press release only in german

Die Ausstellung umfasst Malerei, Fotografie und einen Animationsfilm und ist nach der Reihe von Gemälden mit dem Titel "Tektonik der Schwebe" benannt. Sämtliche Objekte dieser Installation beziehen sich auf dieses Thema, auch wenn sie aus anderen Werkgruppen stammen.

Reinholds aktuelle Malerei reflektiert deren Entstehungsprozess. Der Totpunkt formt die flüssige Farbe, erlaubt einige Augenblicke lang eine Gesetzmäßigkeit zwischen den Entscheidungen. Die malerische Vorgangsweise, die wesentlich aus der Verlagerung des Schwerpunkts besteht, provoziert genau diesen Moment, der die Unbestimmtheit Formen annehmen lässt. Der Zwischenbereich wird der Ort des Interesses, in dem Formen entstehen, die zwischen Rinnsalen aufgehängt scheinen. Kalkül und Zufall sind hier also keine Gegensätze, sondern werden spezifisch eingesetzt, das Prozessuale gewinnt an Bedeutung. "... Es ist interessant, dass gerade für die Generation der heute etwa 50-Jährigen, der ehemaligen so genannten "wilden" und figurativen Malerei angehörend, das Prozessuale irgendwann in ihrer Entwicklung zu einem neuen Ausgangs- und Angelpunkt ihrer Kunst geworden ist. So können beispielsweise Thomas Reinholds ausgestellte Bilder diesbezüglich als geradezu programmatisch bezeichnet werden: für das Zufallsprinzip, wenn er bei einem Atelierbrand auf ein Bild herabgefallene Neonröhren einfach integriert; ein anderes Mal für die freigesetzte, rinnende Farbe und die Pinselspur als bilderzeugende Faktoren. ..." (Zitiert Edelbert Köb, Katalog "Malerei: Prozess und Expansion", Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 2010.) Das kunsthaus muerz zeigt weiters Gemälde aus den Werkgruppen "Netze", "Stäbchen und Zapfen", "Enchanté" und "Konstitutionell".

Die Werkgruppe "Stäbchen und Zapfen" ist Thema eines Gesprächs Carl Aigners mit Thomas Reinhold. "... CA: Ihre Malerei ist eine reflexive und diskursive Malerei geworden, die sich selbst als Gegenstand maßgeblich thematisiert. Jetzt gibt es eine Arbeitsserie, die in den letzten zwei Jahren entstanden ist, mit dem signifikanten Titel "Stäbchen und Zapfen", was automatisch physiologische Erkenntnis des Auges reflektiert oder vermittelt. Wenn wir diese Werke ansehen, dann gibt es eine verblüffende Echohaftigkeit zu Ihrer fotografischen Verfahrensweise ..., nämlich das Prinzip der Schichtung, der Überlagerung und damit auch die Reflexion oder die Auseinandersetzung mit dem Akt des Sehens. Ist das jetzt ein Zufall oder grundsätzlich Ihr Arbeitsprozess? TR: Sowohl als auch. In dieser Serie "Stäbchen und Zapfen" erzeuge ich so etwas wie einen Raster, bei genauem Hinschauen sieht man aber, dass er wie ein Gewebe oder Netz strukturiert ist, so ein Davor und Dahinter erzeugt wird. ... Wenn ich Malerei in verschiedenen Zeitabschnitten nach und nach übereinander schichte, bestimmt das den malerischen Raum, den die Betrachter in einer zeitlich völlig anders definierten Situation als optische Sensation erleben. So erscheint der Blick auf das Gemälde innerhalb der sogenannten vergehenden Zeit zwar als zeitlos, aber dafür umso räumlicher: Die Zeit des Malprozesses wurde zum Raum. ..." (Zitiert "Zur Ikonografie von Zeit und Raum", Carl Aigner im Gespräch mit Thomas Reinhold, in EIKON, Internationale Zeitschrift für Photographie und Medienkunst, Heft 60, 2007)

