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„Ewigkeit“ ist eines dieser Wörter, die wir verwenden, ohne dafür ein bestimmtes Konzept zu haben. Als existentielle Erfahrung der Lebenszeit und als metaphysische Idee des „Überzeitlichen“ ist die Frage nach unserer Beziehung zur Zeit längst ein philosophischer Klassiker. So diskutierten schon die griechischen Philosophen Platon und Aristoteles das grosse Rätsel von der Entstehung der Welt immer in Bezug auf eine ewige Existenz von Materie. Man glaubte nicht daran, dass die Welt, wie der Mensch sie kennt, quasi aus dem Nichts heraus entstehen konnte. Auch der Theologe und Philosoph Augustinus betrachtete an der Schwelle zwischen Antike und Mittelalter die Ewigkeit als immer währende Kraft und bezeichnete sie sogar als Negation aller Zeit. Während in den nachfolgenden Jahrhunderten der Ewigkeitsbegriff unter Theologen und Philosophen immer wieder als Hoffnung auf einen Gott verstanden wurde, kümmerten sich Henri Bergson im 19. Jahrhundert und Martin Heidegger im 20. Jahrhundert eher um die modernen Schwierigkeiten mit der Ewigkeit. Bergson stösst dort vor allem auf das prekäre Defizit der Sprache, Ewigkeit zu fassen, geschweige denn, sie überhaupt zu beschreiben. Heidegger versuchte hingegen, das Ewige z.B. in der Kunst anzusiedeln - um das Unvorstellbare denkbar zu machen. An diesem Berührungspunkt zwischen Sprache und ästhetischer Erfahrung von Kunst lässt sich auch über Ewigkeit nachdenken.

Wo sich die räumlich-zeitliche Orientierung aufzulösen scheint, beginnt das Nachdenken über Unendlichkeit. Obwohl unendliche Dimensionen kaum vorstellbar sind, sind sie trotzdem individuell erfahrbar. Dieses Paradox bildet den Ausgangspunkt des Ausstellungskonzeptes und findet seinen Widerhall in künstlerischen Positionen der Gegenwart, welche sich zwischen abstrakter Bildgrammatik und Landschaftsmotiven bewegen – zwei der wichtigsten Bildsprachen der Moderne, die ein Nachdenken über die Unendlichkeit möglich machen.

Beide Ebenen blendet etwa Claudia Wieser in ihren Arbeiten übereinander, wenn sie Fotodrucken von imposanten Bergszenen aus der Reiseliteratur des 20. Jahrhunderts eine geometrische Form aus Blattsilber (Kessel der 5 Seen, 2007) hinzufügt. Man könnte versucht sein, die Silberform als mögliches Schema eines andauernden Prinzips der Formentstehung in der Natur zu betrachten.

Was jedoch liegt zwischen der Idee von Ewigkeit und der zeitlichen Einteilung einer alltäglichen Lebenswelt? Mit der Frage nach Zwischenräumen in Bildern, Sprache und zeitlicher Ordnung beschäftigt sich der belgische Künstler Kris Martin. Auf einem lebensgrossen Spiegel steht in geschwungener Schrift THE END geschrieben, die Schrift ist spiegelverkehrt darauf angebracht. Im Spiegel zeigt sich der Raum im Rückblick zusammen mit dem Betrachter. Die pathetische Feststellung des Endes, wie man sie aus älteren Filmen kennt, fügt in dieser Arbeit eine zeitliche Ebene zum räumlichen Spiegelbild hinzu. Faktisch ist die Raum-Zeit an dieser Spiegelwand zu Ende; für den Betrachter beginnt gerade dort jedoch in Kombination von Sprache und Spiegelbild ein illusionärer Raum.

Im Film „Starfield“(2004) überführt Jordan Wolfson einen Punkt in eine Linie, die sich schier unendlich fortbewegt. Eigentlich handelt es sich hier nur um eine simple Version des ehemaligen Bildschirmschoners „Starfield“, man könnte diesen abstrakten Film jedoch auch als eine mögliche Darstellung von Unendlichkeit und Ewigkeit betrachten. In der perspektivischen Illusion des Films erscheinen die Linien als Parallelen; betrachtet man die Animation jedoch als zweidimensionales Bild, laufen die Linien aufeinander zu und könnten sich tatsächlich treffen. Das mathematische Axiom „Parallelen treffen sich im Unendlichen“ wäre damit möglich. Auch in Quantenprozessen der Physik spricht man etwa von einer fortlaufenden Gegenwart, die ohne ein Geschehen auskommt, das Fakten schafft. Es handelt sich dabei lediglich um eine „Möglichkeitsphase“, meint der britische Philosoph Colin McGinn.

Eine ewige Dauer ist dabei ebenso wenig wie eine punktuelle Gegenwart vorstellbar. Und dennoch verbinden wir zumindest ein konkretes sprachliches Konzept mit dem Wort „Ewigkeit“, sodass sie als Behauptung auch existieren kann. Versuchen wir es mal so: Ewigkeit ist zwar nicht vorstellbar, aber möglich. Und besonders an den Grenzen ästhetischer Erfahrung - etwa in den Arbeiten einiger zeitgenössischer Künstler - wird diese Möglichkeit überhaupt denkbar.

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THE ETERNAL FLAME
Über das Versprechen der Ewigkeit / On the promise of eternity
Ein Projekt von Burkhard Meltzer und Sabine Schaschl

Künstler: Eva Berendes, Michael Borremans, Steve van den Bosch, Tom Burr, Philippe Decrauzat, Friedrich Kunath, Fabian Marti, Kris Martin, Edit Oderbolz, Florian Pumhösl, Damien Roach, Hagar Schmidhalter, Shirana Shahbazi, Claudia Wieser, Jordan Wolfson