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Vom 16. Juni bis 26. August 2012 präsentiert der Kunstverein Braunschweig Arbeiten von Susanne Kriemann (geb. 1972 in Erlangen, lebt in Berlin und Rotterdam) in einer umfassenden Einzelausstellung. Im Zentrum der Ausstellung Cold Time stehen Fotografien aus den Werkkomplexen Ashes and a broken brickwork of a logical theory (2010) und A silent crazy jungle under glass (2011).

In ihren Projekten verfolgt Susanne Kriemann einen rechercheorientierten Ansatz: Ein zentraler Aspekt in ihrem Schaffen stellt die Auseinandersetzung mit archivierten, insbesondere nicht genutzten oder in Vergessenheit geratenen Dokumenten dar. Das gefundene Fotomaterial dient dann als Ausgangspunkt für eigene Aufnahmen. Durch formale oder inhaltliche Analogien ergeben sich vielschichtige Assoziationsgeflechte, die sowohl die Entstehungsgeschichte der historischen Bilder, deren Bewahrung und Bezug zur Gegenwart, als auch die Diskrepanz zwischen öffentlicher und privater Geschichte thematisieren.

Grundlage für den im Oberschoss der Villa präsentierten Werkkomplex Ashes and a broken brickwork of a logical theory (2010) bilden historische Fotografien der englischen Kriminalautorin Agatha Christie, die ihren Ehemann, den Archäologen Max Mallowan, in den 1930er bis 1950er Jahren als Fotografin zu Ausgrabungen im ehemaligen Mesopotamien begleitete. Für das Britische Museum dokumentierte Christie nicht nur die archäologischen Fundstücke, sondern auch die Ausgrabungsstätten und die Beduinen, die ihren Mann als Grabungshelfer unterstützten. Agatha Christies fotografischen Spuren folgend, reiste Kriemann an einige der damaligen Schauplätze in Syrien und Nordirak und fertigte – als Repetition – eigene Fotografien an. Durch den Dialog von eigenen Aufnahmen und historischen Dokumenten entstehen neue Sinnzusammenhänge, die Fragen bezüglich der Konservierung von Geschichte, der Beziehung von Archäologie und Moderne, aber auch der politischen Topografie aufwerfen.

In A silent crazy jungle under glass (2011) kombiniert Susanne Kriemann erstmals eigene Luftaufnahmen mit bisher nie gezeigtem Archivmaterial aus der Zeit des Kalten Krieges. Letzteres stammt aus der Sammlung des amerikanischen Luftschiffhistorikers John Provan, dessen Archiv rund 175.000 digitalisierte Negative umfasst und unzählige Luftaufnahmen des deutsch-deutschen Grenzgebietes und der Luftkorridore enthält. Den aufgrund des Flugverbotes aus sicherer Distanz über die Grenze hinweg fotografierten Spionagefotografien stellt Kriemann eigene, aus dem Helikopter fotografierte Aufnahmen des gleichen Gebietes gegenüber: Es sind dichte Waldgebiete, die sich als schier endlose Diaprojektionen vom Dokument zum abstrakten Ornament zu wandeln scheinen.

Susanne Kriemann studierte an der Kunstakademie Stuttgart und an der École Nationale Supérieure des Beaux Arts in Paris. Sie war an zahlreichen internationalen Gruppenausstellungen – wie der 5. Berlin Biennale (2008), in der Contemporary Art Gallery in Vancouver (2010) oder Track in Gent (2012) – beteiligt. Zum Teil umfassende Einzelausstellungen widmeten ihr das Künstlerhaus Stuttgart (2009), das Stedelijk Museum Bureau Amsterdam (2009), die Berlinische Galerie (2010) sowie die Kunsthalle Winterthur (2011).