press release only in german

Thomas Zipp stellt seine Ausstellung in der Galerie Krinzinger unter das lateinische Motto "FLECTERE SI NEQUEO SUPEROS ACHERONTA MOVEBO", was auf deutsch etwa heißt: „Wenn ich die Götter der Oberwelt nicht bewegen kann, werde ich die Unterwelt bewegen“ (Zitat aus Vergils Aeneis). Zipp entnimmt das Motto der klassischen Schrift von Sigmund Freud „Die Traumdeutung“ von 1900, eine meist auf der Selbsterfahrung basierende Untersuchung aus dem Bereich der Schlaf- und Traumforschung. Die Abkürzung F.S.N.S.A.M., die auf einigen Fotoarbeiten auftaucht, bezieht sich auf die lateinische Version des Freud’schen Mottos.

In den Eingangsbereich der Galerie setzt Thomas Zipp in einer merkwürdigen, krakeligen Schrift, die der Tarnschrift einer Psychopathin nachempfunden ist, in englischer Sprache, eine Sequenz aus der Einführung zur Freuds Abhandlung „Das Unbehagen in der Kultur“ von 1935 :

„Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Menschen gemeinhin mit falschen Maßstäben messen, Macht, Erfolg und Reichtum für sich anstreben und bei anderen bewundern, die wahren Werte des Lebens aber unterschätzen. Und doch ist man bei jedem solchen allgemeinen Urteil in Gefahr, an die Buntheit der Menschenwelt und ihres seelischen Lebens zu vergessen. Es gibt einzelne Männer, denen sich die Verehrung ihrer Zeitgenossen nicht versagt, obwohl ihre Größe auf Eigenschaften und Leistungen ruht, die den Zielen und Idealen der Menge durchaus fremd sind. Man wird leicht annehmen wollen, dass es doch nur eine Minderzahl ist, welche diese großen Männer anerkennt, während die große Mehrheit nichts von ihnen wissen will. Aber es dürfte nicht so einfach zugehen, dank der Unstimmigkeiten zwischen dem Denken und dem Handeln der Menschen und der Vielstimmigkeit ihrer Wunschregungen.“

Mit der Ausstellung „Beyond the Superego“ knüpft Thomas Zipp gewissermaßen an die beiden vorherigen Projekte in Kassel 2010 und Innsbruck 2011 an und führt die Problematik seiner künstlerischen Untersuchungen im Bereich der Psychologie und Bewusstseinsforschung weiter. Im Kasseler Fridericianum, einem der ersten Museen und Forschungsstätten in Deutschland, verwandelte er die Räume der Kunsthalle in eine virtuelle psychiatrische Klinik mit zahlreichen „Nutzräumen“ wie gemeinsamen Schlafzimmern für die Insassen, Esszimmern, Bädern und Toiletten samt Gängen und einem Direktorenbüro. Es fehlte auch die psychiatrische Bibliothek nicht. Aber auch die Zwangseinrichtungen wie eine Gummizelle ließen an den Funktionen einer Nervenanstalt keinen Zweifel. In der Gesamtinszenierung ging es um die Grenzen zwischen der so genannten Normalität und dem Wahn, zwischen dem gesellschaftlichen Usus und der so genannten Verrücktheit. Fokussiert wurden hier die Mechanismen der Kontrolle über Individuen, die sich der Norm entziehen oder sie unterlaufen.

Einen Schritt weiter ging Thomas Zipp in seiner Ausstellung „The World’s Most Complete Congress of Ritalin Treatments“ im April/Mai dieses Jahres im Kunstraum Innsbruck. Während in Kassel die Besucher ihre eigenen Eindrücke beim Durchwandern der „psychiatrischen Anstalt“ erleben konnten, schuf Zipp in Innsbruck eine Art funktionierendes Labor für Bewusstseinserweiterung. Eine Installation mit Bänken, Stühlen, Skulpturen, Bildern, Hammond-Orgeln lieferte der Rahmen für eine eindruckvolle, durch Musik ergänzte Performance, an der junge „Priesterinnen“ mit Masken aktiv teilgenommen haben. In der Mitte befand sich der s.g. God-Helm, ein Apparat zur Verabreichung der von Computer gesteuerten magnetischen Gehirnströme.

Mit der Wiener Installation vertieft Thomas Zipp seine Untersuchungen, indem er den Radius seiner künstlerischen Strategie erweitert. In zwei gegenüberliegenden Räumen befinden sich zwei Laborsituationen mit „God-Helmen“ an denen jeweils eine Person mit elektromagnetischen Wellen stimuliert werden kann. Die Maschine ist an einen Computer angeschlossen, das Experiment richtet sich auf den Versuch der Gedankenübertragung. Ein dem klassischen Universitätsbetrieb nachempfundener Hörsaal, Zentrum des Wissens, evoziert die Wirkung auf die virtuellen Studenten, die in ihre Gehirne aufsaugen, was vorgetragen wird. Realisiert wird ein klinisches Labor mit Studiertischen, Stühlen, Bänken, Büchern und Lampen, die ein kahles Licht werfen.

Die ausgestellten Fotos zeigen die Experimente des Künstlers im Kunstraum Innsbruck und in der Galerie Krinzinger, die mit Akteurinnen durchgeführt wurden. Anzüge und Masken schützen ihre Anonymität, die bei einem mit Gedankenübertragung spielenden Experiment eine befreite Atmosphäre schafft. Gleichzeitig unterstreichen die Masken das Unheimliche an solchen Versuchen. Es verdeutlicht die Angst vor dem Übergriff von Maschine und Mensch auf das eigene Bewusstsein. Zipps Interesse an neurologischen Vorgängen stellt in weiterer Folge seine wiederkehrende Auseinandersetzung mit der Psychologie des Menschen dar. Das Gehirn als Zentrum der Sinne, Gefühle und Motivationen ist so komplex wie kein anderes im Reich der Lebewesen. Für Thomas Zipp gilt es diese Fragen zu verarbeiten und die Möglichkeiten des Erlebens und des Denkens zu zeigen. Die Gefahren des Missbrauchs werden hier ebenfalls thematisiert.

Zdenek Felix Emilie Kiefhaber