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Das Museion und die Sammlung Goetz präsentieren

Tutto. Perspektiven italienischer Kunst
Ausstellungsdauer: 13.10.2018 – 24.03.2019

Eröffnung: 12.10.2018 19:00 Uhr
Videoprojektion auf der Medienfassade:
„Dadamaino – Ricerca uno”, 22.00 – 24.00 Uhr
 Künstler_innen der Ausstellung:
Carla Accardi, Vincenzo Agnetti, Giovanni Anselmo, Nanni Balestrini, Gianfranco Baruchello, Alighiero Boetti, Agostino Bonalumi, Luciano Caruso, Enrico Castellani, Giuseppe Chiari, Giorgio Ciam, Dadamaino, Giuseppe Desiato, Luciano Fabro, Lucio Fontana, Luigi Ghirri, Emilio Isgrò, Marcello Jori, Ketty La Rocca, Arrigo Lora-Totino, Piero Manzoni, Elio Mariani, Plinio Martelli, Stelio Maria Martini, Fabio Mauri, Maurizio Nannucci, Ugo Nespolo, Germano Olivotto, Giulio Paolini, Claudio Parmiggiani, Giuseppe Penone, Gianni Pettena, Michelangelo Pistoletto, Salvatore Scarpitta, Paolo Scheggi, Mario Schifano, Franco Vaccari, Emilio Villa, Michele Zaza 
Kuratiert von:
Ingvild Goetz, Leo Lencsés, Karsten Löckemann, Letizia Ragaglia, Elena Re 
 Faszinierend, facettenreich und tiefgründig: so lässt sich die italienische Kunst definieren, die ab 13. Oktober 2018 im Rahmen der Ausstellung Tutto präsentiert wird. Zu sehen sind mehr als 100 Werke – vorwiegend Gemälde und Fotoarbeiten – von mehr als 30 italienischen Künstlerinnen und Künstlern, die in der Sammlung Goetz und der Sammlung Museion vertreten sind. Die Werke sind im Wesentlichen zwischen den frühen 1950er und dem Ende der 80er Jahre entstanden. Die auf Italien fokussierte Ausstellung Tutto ist nach When Now is Minimal (2013) und Fotografisches Porträt zwischen Anteilnahme und Entfremdung (2017) die dritte Kooperation der beiden Sammlungen. Im Sommer 2019 wird Tutto dann in der Sammlung Goetz gezeigt, die damit zum ersten Mal in ihrer Geschichte in ihren eigenen Räumlichkeiten einen Dialog mit einem so umfangreichen Werkkorpus aus einer anderen Sammlung eingeht.

Die in Tutto gezeigten Werke stammen ausschließlich aus den Beständen der beiden Sammlungen, die jeweils auf eine ganz unterschiedliche Geschichte zurückblicken. Hier die außergewöhnliche Leidenschaft einer privaten Sammlerin, Ingvild Goetz, die Entwicklungen immer früh erkannte und Künstlerinnen und Künstler entdeckte und sammelte, bevor sie sich auf dem Markt durchsetzten. Dort das Museion, ein öffentliches Museum an der Schnittstelle zwischen mediterranem und nördlichem Kulturraum, das seit Jahren die Auseinandersetzung mit experimentellen Kunstformen abseits des Mainstreams sucht. Das Resultat des Dialogs dieser beiden Sammlungen ist eine Zusammenschau der wichtigsten Strömungen italienischer Kunst seit dem Zweiten Weltkrieg. Ergänzt wird die Ausstellung von einer umfangreichen Auswahl dokumentarischer Materialien aus den Archiven der beteiligten Künstlerinnen und Künstler. Die Vielzahl unterschiedlicher Elemente -Fotografien, Plakate, Einladungen, Arbeitsnotizen, Objekte- lässt ein facettenreiches Gesamtbild entstehen.

