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“STRATIFIED. Fragmentierte Welt(en)”
- Eröffnung: 31.01.2017, 19h
- Ausstellungsdauer: 01.02.2017 - 08.04.2017
- Rahmenprogramm am Eröffnungsabend: 31.01.2017, 19h, Führung der Kurator/innen im Gespräch mit den anwesenden Künstler/innen
- Programm während der Ausstellung: 02.02.2017, 16h, Kuratorinführung mit Sandra Schwender 03.03.2017, 18h, Kuratorenführung mit Günther Oberhollenzer
- Künstler/innengespräch: 25.03.2017, 16h, mit Larissa Leverenz, Thomas Riess, Gabi Trinkaus und Günther Oberhollenzer
- Finissage: 08.04.2017, 16.30h Italienische Führung durch die Ausstellung mit Serena Fanara und ab 17.30h Italienischer Aperitivo

Künstler/innen: Alexandra Baumgartner, Astrid Busch, Sophie Dvořák, Karen Elliot, Vanessa von Heydebreck, Bernhard Hosa, Moni K. Huber, Anna Maria Kowalsky, Andrea Maria Krenn, Claudia Larcher, Larissa Leverenz, Micha Payer + Martin Gabriel, Thomas Riess, Veronika Schubert, Gabi Trinkaus, Sinta Werner, Nives Widauer und Anita Witek

kuratiert von: Günther Oberhollenzer und Sandra Schwender

„Wie die Welt unaufhörlich zerfällt, indem sie komplexer wird, indem sie sich reproduziert, vervielfältigt, teilt, wiederholt, multipliziert; wie kann dann überhaupt noch etwas anderes als das Collagieren, die Fransen unseres fragmentarischen in die Weltblickens und zu einem differenzierten Bild Zusammenfügens, als künstlerische Praxis definiert werden?“ (Micha Payer und Martin Gabriel, Künstler/in der Ausstellung).

Ausgangsmaterial der Arbeiten von Alexandra Baumgartner sind gefundene anonyme Fotografien und Magazinausschnitte. Sie interessiert sich nicht für die ursprüngliche Aussage oder deren Inhalt, sondern versucht, einen gewissen Gefühlszustand und einen neuen inhaltlichen oder formalen Zusammenhang herauszufiltern. „Ich spiele mit Vorahnungen, erforsche absurde und verstörende Momente und spüre beunruhigenden Stimmungen nach, indem ich das Ausgangsmaterial durch Eingriffe wie z.B. Retusche, Übermalung, Brandflecken, Nähgarn etc. bearbeite und neu zusammenstelle.“

In Astrid Buschs Rauminstallation werden Farbe, Licht und Schatten zu einer Collage – eine Art Kulisse, die als dynamische optische Täuschung erlebt werden kann. „In meinen raumbezogenen Installationen untersuche ich architektonische, historische und soziale Kontexte und ihre physischen Bedingungen. Dabei reflektiere ich stets den Ort mit seinen verschiedenen Schichten und Erinnerungsstrukturen, wodurch eine Dichte aus Fragmenten entsteht, die das Reale segmentiert und in neue Zusammenhänge stellt. In der eigens für das weisse haus in Wien konzipierten Arbeit treffen Versatzstücke aus Werbung, Medien und Industrie aufeinander, werden übermalt, besprüht, überblendet und durch Fragmentierung und Re-kontextualisierung in einen neuen Zusammenhang gebracht. Abstrakte Formen und minimalistische Zeichen treten in einen Dialog mit der Architektur des Ausstellungsraumes.“

Sophie Dvořák zerlegt systematisch Enzyklopädien, Landkarten und Bildbände aus dem 20. Jahrhundert. In akribischer Feinarbeit schneidet sie unzählige Details aus, die sie in ihren Collagen zu poetischen Verdichtungen kombiniert. „Durch Überlagerungen geometrischer Grundformen – allen voran das Dreieck, als essenzielles Element der Landvermessung (Triangulation) –, den cmyk Farben und dem Herausarbeiten einzelner Textfragmente entstanden für die Serie “Disruptions“ konstruktivistisch anmutende, zersprengte Kartenbilder, die sich mit dem geometrischen und semantischen Aspekt der Kartographie auseinandersetzen.“

