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Tadeusz Rolke, geboren 1929 in Warschau, zählt zu den bekanntesten polnischen Fotografen der Gegenwart. 1944 wurde Rolke als Zwangsarbeiter nach Deutschland deportiert und kehrte ein Jahr später nach Warschau zurück. 1950 schrieb er sich zuerst in Lublin und später an der Universität in Warschau für ein Kunstgeschichtsstudium ein. 1952 von der Kommunistischen Sicherheitspolizei wegen der "Verwicklung in Aktivitäten einer illegalen Organisation" verhaftet, wurde er zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, jedoch 1954 vorzeitig entlassen. Rolke, der bereits 1943, kurz vor dem Beginn des Warschauer Aufstandes, mit einer Kodak BabyBox-Kamera seine ersten Aufnahmen gemacht hatte, begann in der Folgezeit als Fotograf und bald darauf als professioneller Fotojournalist für verschiedene Wochen- und Monatszeitschriften zu arbeiten. Seine Aufnahmen wurden in "STOLICA" (einem Warschauer Wochenblatt), später im "TY I JA" (dem Kult-Kunst/Mode/Stil/Design-Magazin der polnischen Jugend in den sechziger und siebziger Jahren) und in "POLAND" (einem in sechs Sprachen herausgebrachten Sprachrohr der Polnischen Volksrepublik im Ausland) publiziert. Sein Interesse für zeitgenössische Kunst brachte ihn mit der Avantgarde-Szene aus dem Umkreis der Galeria Krzywe Kolo und Galeria Foksal in Kontakt. Rolke fotografierte Künstler in ihren Ateliers, Kunstkritiker sowie Ausstellungsbesucher und gehörte zum engen Freundeskreis bedeutender polnischer Künstler wie Andrzej Szewczyk und Edward Krasinski, der häufig Rolkes Fotografien in seinen Installationen verwendete.

Im September 1970, als die politische und gesellschaftliche Lage Polens zusehends schwieriger wurde, entschloss sich Rolke, nach Deutschland auszuwandern. Eine Gruppe von deutschen protestantischen Aktivisten organisierte Ende der sechziger Jahre in Polen die symbolische Aktion "Sühnezeichen". Rolke, der diese Aktion fotografierte, wurde zu einer "Forschungsreise" eingeladen, die er nutzte, um schließlich zehn Jahre lang in Deutschland zu bleiben. Seine erste Ausstellung mit dem Titel "Väter und Söhne" war der "Sühnezeichen"-Aktion in Auschwitz gewidmet. Nach einer kurzen Zeit in Wolfsburg ließ er sich in Hamburg, dem Presse- und Medienzentrum des Landes, nieder. Rolke arbeitete hier als freier Mitarbeiter für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften (u.a. für das Zeit Magazin, den Stern und das Allgemeine Sonntagsblatt). Er begann sich für Theaterfotografie zu interessieren und dokumentierte Theaterfestivals und Performances in Hamburg, Nancy, Epidauros und Amsterdam. Das alltägliche Leben in der Stadt, die Straßenszenen übten gleichzeitig eine ungebrochene Faszination auf ihn aus.

Rolke kehrte rechtzeitig nach Polen zurück, um die Anfänge der Solidaritätsbewegung mitzuerleben und mit seinen Fotografien zu dokumentieren. Seine Verbindungen zu Deutschland blieben dabei weiterhin sehr wichtig. Seit 1982 arbeitet Rolke für die in Hamburg ansässige Zeitschrift ART, die seine Foto-Strecken und Porträts einzelner polnischer Künstler veröffentlichte.

Tadeusz Rolke, der sich vor allem mit Schwarzweiß-Fotografie beschäftigt, zeigt im Kunstverein zwei Serien aus seiner späten Zeit in Hamburg. Die Aufnahmen des Fischmarktes entstanden 1978-79. Über viele Wochen hinweg fotografierte Rolke jeden Sonntagmorgen typische Szenen in Kneipen, an den Blumen-, Fisch- und anderen Verkaufsständen. Er hielt die unterschiedlichsten Menschen fest, deren Gemeinsamkeit in ihrer Leidenschaft für das Einkaufen, Reden, Trinken und Flirten liegt - jahrhundertealten Bedürfnissen der Menschen. Diese Fotografien zeigen eine sehr lebendige Welt, die auf unkomplizierte, menschliche Art zu funktionieren scheint. Der Fischmarkt, wie ihn Rolkes Bilder zeigen, bildet ein Gegenmodell zur dominierenden zeitgemäßen Form der Marktwirtschaft im Sinne der Gewinnmaximierung um jeden Preis, da hier oft die Gespräche, die Inszenierung des Verkaufs wichtiger als das Geschäft selbst scheinen. Der Fischmarkt ist Bühne für eine großes Schauspiel, ein ununterbrochenes Theaterstück mit professionellen Amateuren bei der Arbeit, wie sie geschäftig mit Hilfe von Tricks und Streichen ihre Ware anbieten und ihren Kleinhandel mit Geschicklichkeit und Charme betreiben.

Rolkes Interesse für Theatralisches wird auch in einer anderen Serie von Fotografien deutlich, die während der Duane Hanson-Retrospektive 1991 in den Hamburger Deichtorhallen entstand. Hier gleicht das Auge der Kamera täuschend realistisch wirkende Skulpturen und reale Menschen einander an. Rolkes Bilder offenbaren die Sehnsucht nach Kontrolle, kombiniert mit der vollkommenen Hingabe an die Kraft der hyperrealistischen Darstellung.

Die Ausstellung wurde von Adam Szymczyk kuratiert.

Pressetext

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Tadeusz Rolke
Kurator: Adam Szymczyk