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GERHARD RÜHM Paradiesische Passage

Als ich eingeladen wurde, für einen öffentlichen Gebäudedurchgang im Wiener MuseumsQuartier eine Klanginstallation zu realisieren, wußte ich in den Grundzügen sehr schnell, was ich machen wollte: keine – womöglich elektronisch verfremdete – Geräuschbeschallung (wie man vielleicht hätte erwarten können), sondern etwas Sanftes, ja „Schönes“, das zum Hinhorchen, bestenfalls zum Verweilen animiert. Ich stellte mir spontan einen wohlklingenden, mehr lautlich als inhaltlich bestimmten Text vor, chorisch rezitiert von einschmeichelnden Frauenstimmen und durchsetzt mit musikalisch aus dem Text abgeleiteten Celestaklängen. Da der Durchgang zu den Museen naturgemäß auch von zahlreichen fremdsprachigen Besuchern frequentiert wird, dachte ich an einfache Sätze einer künstlichen Weltsprache. Ich schwankte anfangs zwischen Volapük, einer weitgehend vergessenen Apriorisprache, und der – auch kaum noch lebendigen – Aposteriorisprache Esperanto, die mit ihren Anleihen aus mehreren natürlichen Sprachen mannigfache semantische Assoziationen weckt, ohne dabei für den uneingeweihten Hörer einen eindeutigen Sinn zu ergeben. Man genießt daher primär ihren Wohlklang – eine Überlegung, die den Ausschlag für Esperanto gab. Der zwölfminütige, in Endlosschleife repetierte Textzyklus besteht, in Anspielung auf die Stundenzahl eines Tages, aus vierundzwanzig Sätzen, die in zwei Sechsergruppen, zwei Vierergruppen, zwei Zweiergruppen und zwei Einzelsätzen gegliedert sind. Die nach jeder Gruppe erklingende Celestasequenz basiert auf fünf übermäßigen Dreiklängen, die in zwei Ganztonkomplexen das Chromatische total umfassen. Diese den fünf Vokalen des Esperanto zugeordneten Akkorde zeichnen jeweils die Vokalabfolge des zuvor rezitierten Textteils nach. Was schon an den Worten musikalisch wirkt, wird hier gänzlich zu reinem Klang. Auf diese Weise entwickelt die Musik ein den Fluß der Sprache memorierendes Klangmuster. Das Ende eines Zyklus wird jeweils durch den Zusammenklang der fünf Sprachvokale mit den sie repräsentierenden Akkorden markiert. Eine belebte Passage wird so zu einem Ort der Beruhigung, der Besinnung auf harmonisierte Zeit. [Gerhard Rühm 2008]

Eröffnung - So 20.07.2008, 17h Täglich - daily 10–20h [–25.10.] TONSPUR_passage - MQ/q21 Wien

Begrüßung - Georg Weckwerth [TONSPUR] Einleitende Worte - Edelbert Köb [Direktor MUSEUM MODERNER KUNST Wien] Tonmischung - Martin Leitner [ORF KUNSTRADIO] Besonderer Dank - Chorgemeinschaft „Neu(n)gsang“ [Leitung: Johanna Hollenstein] Courtesy - Christine König Galerie, Wien

Tonspur-Künstler: Ulrich Kurt Kühn, Peter Szely, Andrea Sodomka, Christof Cargnelli, Klasse Bernhard Leitner (Oliver Bokan, Ferdinand Harnoncourt-Unverzagt, Miha Horvat, Hans-Jürgen Poetz), Andres Bosshard, Robert Jacobsen, Ulrich Eller, Norbert Math, Eva Ursprung, Sylva Smejkalova, Kalle Laar, Sigtryggur Berg Sigmarsson, Alvin Curran, Ulrich Troyer, Miki Yui, Miha Ciglar, Hans Peter Kuhn & Junko Wada, Michael Graeve, Werner Reiterer, Robin Rimbaud aka Scanner, Davide Balula, Terry Fox, Julius Deutschbauer, Tilman Küntzel, Gerhard Rühm.

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TONSPUR 25
Paradiesische Passage, 2008
Gerhard Rühm
TONSPUR für einen öffentlichen raum
Klangarbeiten im MuseumsQuartier Wien
Ein Projekt von Georg Weckwerth und Peter Szely