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Timo Behn (*1973) ist seit 2007 Meisterschüler von Ottmar Hörl an der Nürnberger Kunstakademie und lebt und arbeitet in Berlin. Zu seiner seit 2007 entstandenen Werkgruppe der 'NEONEO-Paintings' – eine Begriffsfindung, die auf die Neo-Geo-Bewegung der 80er Jahre, aber ebenso auf die Verwendung von grellen Neonfarben anspielt – gehört auch das in der Ausstellung gezeigte Bild (Öl, Lack auf Leinwand, 280 x 195 cm, 2009). Im Gegensatz zu den gegenständlichen Themen in der Serie 'Funny-Paintings' arbeitet Timo Behn bei den 'NEONEO-Paintings' abstrakt. Die Komposition setzt sich ausnahmslos aus eckigen geometrischen Grundformen zusammen, die jeweils zur Gänze durch eine Farbe definiert sind. Nicht immer ist die Leinwand durch das Sujet nahtlos bedeckt – oft bleiben weiße Areale frei, um als paradoxes Indiz eines Informationsüberschusses zu agieren. Dort, wo zwei Felder aneinander stoßen, hat der Künstler teilweise die Kanten durch eine Konturlinie in einer dritten Farbe betont. Durch diese Hervorhebung des Linearen wird eine konstruktivistische, architektonische Tendenz in den Arbeiten erzielt. Vielfach überlagern sich die Farbformen; diese Überschneidungen bleiben manchmal transparent, an anderer Stelle kommt es zu deckenden Schichtungen. Auch die beiden Werkstoffe Lack und Acryl arbeiten in diesem Sinne. Sämtliche Exponate der Serie bestehen aus zwei gleich großen Leinwänden, die auf Stoß gehängt werden und so ein Tableau bilden, deren Strukturen partiell ihre Fortführung in der jeweils gegenüberliegenden Bildhälfte finden. Für Timo Behn ist diese radikale Zäsur in der Bildmittelachse die Fortführung einen Prinzips, das er bereits bei den 'Funny-Paintings' mit einem senkrechten Strich über die Bildfläche einführte. Er erreicht immer neue Varianten seiner Ausgangskomposition, indem er die Hälften dreht bzw. zwischen hoch- und querformatiger Hängung wechselt. Im Widerspruch zur kontrollierten und strengen formalen Anlage stehen der Duktus des individuellen Farbauftrags und die visuelle Bewegung und Dynamik, die die Arbeiten ausstrahlen. Bedingt durch die perspektivische Wirkung von hellen und dunklen, kalten und warmen Farben, organisiert das Auge des Betrachters das formale Angebot zu virtuellen Raumfragmenten. Es kommt zu einem beständigen Kippen, Zurückweichen und Vorwärtsdrängen einzelner Teile. Nicht nur in seinem Arbeitsprozess, der ein erneutes Bearbeiten eines beendeten Werkes regulär beinhaltet, verweigert Timo Behn damit das endgültige Bild. Und auf diese Weise verhalten sich seine Bilder analog zu seiner Definition von Wirklichkeit: als simulierte Konstrukte, die sich fortwährend unserem Zugriff entziehen.

