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Vom 9. Oktober bis zum 14. November sind im Kunstverein München zwei Arbeiten von Chantal Akerman (Brüssel / Paris) zu sehen: "A Family in Brussels" (1998) und "Chantal Akerman par Chantal Akerman" (1996). In Zusammenarbeit mit dem Filmmuseum München wird "Saute ma ville" (1968), "News from Home" (1976), "Demain, on déménage" (2003) und "La Chambre" (1972) am 28. Oktober gezeigt. Beide Teile gehören zu einer Präsentation, die von Lynne Cooke (New York), Kuratorin am Dia Center for the Arts in New York, kuratiert wird und Teil der Sputnik-Projekt-Serie im Kunstverein München ist. Die Sputniks sind eine Gruppe von unterschiedlichen Menschen, KünstlerInnen, KuratorInnen und TheoretikerInnen aus Deutschland und dem Ausland, die dazu eingeladen sind an der Institution Kritik zu üben und Vorschläge einzubringen, sowie sich auf verschiedene Weise langfristig am Programm des Kunstvereins zu beteiligen.

In Akermans Filmen hat man das Gefühl, dass fast nichts passiert und dennoch ist ihr Werk eine sensible und genaue Beobachtung von Menschen, deren Aktivitäten und ihrer Umgebung. Akermans Gebrauch der Kamera betont oftmals das ästhetische während sie die Konventionen von Film und Dokumentarfilm untersucht. Zeit und Sprachenumgang sind von besonderem Interesse für Akerman, was sich in ihren Filmen als Bedächtigkeit ausdrückt - Bedeutungen verschieben sich ständig und das Medium des Films stößt formell und inhaltlich an seine Grenzen.

Chantal Akerman begann ihre Filmkarriere im Jahr 1968 mit dem schwarz-weiß Kurzfilm "Saute ma ville" (Explodiere, meine Stadt). Hier dokumentiert Akerman die obsessiven Aktivitäten der Protagonistin, wie z.B. sauber machen, kochen und essen, die sich ins Chaotisch-Exzessive steigern und letztendlich ins Destruktive führen - die junge Frau bringt sich um, in dem sie die Küche in die Luft jagt. Diese letzte Szene ist auch das Ende des Films und erinnert stark an Jean-Luc Godards "Pierrot le fou" (1965), wo am Ende Jean-Paul Belmondo vergebens versucht eine Explosion zu verhindern und stattdessen eine verursacht. Akerman nennt Godards Film als Inspiration für ihre Entscheidung Filmmacherin geworden zu sein.

In Akermans Arbeit sind Wiederholungen und Erzählungen wichtige Aspekte, die in "A Family in Brussels" (Eine Familie in Brüssel) offensichtlich werden. Ganz abgewandt vom Bewegbild, schrieb Akerman "A Family in Brussels" als einen Monolog, den sie auf der Bühne in Paris, Brüssel und im Dia Center for the Arts in New York im Jahr 2001 aufgeführt hat. Im Kunstverein München wird "A Family in Brussels" als Hörspiel mit Kopfhörern installiert, so dass die Stimme von Akerman, die in der Rolle ihrer Mutter spricht, den HörerInnen nahe gebracht wird. Akerman spricht den Text mit viel Aufmerksamkeit auf Rhythmus und Betonung und obwohl es sich um eine fiktionale Erzählung handelt, sind autobiographische Bezüge auf Akermans eigenes Leben beinhaltet, wie z.B. der Tod ihres Vaters.

Der wesentlich früher entstandene Film, "News from Home" (Nachrichten von zu Hause) von 1976, spricht auch persönliche Episoden aus Akermans Leben an. Wie in "A Family in Brussels", nimmt Akerman auch hier die Stimme ihrer Mutter an. Dieses Mal liest Akerman vor oder schauspielert die Worte ihrer Mutter aus Briefen, die sie während ihres ersten Aufenthaltes in New York im Jahr 1972 von ihr erhielt. Diese erzählerische Off-Stimme über das alltägliche Familiengeschehen in Brüssel, bettet Akermans Bild vom urbanen Manhattan der 70er Jahre ein. In "Chantal Akerman par Chantal Akerman" (Chantal Akerman über Chantal Akerman), scheint es als ob Akerman uns endlich mit einem klaren und offenen Selbstportrait und ihrer eigenen Stimme und Abbildung konfrontiert, besonders da sie direkt in die Kamera spricht. Aber anstatt des persönlichen Interviews, entwickelt sich die Aufnahme in eine Deklaration über ihre Ansichten von Film, Filme machen und der Betrachtung von Film. Das Ganze kulminiert darin, dass Akerman verschiedene Auszüge aus früheren Filmen zusammensetzt und eine neue Sequenz und somit ein neuer Film entsteht.

Oftmals nur angedeutet oder als Fiktion getarnt, ist Autobiographie doch nie weit von Akermans Filmen entfernt. Akerman gibt zu, dass es in ihrem letzten Film "Demain, on déménage" (Morgen ziehen wir um) eigentlich um sie selbst geht. Der Vater einer jungen Frau stirbt, was dazu führt, daß die Mutter in ihre Wohnung einzieht. Aber die verschiedenen Berufe - sie ist Schriftstellerin, ihre Mutter unterrichtet Klavier - lösen so viel Spannungen aus, daß sie sich entschließen die Wohnung zu verkaufen, was wiederum zu mehr Komplikationen führt. In "Demain, on déménage", kehrt Akerman zu ihren komödiantischen Anfängen von "Saute ma ville" zurück, während sie das menschliche Dasein genau beobachtet.

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Sputnikprojekt - Chantal Akerman
Sputnik Lynne Cooke lädt Chantal Akerman ein