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Die Galerie Nagel Draxler zeigt mit resist! – oder let it be! ihre zweite Einzelausstellung des in Berlin lebenden Künstlers Thomas Kilpper.

Thomas Kilpper ist für seine raumgreifenden und gesellschaftspolitisch konnotierten Installationen und Interventionen bekannt. Für sein Projekt “State of Control” hat er beispielsweise Motive der deutschen Konfliktgeschichte (zum Thema Faschismus, DDR Diktatur, RAF und Überwachungsstaat) in den Linoleumboden der ehemaligen Stasizentrale in der Berliner Normannenstraße geschnitten. Für seinen Beitrag für den Skandinavischen Pavillon im Rahmen der Venedig Biennale 2011, der unter dem Thema “Freie Rede” stand, hat er eine Terassenkonstruktion aus Holzplanken gebaut, in deren Boden er Holzschnitte zum Thema Zensur ritzte. Dabei umfasst sein “Skizzenbuch” neben eigenen Aufzeichnungen und Entwürfen auch bekannte Medienfotos aus Archiven, Zeitungen und dem Internet. Für seine Ausstellung in der Galerie Nagel Draxler rekurriert Thomas Kilpper auf den Ort seiner Umgebung, den Rosa-Luxemburg Platz, den er als aufgeladenen Ort politischer Demonstration und Auseinandersetzung wahrnimmt.

Das Auto ist bekanntlich das liebste Kind der Deutschen und seine Produktion galt seit jeher als eines der “Wirtschaftswunder” in der widerspruchsvollen deutschen Nachkriegsgeschichte. Heute werden Standorte geschlossen und Produktionen ausgelagert in Billiglohnländer, spiegelbildlich zu einer zunehmend bedrückenden internationalen Flüchtlingsproblematik. Kilpper nimmt sich in seiner neuen Produktion Autobleche zum Material. Seine sogenannten “Tattoos” sind Kaltnadelradierungen auf alten Motorhauben, die er auf Schrottplätzen zusammengekauft hat. Die Motive sind prägnante Bilder aus Zusammenhängen aktueller gesellschaftlicher Konflikte um Menschenrechte und Emanzipation. Gemeinsam ist ihnen, wie der Titel der Ausstellung resist! – oder let it be! andeutet, ein Impuls des Widersetzens gegen ein umgreifendes Gefühl der Ohnmacht im Hinblick auf aktuelle globale gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Problematiken und Krisen.

So verweist beispielweise eine Radierung, die das russische Künstlertrio Pussy Riot darstellt, auf die staatlichen Reaktionen und vor allem Repressionen in Zusammenhang mit kritischer Kunst. Porträts von Angela Merkel oder Uli Hoeneß thematisieren die schlagwortartig viel zitierte ‚Krise des Kapitalismus’, der die Verwicklungen zwischen Wirtschaft und Politik sowie die fortschreitenden Spaltung der Gesellschaft in zwei Wohlstandsschichten zugrunde liegen. Die in ironischer Anlehnung an das Berliner Marx-Engels-Denkmal aus den 1980er Jahren entstandene Metallskulptur ‘Angela Merkels und Uli Hoeneß’, zeigt die Kanzlerin und den korrumpierten Bayernchef als Protagonisten der Deutschen Führungseliten (aus Politik und Fußball) in trauter Einigkeit. Die Skulptur aus zusammengenähten Airbags, die allesamt aus Unfällen stammen, schlägt beim Betreten der Galerie quasi zu und den Besuchern ins Gesicht. Ein aggressiver Schutz vor Verletzung, als makabrer Kunstgriff quasi die Umkehrung des Slogans: Macht kaputt was euch kaputt macht.

Kilppers abstrakte Bilder aus Autoblechresten, die auf Leinwände genietet sind, sind jeweils mit einem Namen eines afrikanischen Flüchtlings verbunden, sie sind den jeweiligen Opfern des staatlichen Umgangs mit Flüchtlingen und Migranten aus Armutsländern individuell und namentlich gewidmet und streichen auf diese Weise die kalte Abstraktheit der Opfer symbolisch durch.

Parallel zur Ausstellung, in Zusammenarbeit Thomas Kilppers mit dem Verein zur Förderung von Kunst und Kultur am Rosa-Luxemburg-Platz e.V, entstand das Außenprojekt Megaphone, eine an zentraler Stelle des Rosa-Luxemburg-Platz installierte farbige Skulptur aus Autoblechen in Form eines riesigen trichterförmigen Sprachrohrs. Auch Megaphone befragt aktuelle Machtverhältnisse unserer Gesellschaft: Wer kommt zu Wort? Wer verschafft sich Gehör? Wer ergreift die Initiative für gesellschaftliche Veränderungen? Bedeutet eine Stimme zu erheben gleichzeitig sich Macht anzueignen? Tragen “Freedom-of-Speech-Projekte” zur Verwirklichung von Demokratie bei oder verschleiern sie gar ihre Defizite?