Karen Elliot entzieht sich den Regeln und Ritualen des Kunstmarktes durch die Nutzung eines kollektiven Pseudonyms. Sie bietet keine Biographie, keine reale Person bei Vernissagen. In gewisser Weise kann das Kollektiv als Collage gesehen werden, da mehrere Protagonistinnen zusammen ein Werk erschaffen. Ihre Collagen und Bricolagen seien „Abbild unserer fragmentierten Welt, aktuell, feministisch“, so Karen Elliot, „Transformationsprozesse mit vorhandenen Ressourcen, mit dem umgehend, was bereits in der Welt ist.“ Aus gesammelten Materialien, die bereits eine Geschichte beinhalten – Bücher, bestehende Handwerkskunst, alte Fotos und neue Kunstkataloge – entstehen narrative Bildräume, dreidimensionale Collagen und pseudosakrale Objekte.

„Zwischen Luftschloss und dem kalten harten Boden, zwischen schöpferischer Sehnsucht und der bitteren Wahrheit gibt es eine große Kluft – genau dort entstehen meine Kunstwerke. Ihre Grundlagen sind ernste Emotionen, nackte Tatsachen und eine Portion Selbst-Ironie,” so Vanessa von Heydebreck. Sie schafft in ihrer Arbeit „The Dollhouse“ neue Welten, in denen sie spielerisch verschiedene Metaphern, Perspektiven und Sichtweisen versteckt, um unsere Welt verständlicher zu machen.

Die Fotomontagen „Dissection“ von Bernhard Hosa wirken wie Puzzles, die zu einem neuen Bild arrangiert wurden. Diese schwarz/weiß Fotografien aus einem Bildband der 1920er Jahre wurden mit einem weißen Lack bespritzt und gefaltet. Durch diesen Farbklecks wirken die Collagen aus der Ferne wie Landkarten. „Auch wenn man nicht weiß, dass das Fotobuch Menschen in psychiatrischen Einrichtungen präsentiert und keine Gesichter, sondern nur Hände und Fragmente von Krankenhausmöblierung und Anstaltskleidung zu sehen sind, schwingt trotz der kühlen Ästhetik und formalen Lesbarkeit Unbehagen mit.“ (Ingeborg Erhart)

Aus ihren kleinformatigen Aquarellen an den Wänden kreiert Moni K. Huber große Collagen, die danach als ein Ganzes fungieren. In ihren Arbeiten beschäftigt sie sich mit Architektur, untergegangenen Utopien und der Natur. „Der Malprozess ist bei mir ein Vexierspiel zwischen Malerei und Fotografie und damit auch eine Reflexion über Erzählung, Zeit und Geschichte. Damit möchte ich Sehnsucht und die Lust am Schauen auslösen.“

Die Selbstporträt-Serie „Fragmentary Deconstructions“ von Anna Maria Kowalsky, eine digitale Fotomontage, setzt sich mit dem inszenierten Selbstbild des Menschen auseinander. Nie zuvor sei es leichter gewesen, ein Bild von sich zu kreieren und es nach eigenen Wünschen zu gestalten, so die Künstlerin. „Es entstehen zusehends Abbilder von Personen, die in ihrer Darstellung nur mehr fragmentarisch dem entsprechen, was sie in ihrem wirklichen und umfassenden Sein ausmacht“. Anna Maria Kowalsky thematisiert die verschiedenen Formen des Zerfalls und der Zersetzung, lässt die Leere hinter der Selbstdarstellung, die sich als Maske und Fassade entpuppt, erahnbar werden. „Je mehr es um das Abbild geht, desto mehr scheint sich die Substanz zu verflüchtigen.“

