnhöfen etc. - gezeigt wird. Die von den Institutionen ko-editierte Sonderausgabe »Art/TV-Clash" des Magazins Multitudes begleitet das Projekt und erscheint aus diesem Anlass erstmals dreisprachig.