Ausgehend von der Vorstellung des zweidimensionalen Werkes, stellt Tutto diese nach und nach in Frage. In diesem Sinn führen Lucio Fontanas „Concetto spaziale“ von 1954 und Alighiero Boettis Werk „Tutto“ von 1988, das der Ausstellung den Namen gegeben hat, in die Ausstellung ein. Die Überwindung der zweidimensionalen Leinwand im Zeichen eines mentalen und kosmischen Raumes vollzieht sich exemplarisch in Fontanas Raumkonzepten. Diese stellen einen zentralen Bezugspunkt für eine Reihe wichtiger experimenteller Positionen der Nachkriegszeit dar. Die Ausstellung bietet einen Einblick in verschiedene Ansätze, die das Konzept der Öffnung, der Ausweitung bzw. Überwindung der Zweidimensionalität miteinander verbindet. Die gezeigten Positionen reichen von den Leinwandexperimenten Carla Accardis, Enrico Castellanis und Agostino Bonalumis, die letztlich auf Auslöschung der Malerei und endlose Wiederholung zielen, bis zu Manzonis Material-Experimenten und damit zur Überwindung der Idee der Oberfläche und zur Entmaterialisierung der Malerei.

Alighiero Boettis Werk „Tutto“ hingegen verweist auf einen anderen zentralen Aspekt der Ausstellung: die Vorstellung einer Totalität und einer Vielgestaltigkeit der Erscheinungen, die das menschliche Fassungsvermögen übersteigen. Der Ausstellungstitel Tutto verweist auf eine Vielfalt, die für das Werk zahlreicherer Vertreter der italienischen Kunst seit den späten 1960er-Jahren bezeichnend ist, vor allem solcher Künstler und Künstlerinnen, die sich mit dem Medialität des Bildes auseinandersetzen. Das zeigt sich exemplarisch in den Bildflächen Mario Schifanos und Fabio Mauris, aber auch in den verspiegelten Oberflächen von Michelangelo Pistoletto.

Angesichts der in den 1960er Jahren in Italien geführten kommunikationstheoretischen Debatte sind in der Ausstellung auch zwei Sektionen angelegt: die eine setzt sich mit der experimentellen Fotografie auseinander, die andere ist der Beziehung zwischen Bild und Text und der Visuellen Poesie gewidmet. Die Bild-Text-Sektion repräsentiert einen Schwerpunkt der Sammlung Museion bzw. das von Paolo Della Grazia dem Museion als Dauerleihgabe überlassene Archivio di Nuova Scrittura. In den 1960er Jahren reagiert die Visuelle Poesie auf die mediale Entwicklung der Gesellschaft und wird von Künstlerinnen und Künstlern eingesetzt, die in ihrer Hybridität nicht leicht zuzuordnen sind. Neben Arbeiten von visuellen Dichtern wie Nanni Balestrini, Luciano Caruso, Emilio Isgrò, Arrigo Lora-Totino, Stelio Maria Martini und Emilio Villa zeigt die Ausstellung auch Werke von Künstlern, die intensiv mit Schrift arbeiten wie Gianfranco Baruchello, Giuseppe Chiari, Maurizio Nannucci, Claudio Parmiggiani und Franco Vaccari.

Die Fotosektion der Ausstellung enthält vorwiegend Arbeiten aus der Sammlung Goetz. Sie dokumentiert wie die Fotografie zwischen 1960 und 1970 oft als konzeptuelles oder poetisches Manifest fungiert. Die einzelnen Positionen sind oft nur schwer zuzuordnen, am ehesten lassen sie sich unter dem Überbegriff konzeptuelle Kunst subsummieren. Neben bedeutenden Wiederentdeckungen präsentiert die Ausstellung Werke namhafter Künstler und Künstlerinnen: der Bogen reicht u.a. von Giorgio Ciams Transformationen, Marcello Joris Abenteuern und der Land Art eines Germano Olivotto über die Performances von Giuseppe Desiato, Elio Marianis Mec Art und Plinio Martellis Body Art bis zu Ketty La Roccas visueller Poesie und zur Narrative Art eines Michele Zaza.

Zur Ausstellung erscheint im Verlag Hatje Cantz ein von Ingvild Goetz, Leo Lencsés / Karsten Löckemann (Sammlung Goetz, München) und Letizia Ragaglia (Museion, Bozen) herausgegebener Katalog (dt/it/eng) mit Texten von Martina Angelotti, Frida Carazzato, Barbara Casavecchia, Laura Cherubini, Marion Damiani Piffer, Eva Fabbris, Ingvild Goetz, Andreas Hapkemeyer, Leo Lencsés, Karsten Löckemann, Letizia Ragaglia, Elena Re. In Zusammenarbeit mit der Sammlung Goetz