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Das Atelier Augarten, Zentrum für zeitgenössische Kunst der Österreichischen Galerie Belvedere widmet Ulysses, dem Roman von James Joyce, einem Klassiker der Weltliteratur, eine Ausstellung mit Beiträgen zeitgenössischer Kunst.

Anlass ist die hundertjährige Wiederkehr des sogenannten Bloomsday, jenem zugleich fiktiven und historischen Tag, an dem der Roman spielt. Entstanden zwischen 1914 und 1921, ist „Ulysses“ eine Erzählung von einmaliger Komplexität und sprachlicher Beziehungsvielfalt. Achtzehn Episoden lang begleitet Joyce seine Hauptfiguren auf ihren Wegen durch die Stadt Dublin. In detailreichen Episoden, die jeweils eine eigene literarische Besonderheit auszeichnet, verfolgen wir das Leben der Protagonisten: des Anzeigenagenten des „Freeman`s Journal“, Leopold Bloom, seiner Frau Molly und des jungen Lehrers und Schriftstellers Stephen Dedalus. Stets durchziehen das minutiös konstruierte Werk offene bzw. verdeckte Anspielungen auf sein antikes Vorbild, die „Odyssee“ von Homer. An Vielschichtigkeit der Bedeutung, an Differenziertheit der Erzähltechniken, an Motiv- und Symbolfülle ist der Roman in der Literatur des 20. Jahrhunderts eine einzigartige Quelle: Epos, Chronik, Drama, Reportage, Essay und Entwicklungsroman zugleich.

Das Vorhaben: James Joyce übte mit seinem grandiosen Werk eine besondere Wirkung auf die Entwicklung modernen Kunstverständnisses aus. Er setzte nicht nur Maßstäbe für das nachfolgende literarische Schaffen, sondern inspirierte auch viele bildende Künstler. Die Ausstellung im Atelier Augarten nimmt sich dieser eher unbeachteten Tradition an. Bislang gab es keine derartige Zusammenfassung und Erarbeitung bildkünstlerischer Antworten auf das Buch. Das Jubiläum des Bloomsday im Juni 2004 gibt dazu den hervorragenden Anlass.

Die KünstlerInnen: Neben Werken von Joseph Beuys, Man Ray, Edith Clever / Hans-Jürgen Syberberg, Lawrence Weiner und Franz West werden auch jüngere Positionen zeitgenössischer Kunst wie Deutschbauer / Spring (A), Cerith Wyn Evans (GB), Koo Jeong-A (KOR/F), Birgit Jürgenssen (A), Isabell Heimerdinger (D), Jonathan Monk / Douglas Gordon (GB), Raymond Pettibon (US) oder Markus Schinwald (A) vorgestellt.

Die Projektidee: Die Ausstellung versammelt ausschließlich Werke der bildenden Kunst. Ihr Ziel ist die Rezeption des Literarischen innerhalb der Ausdrucksmöglichkeiten visueller Kunst. Die Ausstellung im Atelier Augarten kann und will daher literaturkritische Forschung nicht ersetzen. Vielmehr zielt sie auf eine Erweiterung von deren Perspektive. Von Anfang an versteht sie sich als visuelles Kompendium, das zwar auch Fakten und Hintergrundinformationen liefert, jedoch vor allem als visueller Leitfaden zum wichtigsten Roman des 20. Jahrhunderts dienen möchte. Aus dem Blickwinkel gegenwärtigen Kunstschaffens mögen sich Neugierige und Liebhaber ebenso angesprochen fühlen, Laien solide Verstehenshilfen finden und Experten ungeahnte Interpretationen antreffen.

