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Die Gruppenausstellung „The Gone Wait“ präsentiert Arbeiten von AutorInnen, FilmemacherInnen, MusikerInnen und bildenden KünstlerInnen, die bewusst oder unbewusst, äußeres oder inneres Verschwinden und einen Rückzug vom Realen thematisieren.

Gezeigt werden verschiedene Formen und Darstellungen vom „Verloren-sein-in-etwas": „The Gone Wait“ ist eine halluzinatorische Untersuchung von sowohl physisch, als auch mental unergründlichen Orten. Fragen nach dem Subjekt oder Objekt, dem Autor oder Gegenstand, dem Authentischen oder dem Halluzinierten, dem Dokumentarischen oder dem Fiktionalen lösen sich in den einzelnen Arbeiten auf.

Die vorgestellten Ansätze und Ausdrucksformate sind schwer kategorisierbar und ringen häufig mit der Unmöglichkeit ihrer Vermittlung. Zumeist sind sie wesentlich von einem autobiografischen Bezug geprägt. So zeigt auch der Titel der Ausstellung „The Gone Wait“ die Grenzen von Sprache und Vermittlung. Was bleibt sind Ahnungen und Assoziationen: der Titiel „The Gone Wait“ ergibt keinen wirklichen Sinn, es bleibt eine fragmentarische Referenz und ist dem gleichnamigen Album des Musikers Jandek von 2003 entliehen, der in der Ausstellung für die gleichzeitige Herstellung von Absenz und Präsenz steht.

Arbeiten in der Ausstellung:

Johnny Depp und Gibson Haynes haben eine Kamerafahrt durch die verwüstete Behausung von John Frusciante gefilmt, der Anfang der 90er Jahre längere Phasen intensiver Drogenerfahrungen durchlebt hat. Frusciante, Gitarrist bei den Red Hot Chili Peppers, hat den dokumentarischen, atmosphärisch dichten Kurzfilm über die brachiale Ästhetik der Selbstauflösung mit eigenen Texten und Musik vertont.

Der Autor Rainald Goetz zeigt eine Reihe Collagen, in denen er sich in Bezug zur Außenwelt und den dort stattfindenden Geschehnissen setzt. Er sammelt dossierartig Ereignisse, die ihn als Person betreffen und kommentiert deren Bezug zu sich. Damit entzieht er sich einer direkten Festlegung und wird zum Träger von Referenzsystemen. Unter seinen Aufzeichnungen befindet sich auch ein Portrait von Andy Warhol, das Goetz an dessen Todestag 1987 erstellte.

Der dänische Fotograf Jacob Holdt reiste vor allem in den 1960er und 1970er Jahren durch die USA und dokumentierte sein Zusammensein mit Obdachlosen und Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Sein so aufgezeichnetes Nomadentum, bei dem er sein Selbst mit dem der sogenannten „Außenseiter“ unmittelbar vermischt, trägt Züge von Überaffirmation. Die in seinem Buch „American-Pictures“ veröffentlichten Bilder präsentiert Holdt seitdem kontinuierlich auf Diavorträgen in Schulen und Universitäten weltweit.

Der texanische Musiker Jandek ist bis vor einigen Monaten nie live aufgetreten und hat generell jedwede Form der Öffentlichkeit gemieden. Seine Absenz und sein Verschwinden dreht er in der Gestaltung seiner Plattencover um, die er seit mehr als 25 Jahren auf seinem eigenen Label „corwood industries“ veröffentlicht: Auf jeder der mittlerweile mehr als 40 Platten ist in schemenhafter und defensiver Selbstinszenierung die eigene Person in verschiedenen Weisen präsent.

Die Berliner Künstlerin Kitty Kraus fotografierte einen halb abgesägten Baum, der von unten künstlich beleuchtet ist und wie eine verkrüppelte Geistergestalt scheint. Unter dem Baum wurde aus der ehemaligen Astkrone eine Behausung gebaut, so wird eine Wunde zum Schutz.

