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Wieso Bartleby ?

Eine berühmte Symbolfigur vermeintlicher Verweigerung, Herman Melvilles störrischer Bartleby, als programmatisch lockender Verlagsname? Das verlangt einen genaueren Blick. "Bartleby, the scrivener" weckt im Leser ein überaus feines Gefüge komplexer Empfindungen und Reaktionen. Das leise-höflich-beharrliche Leitmotiv "I would prefer not to", anfänglich ein schüchternes Ostinato, ist anrührend, löst belustigtes, ja ungläubiges Erstaunen aus, bis es - zur triumphalen Selbstaufgabe eskalierend - den teilnehmenden Leser aufgewühlt zurückläßt.

Dergestalt zur "Ruhmesformel" (Gilles Deleuze) verdichtet, bietet sich die innewohnende Dialektik als willkommende Herausforderung für Bartleby & Co. Steigern läßt diese sich durch eine weitere Entdeckung, die im staubigen Kanzlei-milieu zu machen ist, wendet man sich Bartlebys Tätigkeit, dem Kopieren, zu. Kopieren? Beinahe ein Synonym für sture, gedankenlose Wiederholung; doch die Ödnis dieser Vorstellung kehrt sich sogleich ins Gegenteil, besinnt man sich der Wortbedeutung: Kopie, lat. copia - Menge, Fülle, reicher Vorrat, als Personifikation mit einem Füllhorn, Cornu copiae, dargestellt.

Welche Verheißung für ein Verlagsprogramm besonderer Art! Ins Leben gerufen von Thorsten Baensch, einem Künstler, der die Disziplin des Büchermachens mit der frei-schweifenden Phantasie des Malers, das Ungebundene mit dem im Wortsinn Gebundenen so miteinander zu vereinen weiß, daß daraus mehr entsteht als die Addition beider Komponeten: eine besondere Spezies, die nur unzulänglich zu benennen ist. Buchkunst, Künstlerbücher, Buchobjekte? Alles Festlegungen, die des besonderen Zaubers entbehren, welchen die hier vorgestellten eigensinnigen Kunstwerke in ihrer stimmigen, lebendigen Konfiguration entfalten.

Text und Bild, Bild und Text gehen ein nahezu osmotisches Verhältnis ein, sie durchdringen sich, streiten oder schmeicheln, ironisieren und beflügeln sich. Weder ist das Bild dem Wort dienstbar, noch ist der Text marginales Alibi für bildnerische Ausschweifung. Vielmehr steht beides in selbstbewußtem Dialog.

Die Haltung, die ein solches Konzept trägt, kündet von Wagemut, offenem und geschärftem Blick für Zufall und Notwendigkeit, von spielerischem Sinn für die Poesie des Nahe- und Abseitsliegendem. Handwerkliche Perfektion bändigt die überbordende Assoziation. Warm und lebendig liegt der feinkörnige, schimmernde Leineneinband von Richirs "Quadrature du Ciel" in der Hand, gefügig öffnen sich die Seiten und lassen die vertrackten Aphorismen, flankiert von Thorsten Baenschs Zeichnungen, wie Wunderkerzen aufleuchten. Luc Richir, der sprühende "Jargonaute", hat mit zwei Titeln konstituierende Kraft bei Bartleby & Co. Doch ganz ohne Fremdheit steht ihm "Glamour Girl" mit lakonischem Witz und spinnwebzartem Echthaar-Haarnetz zur Seite. Und Sophie Albrechts nach über zweihundert Jahren zu neuem Leben erweckten empfindsamen "Bunte Kinder schwarzer Nacht" gehen Hand in Hand mit Lao Tse, mit Adelbert von Chamisso oder Tim Staffel.

In stetig neuer Anverwandlung von Text und Bild sind Thorsten Baenschs Buch-Kunstwerke Lebensspuren.

Viva Bartleby. I would prefer to

Karin Girke

Pressetext

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Thorsten Baensch - Bartleby & Co