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Eröffnung: Freitag, 04. September 2009 um 18 Uhr

"Hinter den Gitterstäben des Tierkäfigs kristallisieren sich alle Aspekte der Beziehung des Menschen zur Natur: Abscheu und Faszination, der Wille zur Aneignung, zur Beherrschung und zur Erkenntnis, die allmähliche Anerkennung der Komplexität und Eigenart verschiedener Lebensformen und vieles mehr. Der Mikrokosmos des Zoos steht somit in enger Verbindung zur Geschichte anderer neuzeitlicher Phänomene wie der Kolonisierung, dem Ethnozentrismus und der Entdeckung des Fremden, der Zivilisierung des Menschen, der Entstehung von Kultur- und Gedenkstätten, wie etwa Museen, oder der Freizeitentwicklung. Der Blick in einen Tierkäfig erlaubt uns also, eine ganze Gesellschaft zu verstehen." E. Baratay und E. Hardouin-Fugier: Zoo - Von der Menagerie zum Tierpark, Wagenbach, Berlin 2000

Ulrich Gebert (*1976) geht in seinen metaphorischen Bild-Zyklen und Serien dem Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt, konkret der Natur – ob zivilisiert oder unberührt – nach. Er folgt dabei allerdings nicht dem 'romantischen' Verständnis einer Wiedervereinigung von Kultur und Natur, sondern illustriert formal und inhaltlich einen Hintergrund für die kritische Befragung unserer Lebensverhältnisse. "Wie schreibt sich der Einzelne oder eine Gesellschaft in ihren Lebensraum ein?", lautet die Frage. Ordnung, Hierarchie, Machtverhältnisse, Kategorisierung, Funktionalisierung und Instrumentalisierung sind Begriffe, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen. Ulrich Gebert findet Bilder, die hierüber Auskunft geben und etwas transportieren was sich nur schwer in Sprache übersetzen lässt. Dabei wählt er aus der Vielfalt der fotografischen Möglichkeiten je nach Kontext eine dokumentarische, inszenatorische, stilllebenartige oder auf gefundenem Material basierende Darstellungsweise aus. In seinem Ansatz verbinden sich beinahe wissenschaftliche Neugier mit subjektiver Überhöhung und präziser Intensivierung des jeweiligen Sujets. In Hinblick auf den Betrachter vertraut Gebert auf die psychologische Kraft der Bilder und die Ästhetik ihrer Präsentation.

Seine aktuelle Arbeit 'Life among Beasts' steht in Verbindung mit früheren Zyklen wie 'Typus' (2005) oder 'Soft Land' (2007). Auf den ersten Blick bietet sich dem Betrachter ein ungewohntes Spiel einzelner Teilformen und abstrakter Informationen, die in losen Tableaus zusammengestellt sind. Der visuelle Gewöh-nungsprozess offenbart dann schrittweise die formalen und konzeptuellen Zusammenhänge, indem er sie bestehenden Kategorien zuzuordnen versucht. Das Resultat aber ist verstörend und entspricht nicht dem, was man erwartet oder sich vielleicht gewünscht hätte. Eindrücke drastischer Brutalität wechseln mit ungelenker Zärtlichkeit und absurder Komik. Diese Stimmung wird in einer installativen Arbeit folgerichtig im Raum weitergeführt. Eine Anzahl antiquarischer Tierkäfige stehen im Dialog mit den Bildern an der Wand. Gebert hat in diese 'Lebensräume' neue Räume gebaut; fiktive, abstrahierte Landschaften wie sie dem kollektiven Gedächtnis aus Naturkundemuseen oder zoologischen Gärten vertraut sind. In der Abstraktion dieser 'Landschafts-Architekturen' offenbart sich zwangsläufig der Gedanke des Modells: es geht um die 'Welt im Kleinen', Verständnis des Wilden, Sammeln und zur Schau stellen und in letzter Konsequenz um Kontrolle.

Unübersehbar ist in diesen 'Mikrokosmen' – und analog dazu auf den Tableaus an der Wand – die Geste der gewaltvollen Aneignung im Sinne der Ordnung und Kultivierung. Diese wird aber sogleich mittels einer deutungsoffenen Ästhetik und klaren Komposition als ästhetisch erfassbar präsentiert.

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Ulrich Gebert
Life among Beasts