Andrea Maria Krenn setzt, schichtet, ordnet und verortet geometrische Papierstücke zu kleinen Raumwelten. Planeten nennt sie die 2016 entstandenen Collagen im Untertitel, die in völlig abstrakter Formensprache planetare Geheimnisse zu bergen scheinen. Laut der Künstlerin werden zu- und übereinander greifende Flächengerüste und architektonisch anmutende Papiergebilde zentriert und umrundet, um ein inneres Milieu für atmosphärische Gestirne, voller Spannung und Poesie zu erzeugen.

In ihren Collagen arbeitet Claudia Larcher mit dem Montageprinzip: Sowohl in ihren Videos, die digital erzeugt werden und die aufgrund der abstrakten Tonfragmente sowie abgebildeten Gegenständen wie Videoanimationen wirken, als auch in ihrer Serie “Baumeistercollagen“, in welcher sie historische oder aktuelle Architekturmagazine verwendet, die Textblöcke entfernt und somit den Blick auf die darunterliegenden Seiten frei gibt.

Larissa Leverenz entführt die Betrachter/innen in eine Welt von surrealer, fremder Schönheit. Die Künstlerin malt und zeichnet, sie druckt und collagiert auf dünnen Holzplatten, die mit ihrer natürlichen Maserung und Struktur den Bildhintergrund vorgeben. Manchmal schnitzt sie in die Platten oder erweitert diese zu installativen Arbeiten im Raum. Wie Larissa Leverenz ihr Figurenpersonal in die kaum verortbaren, multiperspektivischen Bildräume stellt, erinnert in der Dramaturgie an eine Bühneninszenierung. Die Künstlerin ist Spielleiterin und Regisseurin, doch es sind keine Geschichten, die sie zur Aufführung bringt, sondern nur Szenenbilder und Fragmente. Sie versuche in ihrer Kunst auf tragikomische Weise „eine Idee von Herkunft und Wesen unseres Selbst zu vermitteln“.

Unglaublich vielschichtige, kleinteilige Zeichnungen charakterisieren das Werk von Micha Payer und Martin Gabriel. „Wir verstehen unsere Zeichnungen als Zusammenführung verschiedener Welten, als Synopsis, also Zusammenschau“, so das Künstlerpaar. Ihre zeichnerischen Collagen setzen sich aus gefundenen und gespeicherten Bildern zusammen, die als Fragmente verschiedener Zeiten, Welten und Medien am Ende eines langen Prozesses stehen. „Sie sind nicht nur Spiegelung dessen, sondern begreifen sich als eigene Welten, insofern ist unser Zeichnen selbst eine Weise, Welten zu erzeugen.“

„Der Mensch ist täglich einer überbordenden suggestiven Bilder- und Medienflut ausgeliefert“, erzählt Thomas Riess. „Mit analytischer Herangehensweise schwimme auch ich in dieser Woge von Alltagsreizen, in der ich das sinnlich Wahrgenommene wie Strandgut sammle, um es dann als Anregung für meine künstlerische Interpretation zu benutzen.“ Sie sind Inspirationsquelle und Arbeitsmaterial für Werke an der Schnittstelle von Malerei, Grafik, Mixed-Media und Video, die in einem selbstbestimmten Sehen „den Realitätsbezug infrage stellen“. Mittels Collage, Übermalung oder auch zeichnerischer Ergänzung verändert Thomas Riess die vorgefundenen Bilder und lässt neue Kontexte entstehen.