Megaphone ist ein Kunstwerk mit Agitprop Charakter, eine Bühne fürs Volk vor der Volksbühne. Recycelte Bleche, recycelte Geschichte. Ein Aufruf zum Sprechen, “Denn ein Schwert kann zerbrochen werden und ein Mann kann auch zerbrochen werden, aber die Worte fallen in das Getriebe der Welt uneinholbar kenntlich machend die Dinge oder unkenntlich.” – Heiner Müller “Der Horatier” 1968

Thomas Kilpper resist! - oder let it be!

Eröffnung: Mittwoch, 19. Juni 2013, 19-22 Uhr Ausstellung: 20. Juni - 31. August 2013 Galerie Nagel Draxler Weydinger Str. 2/4 (am Rosa-Luxemburg-Platz) 10178 Berlin Öffnungszeiten: Dienstag - Freitag: 11 - 19 Uhr Samstag: 11 -18 Uhr

Thomas Kilpper MEGAfon Performanceprogramm vom 11. - 25. August am Rosa-Luxemburg-Platz

Thomas Kilpper: MEGAfon, 2013, Foto: Ludger Paffrath Im Rahmen des Projekts MEGAfon von Thomas Kilpper möchten wir Sie ganz herzlich zum Besuch folgender Performances auf dem Rosa-Luxemburg-Platz einladen:

Sonntag, 11.August, 13:00 Uhr Artur Balen: Communist International goes International

Dienstag, 13. August, 21:00 Uhr Katja von Helldorff: cosas raras - para Rosa Luxemburg

Donnerstag, 15. August, 20.30 Uhr Kerstin Cmelka featuring Daniel Laufer: Nora

Samstag, 17. August, 16:00-20:00 Uhr Achim Lengerer: Proben zu Peter Weiss

Samstag, 17. August, 22:00 Uhr Stephan Geene: feierliche abkehr of megafonal. forever oder immerhin now

Sonntag, 18. August, 16.30 Uhr Christel Gbaguidi: La Republique en Fuite/Die Flüchtige Republik

Mittwoch, 21.August, 19:00 Uhr Ute Waldhausen: Die Sterne lügen nicht

Freitag, 23. August, 20:00 Uhr Egill Sæbjörnsson: Manifesto

Sonntag, 25.August, 17.30-19.30 Uhr Claude Hilde: ohne Titel

Seit Juni steht im Zentrum von Berlin vor der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz ein überdimensionales Megafon des Berliner Künstlers Thomas Kilpper. Es kann von jeder und jedem - z.B. im Sinne einer "Speakers Corner" - genutzt werden. Das Projekt MEGAfon verkörpert eine vielschichtige Referenz an den Ort und seine sozio-politische Geschichte: hier errichtete die KPD ihre Parteizentrale und der Platz wurde zum Ausgangspunkt zahlreicher politischer Demonstrationen; die Errichtung der Volksbühne begann 1913, genau vor hundert Jahren, unter dem Motto: „Die Kunst dem Volke“.

MEGAfon befragt die aktuellen Machtverhältnisse: Wer kommt in unserer Gesellschaft zu Wort? Wer verschafft sich Gehör? Wer ergreift die Initiative – im Sinne gesellschaftlicher Veränderung? Trägt MEGAfon als ein Freedom-of-Speech-Projekt zur Verwirklichung von Demokratie bei oder verschleiert es gar ihre Defizite? Auf einem öffentlichen Platz klar und laut zu sprechen erfordert Mut und Entschiedenheit. MEGAfon wird daher bewusst ohne elektronischen Verstärker versehen. Der Resonanzkörper wirkt wenig lautverstärkend, die Stimme jedoch leicht verfremdend. Dadurch kommt ein spielerisches Element mit hohem Aufforderungscharakter zum Tragen.

press release:

Thomas Kilpper MEGAfon

Since June, an oversized megaphone by Berlin-based artist Thomas Kilpper stands right in the centre of Berlin, just in front of the "Volksbühne"-theatre at the Rosa-Luxemburg-Platz. It can be used - for example in the sense of a "Speakers' Corner" - by everybody. The MEGAphone-project embodies a complex reference to the site and its socio-political history: here, the headquarters of the communist party KPD have been established and the square became the starting point for many rallies. The erection of the "Volksbühne"-theatre began in 1913, just one hundred years ago, following the slogan: "Art to the people."

MEGAphone questions current power relations: Who has the right to speak up in our society? Who manages to make themselves heard? Who takes the initiative - in terms of societal change? Does the freedom-of-speech project MEGAphone contribute to the realization of democracy or does it even disguise its deficits? Speaking clearly and loudly in public place requires courage and decisiveness. Thus MEGAphone consciously does not provide any electronic amplification. The resonating body amplifies only sparsely, however the voice is slightly alienated. Therefore a playful component with a highly stimulative nature comes into effect.

Unterstützt vom Verein zur Förderung von Kunst und Kultur am Rosa-Luxemburg-Platz e.V., aus Mitteln des Bezirkskulturfonds des Bezirksamts Berlin Mitte und Stiftung Kunstfonds.