Christian Berg (*1972) lebt und arbeitet in Köln. Von 1993 bis 1998 absolvierte er ein Graphikdesignstudium. Seit Abschluss seines Studiums an der Düsseldorfer Kunstakademie (2000–2004) ist er Meisterschüler von Georg Herold. Aus der schwarz-weißen, 250 Zentimeter hohen Betonplastik mit einem Durchmesser von ca. 17 cm ragen am oberen Ende Eisenstäbe heraus, mit denen die schräg an der Wand lehnende Arbeit Kontakt zum Galerieraum aufnimmt. Aufgrund ihrer Größe und des weiten Winkels, in dem sie ohne weitere Befestigungen an der Wand lehnt, erlebt der Betrachter sie als physisch sehr präsent, vielleicht sogar bedrohlich. Der Künstler verwendet die Materialien Holz, Sandstein und Beton; der Beton wird von Beginn an in Schwarz-, Weiß- und Grautönen in der Masse gefärbt – damit ist Farbe keine additive Oberflächenqualität, sondern substantielle Materialeigenschaft. Seit 2006 experimentiert Berg mit einem eingegrenzten Repertoire an bunten Farben wie Rot, Grün und Gelb. Die lakonische Schlichtheit der matten, inhomogenen Betonoberflächen, ihre Rohheit und Archaik fördern den strengen abstrakten Grundcharakter der Werke, können aber auch ambivalent wahrgenommen werden, da die Assoziation an das Material als aus dem Alltag bekannter Baustoff wie eine unterschwellige Tonspur mitläuft. Innerhalb des Œuvres findet man zwei Gruppen von Arbeiten: Symmetrische Strukturen, die eine Grundform – häufig kubischer Natur – multiplizieren sowie die komplexeren bzw. geschlosseneren 'Architekturen', die wegen der Identifikation als gegenständliche Wand-Dach-Fenster-Kombinationen und durch das 'Baumaterial' Assoziationen an Gebäude, Bunker etc. aufkommen lassen. Andere Werke des Künstlers wiederum erinnern im ersten Moment an das urbane Arsenal von Brücken, Grenzen, Straßenmarkierungen, Pfosten etc. Diese Bedeutungsfelder werden angerissen und berührt, in der tatsächlichen Konsequenz der Arbeit aber wieder verlassen und verfremdet, um die grundsätzlich abstrakte Verfasstheit des Œuvres zu behaupten. Schließlich fällt auf, dass die Plastiken von Christian Berg unterschiedliche Positionen an ihrem Ausstellungsort beanspruchen: Einige stehen autonom mitten im Raum, andere sind an die Wand gelehnt bzw. berühren sie mit einer Kante und artikulieren darin auch so etwas wie eine Gerichtetheit. Die zur Stabilisierung verwendeten Armierungseisen formt der Künstler an ihrer Austrittsstelle und integriert sie so in das Gesamtkonzept, teilweise belässt er sie wie bei der ausgestellten Arbeit in ihrem Zustand. Damit provoziert er den Eindruck des Unabgeschlossenen; auch die Spannung zwischen individueller Ganzheit und Modulcharakter klingt hier an.

Kerstin Fischer (*1981) lebt und arbeitet in Köln. Sie studierte von 2000–2006 an der Kunstakademie Düsseldorf bei Martin Gostner, Rita McBride und Jan Dibbets, dessen Meisterschülerin sie 2004 wurde. Das Werk von Kerstin Fischer, in dem sich Skulpturen, Objekte und Installationen ebenso finden wie Photographie, Zeichnung und Malerei, wirkt sehr klar, leicht, zart und verspielt, gleichzeitig reduziert und fast minimalistisch. In ihrer Herangehensweise legt die Künstlerin Wert auf eine möglichst konsequente Reduktion der bildnerischen Sprache auf elementare Formen. Ziel ist dabei, eine verbindliche Aussage über die Wirklichkeit zu leisten – oder auch die bestehenden 'Gesetze' zu kippen. Vermittelt die Künstlerin bei einem Teil ihrer Werke den Eindruck einer nahezu wissenschaftlichen Recherche, deren Ergebnisse in einem Mappenwerk festgehalten werden, trifft man an anderer Stelle etwa auf eine Arbeit aus drei bunten Luftballons oder auf zartfarbige, ephemere Aquarelle. Zur Klarheit der Form gesellt sich die Einfachheit der gewählten Materialien: Papier, Klebeband, Stoff etc. Ein durchgängiges Thema ist das Entwickeln von Strukturen, ihre Regelmäßigkeit sowie die geringfügigen, unauffälligen Abweichungen davon. Die Falte tritt als besondere Spielart dieser Auseinandersetzung auf. Sie ist Linie, in der sich zeitliche und räumliche Tiefe verbirgt. Vor diesem Hintergrund entfaltet sich die Dimension und ästhetische Kraft der neuen Wandarbeit (ca. 280 x 370 cm) der Künstlerin, die aus mehreren Schichten Wandfarbe, Seidenmalfarbe, Acrylfarbe und Bleistift eigens für die Galerieräume geschaffen wurde. Dieses differenzierte und detailreiche Werk aus malerischen Segmenten, Ritzungen und Pastellfarben im Kontrast mit Schwarz fordert zu genauer Wahrnehmung heraus. Wie ein zeitgenössisches Palimpsest breitet sich auf der Wand eine Formation aus, die aus der Ebene des Malgrundes nach vorne und hinten treibt, teilweise den Putz durchbricht und bis zum Mauerwerk vordringt. Die Künstlerin baut die Arbeit schichtweise auf, um sie dann partiell wieder aufzureißen. Es gelingt ihr dabei, an die äußerste Grenze einer Räumlichkeit der Fläche zu gehen, ohne illusionistisch zu werden. Das Auge sucht das Spiel der Farb- und Spachtelschichten, der gezeichneten und gekratzten Linien miteinander, ihr Aneinander- und Übereinanderlagern zu ordnen und trifft immer wieder auf eine Komposition, die an jeder Stelle plausibel, überraschend und dicht ist.

Gabriele Wurzel

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Timo Behn, Christian Berg, Kerstin Fischer