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Timm Rautert – seit 1993 Professor für Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig – studierte von 1966 bis 1971 bei Otto Steinert [1915–1978] an der Folkwangschule für Gestaltung in Essen. Das sich mit den Arbeitsprozessen immer schneller wandelnde Menschenbildnis, die Infragestellung des fotografischen Verfahrens und das Darstellungspotenzial der Fotografie bilden seitdem das Zentrum seines Interesses. Dabei kennzeichnet die Verbindung von angewandter und künstlerischer Fotografie sein Schaffen bis zur Ernennung zum Professor.

Schon während seines Studiums führen Rautert erste Auslandsreisen nach Japan und in die USA. Reportagen entstehen und erste Bilder erscheinen in deutschen Printmedien. Für das ZEITmagazin fotografiert er seit 1974 in enger Zusammenarbeit mit dem Journalisten Michael Holzach vorwiegend sozialkritische Themen – bis zu Holzachs Unfalltod 1983. Ihre Reportagen beeindrucken bis heute, Bild und Wort ergänzen sich kongenial. Ende der 1970er Jahre publiziert die Zeitschrift GEO eine umfangreiche Reportage über die in Kanada lebenden Hutterer – eine Fortführung seines Interesses an isoliert lebenden religiösen Minderheiten, denn bereits 1974 dokumentierte er das Leben der Amish in Pennsylvania. Parallel zur journalistischen Tätigkeit entstehen freie Projekte, wie Anfang der 1970er Jahre die Serie über Andy Warhols Factory oder der Werkzyklus „Bildanalytische Photographie“.

Der Mensch im Arbeitsprozess ist ein zentrales Motiv im Œuvre Rauterts. Er dokumentiert Arbeitswelten, welche durch Rationalisierungen vom „Aussterben“ bedroht sind. Daneben fokussiert er Produktionsprozesse in großindustriellen Strukturen. Eine erste Werkreportage führt Rautert als jungen Studenten 1968 in das Porschewerk in Zuffenhausen/Stuttgart. Später sucht er Holzschuhmacher oder Glockengießer unter dem Blickwinkel ‚aussterbender Berufe’ auf. Sein Interesse an der Produktion führt ihn später auch zu High-Tech Firmen wie Siemens, Nixdorf oder Hoechst. Dort, in den modernen, unterkühlt wirkenden Laborräumen dokumentiert Rautert das Verschwinden der menschlichen Arbeitskraft.

In Leipzig zu entdecken ist das komplexe Werk eines der renommiertesten Fotografen, das bisher nur in Teilaspekten ausgestellt war. Die Retrospektive reflektiert zugleich den Wandel fotografischer Mittel und die sich ändernde Rolle des Fotografen in den vergangenen 40 Jahren.

Den Katalog zur Ausstellung mit Beiträgen von Florian Ebner, Carolin Förster, Falk Haberkorn, Kerstin Stremmel und Brigitte Werneburg sowie kurzen Bildbetrachtungen von Lothar Altringer, Ulrich Krempel, Timm Rautert, Hans-Werner Schmidt, Inka Schube und Jeannette Stoschek ermöglichte die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung. 276 Seiten mit 71 farbigen und 120 s/w Abbildungen; Steidl-Verlag, Göttingen.

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Timm Rautert
Wenn wir dich nicht sehen, siehst du uns auch nicht.
Fotografien 1966-2006