Seit vielen Jahren sammelt Veronika Schubert Sprache in Form von einzelnen Sätzen. Der Fokus liegt besonders auf der Sprache der Medien, der Genre-Analyse und der Funktionsweise von Kommunikation. Die Arbeit „Zur Person“ wurde aus vielen hundert digitalisierten Zeitungsüberschriften gefertigt. Basis für die Animation der Videoarbeit „In erster Linie“ waren Zeitraffer-Aufnahmen von Wolkenformationen, deren Umrisslinien auf über 3.000 Glasplättchen graviert wurden. „Die so entstandenen Linien lassen jedoch nicht mehr unbedingt an Wolken denken, sondern ähneln eher sich ständig verändernden Grenzlinien auf Landkarten.“ Die ergänzende Toncollage basiert auf Sätzen aus Nachrichtensendungen des österreichischen Fernsehens. Sie bilden „die Hilflosigkeit und Unfähigkeit der Regierenden ab“, so die Künstlerin. „Die Politiker/innen verstecken sich hinter hohlen Phrasen und Gemeinplätzen, das Fernsehen reagiert mit immer gleichen Formulierungen.“

Hochglanzmagazine aller Art dienen Gabi Trinkaus als Ausgangsmaterial, die sie zerschneidet und zur Vogelperspektive einer nächtlichen Stadt collagiert. Die einzelnen Fragmente aus dem Fundus der Werbe- und Lifestyle-Presse werden neu arrangiert, neue Zusammenstellungen und Assoziationen werden kreiert.

In Sinta Werners Installationen und Collagen werden Räume neu definiert und Sehgewohnheiten in Frage gestellt. Durch Übersetzungen vom Dreidimensionalen ins Zweidimensionale und zurück werden Fehler eingeschleust, die Störungen und Irritationen hervorrufen. Die Papierarbeit „Filmriss“ zeigt einen fließenden Verlauf von der Abbildung eines Küstenpanoramas hin zu einer Faltung, die vom kontrastreichen Motiv dieser Faltung überhöht ist. Das Bildobjekt „Blickwechsel“ beinhaltet ebenfalls bereits im Titel eine Doppeldeutigkeit. Zudem tritt hier ein Blickwechsel auf, weil die beiden Fotografien in einen Dialog treten, der durch die beiden Glasscheiben und den Rahmen eine eigene kleine “Architektur” bilden.

Das künstlerische Werk von Nives Widauer umfasst Fotografie, Video, Malerei und Skulptur, wobei vieles in ihrem Werk an den Charakter einer Collage denken lässt. Besonders fasziniert die Künstlerin Zusammenhänge zu finden, die vordergründig nicht offensichtlich sind. „Im Grunde genommen“, so Nives Widauer, „bin ich eine Sammlerin“. Sie hat ein großes Archiv aus selbst gedrehten Filmen, sie sammelt Bilder, Eindrücke und alltägliche Dinge jeglicher Art: Aus ihren alten Videokassetten baute sie eine Sitzbank, die sie in Bronze goss und die in der Ausstellung zu sehen ist. Das ist der Fundus, aus dem sie für ihre künstlerischen Arbeiten schöpft. Mit wachen Blick und Neugierde für das Wesen der Dinge, gerade auch des Alltägliche, greift sie in Bestehendes ein, fügt Widersprüchliches zusammen und erfindet daraus neue Bildwelten.

Die Differenz zwischen Realität und Repräsentation, zwischen Original und Reproduktion ist der Ausgangspunkt für Anita Witeks künstlerische Arbeit. Sie findet ihr Material in Printmedien genauso wie auf Werbeplakaten. Dabei interessiert sie sich für die Kulissen, die Versatzstücke, die wiederkehrenden Elemente in den Bildarrangements. Dieses fragmentarische Material dient der Künstlerin als Bausatz für ihre Montagen, sie legt die Teile in unterschiedliche Arrangements übereinander, um sie anschließend abzufotografieren. Die einzelnen Elemente werden anschließend für neue Konstellationen wiederverwendet. Nur im fotografischen Abbild ist die von der Künstlerin erschaffene Welt existent. Immer wieder geht Anita Witek mit ihren Arbeiten auch in den Raum, um das imaginäre räumliche Erlebnis auch zur tatsächlichen Erfahrung zu machen, so auch in der Rauminstallation im weissen haus.