So, wie Reinhold vermeintliche Gegensätze nicht trennt, sondern mit ihnen agiert, so negiert er auch eine orthodoxe Trennung der verschiedenen künstlerischen Medien. Wilfried Skreiner stellt in seinen "Behauptungen zur Neuen Malerei in Österreich" fest: "... Thomas Reinhold ist der einzige dieser Künstler, der in den 70er Jahren mit Fotos, konzeptuellen Serien und anderen Medienreflexionen hervorgetreten ist. ..." (Zitiert Wilfried Skreiner, in "Sinnpause", Zeitschrift Kunstforum International, Bd. 80, 3/1985 Juli-Sept.) Die ältesten Fotoarbeiten im kunsthaus muerz stammen aus 1977. Als die damalige Wiener Länderbank für ihre legendäre Sammlung FOTOGRAFIS, die sich heute als Dauerleihgabe im Museum der Moderne in Salzburg befindet, Arbeiten von Thomas Reinhold erwarb, war er in dieser Sammlung der jüngste Künstler. Eine dieser frühen Fotoarbeiten, die sich in der Ausstellung befinden, zeigt einen Vergrößerungsapparat, der gerade ein Foto eines Leuchtglobus vergrößert. Schwebe als durchgängiges Thema in dieser Inszenierung wird hier auch zum Spiel mit den Bedeutungsebenen. Der Siebdruck-Malerei-Serie "Reiseverwandtschaften" aus 1995 etwa liegt das Foto einer hölzernen Figur aus Timor zugrunde. Der massig gestaltete Körper einer affenähnlichen Figur schwebt auf vier dünnen Stützen: den Beinen, dem Schwanz und einem Wanderstab. Darüber kreist eine Annordnung planetenartig anmutender Formen.

Die Fotoserie "Malendes Licht, lebende Schatten", die Reinhold während eines Atelier-Stipendiums des bm:ukk 2010 in Shanghai schuf, befasst sich mit der "Verselbständigung" der Medien. So liegen ihr "malerische" Fotos und "fotografische" Malerei zugrunde. Die Fotos entstanden in der Nacht. "... Ich suchte Licht bestimmter Farbe, sowie Licht und Farbe in kinetischen Abläufen. Die Fotos komponierte ich an Ort und Stelle mittels Bewegung und Zeit. Es gibt keinerlei Nachbearbeitung. Sie erinnern an die Überlagerungen von Schüttungen meiner Gemälde. Die fotografierte Malerei andererseits sind Tuschemalereien, die ich tagtäglich routinemäßig mittels chinesicher Kalligrafiepinsel möglichst emotionslos praktizierte: Schatten in einem partiturhafen Nebeneinander von Abläufen, wie wir es auch aus den Anfangszeiten der Fotografie kennen." (Zitiert Thomas Reinhold)

Der Titel des Animationsfilms "Enchanté" aus 2011 bezieht sich auf die Werkgruppe gleichen Namens, das Tema des Films ist die Relation der Betrachter zum Kunstwerk, das Posieren und sich Positionieren zueinander, beeinflusst durch musikalischen Ablauf. Der Film möchte einen medien- und wahrnehmungsreflexiven Diskurs führen, den der Titel suggeriert: "Enchanté" zum einen als Gruß "sehr erfreut", "bezaubert", aber auch "behext", "verzaubert" und wortwörtlich "besungen" bezieht sich auf das Motiv, das allen Künsten gemeinsam ist, die Kommunikation und das Beeindrucken. Musik des Komponisten Julian Gamisch, die das angerissene Thema reflektiert, bildet das strukturelle Gerüst des Films und bestimmt die Abfolge der Konstellationen im Raum, sowie Prä- und Absenz der betrachtenden Personen.

Die Installation versammelt Werkgruppen verschiedener Zeiten und Medien. Der Schwebezustand als Zwischenbereich wird also nicht nur thematisiert, sondern ist auch Kalkül und Formulierung. Die malerische Vorgangsweise der Reihe "Tektonik der Schwebe" wurde zum Konzept der Ausstellung, das die Polarität Formen annehmen lässt.