Josef Kramhöllers großformatige Zeichnung „Education“ (2000) skizziert eine Situation, in der er disziplinargesellschaftliches Rohmaterial thematisiert: Subjekte und Institutionen. Die Abgewandtheit des Geschehens bei größter räumlicher Nähe mitsamt der sich bühnenartig verjüngenden Perspektive setzt das Selbst in eine stetige Distanz zur Sichtweite. Fragen nach Positionierung, Vorhandensein und Ferne werden aufgeworfen, die wie die vielen zeichnerischen Überarbeitungen zeigen, ständig neu formuliert werden.

Die kleinformatigen Bilder des Berliner Künstlers Jonas Lipps sind unmittelbare Skizzen, in denen er romantisch gefärbte Lebensvorstellungen und Ideale anreißt und im gleichen Moment wieder dekonstruiert und auflöst. Ein Festhalten der Form wird ständig negiert, aber als Material für einen möglichen Ausdruck benötigt, um überhaupt relevant zu sein.

Josef Strau zeigt mit verschiedenen Materialien bearbeitete und refotografierte Architekturfotografien, die sich mit während und nach dem zweiten Weltkrieg entstandenen Wohnsiedlungen beschäftigen. Durch jeden Arbeitsschritt verfremdet er seine vermeintliche Heimatgegend bis ins Schattenhafte, ihre Umrisse bleiben dabei trotzdem erkennbar und präsent. So bringt der Versuch der Auflösung und Exorzierung subjektiver Erfahrungen dezidiert deren Charakteristika zum Vorschein. Ein erweitertes Verfahren findet sich bei seiner Lampeninstallation, die genuin auf kleinbürgerliches Leben verweist, aber zum benutzbaren Präsentationsmittel autobiografischer Schriften dient und damit ihrer ursprünglichen Funktion entzogen wird.

Der Maler und ehemalige Performancekünstler Herbert Volkmann zeigt ein großformatiges Ölbild, auf dem er sturzbachartige Erinnerungen an eine mögliche nächtliche Autofahrt nach Moskau darstellt. Er selbst setzt sich dabei ins Zentrum des sinnesgetrübt, halluziniert und kinematisch wirkenden Motivs. Volkmanns Leben ist vom ständigen Wechsel gezeichnet; bis Ende der 1990er Jahre war er als Kunstsammler international bekannt und widmet sich nun wieder vermehrt der eigenen Produktion von Kunst. Er trat immer wieder in verschiedenen Rollen auf, die er aber auch wieder aufgab, um neue zu übernehmen. In Volkmanns Universum können selbst die Präsentationen von Arbeiten zum Gegenstand der Interpretation werden, wie etwa das bei „The Gone Wait“ gezeigte Gemälde „Die Engelshunde vom Highway BERLIN-MOSKAU“ (2005), das auch auf den Kopf gestellt gezeigt werden kann.

Maximilian Zentz Zlomovitz’ Zeichnungen loten anhand numerologischer Spiele mit seinen Familiennamen das Thema der Selbst-Setzung aus. Auf naive und gleichzeitig akribische Art und Weise bearbeitet und rekomponiert er so seine Familiengeschichte und schreibt seine Identitäten und Selbstbilder in die Welt ein. Dabei scheint er im Versuch die Umrisse seiner Person zu fixieren jegliche Objektivität und Relationsbezogenheit zu verlieren.

Die 4. berlin biennale für zeitgenössische kunst wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und ist ein Projekt der KW Institute for Contemporary Art.

Die Gagosian Gallery, Berlin wird unterstützt durch das Programm Kultur 2000 der Europäischen Union.

Pressetext

only in german

The Gone Wait / berlin biennale
Kurator: Tobias Buche

mit J. Depp / Gibson Haynes / John Frusciante, Rainald Goetz, Jacob Holdt, Jandek , Josef Kramhöller, Kitty Krauss, Jonas Lipps, Josef Strau, Herbert Volkmann, Maximilian Zentz Zlomovitz