Das Konzept: Konkret fragt die Ausstellung nach den Bedingungen der Übersetzbarkeit einer literarischen Vorlage in das Zeichenrepertoire bildender Kunst. Am Beispiel des „Ulysses“ werden Fragen zur Korrespondenz von Bild und Text erörtert. Welche Themen, Strukturen, und Elemente des Buches lassen sich in bildnerisches Vokabular übertragen? Wie können Lesevollzug, Interpretationen, und Rezeptionen angemessen in eine bildkünstlerische Fassung einfließen? Worin besteht die Wirkung dieses herausragenden Stückes Weltliteratur, und wie können Mythen im und rund um den „Ulysses“ visuell zum Tragen kommen? Aus diesen und verwandten Fragestellungen wird klar, dass eine nur nachbildende Deutung der erzählten Ereignisse im „Ulysses“ (davon wären sicherlich genug im Text beschrieben) nicht beabsichtigt ist. Angestrebt und von den KünstlerInnen gefordert ist eine Art der individuellen Fortführung der Eigentümlichkeit dieser Erzählung mit anderen Mitteln. Nicht Illustration, sondern Interpretation, nicht Nachbildung, sondern Fortschreibung des Textes. Joseph Beuys hatte eine solche Leseweise angedeutet. Der Titel eines Skizzenheftes: „Joseph Beuys verlängert im Auftrag von James Joyce den Ulysses um sechs weitere Kapitel“ vermag exemplarisch diesen Ansatz der Fortsetzung anzudeuten. Weil ein komplettes Verstehen angesichts der motivischen und sprachlichen Fülle unmöglich erscheint, empfiehlt sich also eine offene Rezeptionshaltung und ein Verständnis, das zu vielen verschiedenen, durchaus auch konträren Antworten inspiriert.

Der Titel: In der Einleitung zu „Proteus“ findet sich eine Passage, in der Joyce auf das Sehen Bezug nimmt. Die berühmte Absatz vermag eine Ahnung über die Art und Weise literarischer Aneignung zu geben, in welcher Weise das brillante Buch Sehen, Blick und erkennende Wahrnehmung interpretiert. Als „unausweichliche Modalität des Sichtbaren“ („Ineluctable modality of the visible“ p.42/S. 53) skizziert Joyce (s)ein Denken, in dem Körperliches in Erscheinung treten kann. Unhintergehbar an dieser Art der Wahrnehmung ist die Verbindung von Sehen und Erkennen, von Lesen und Sichtbarmachung. Damit wird die Redewendung zum Motto des Ausstellungsvorhabens: Bild und Text, Sicht- und Leseweise zu verschränken.

Künstlerische Beiträge von: Joseph Beuys Edith Clever / Hans Jürgen Syberberg Deutschbauer / Spring Cerith Wyn Evans Birgit Jürgenssen Isabell Heimerdinger Koo Jeong-A Jonathan Monk / Douglas Gordon Raymond Pettibon Man Ray Markus Schinwald Lawrence Weiner Franz West

Ulysses. Das Buch Thomas Trummer (Hg.) Ulysses. Die unausweichliche Modalität des Sichtbaren Mit einer Einführung in alle achtzehn Kapitel

Zur Ausstellung erscheint ein etwa 300-seitiger, reich bebilderter Band. (Format A 5) In drei Abschnitte gegliedert, wendet er sich sowohl an den Erstleser als auch an den interessieren Laien und Kenner des „Ulysses“.

Der erste Abschnitt widmet sich der Dokumentation der künstlerischen Beiträge. Originalzitate sowie Beiträge unter anderem von Anina Huck, Heike Maier, Sebastian Huber, Thomas Trummer und Annika Werner stellen jeweils den Bezug zu „Ulysses“ auf einfache und didaktische Weise her.

Der zweite Teil ist der der theoretischen Erörterung des Themas vorbehalten. Thomas Trummer gibt Einblick in die Ausstellung, ihre Werkauswahl und Zusammenstellung sowie über die Grundzüge der Themenstellung: die Befragung der Rolle des Visualität in „Ulysses“. Der bekannte französische Kunsthistoriker Georges Didi-Huberman analysiert detailreich jene Passage des „Proteus“-Kapitels, in dem Stephen, einer der beiden tragenden Figuren des Romans, den Phänomenen der sinnlichen Wahrnehmung nachspürt. Für Didi-Huberman ist diese Text Belegstück für seine generelle These, dass nichts, was wahrgenommen wird, nicht auch uns dabei entgegenblickt. In einem zweiten wissenschaftlichen Beitrag verfolgt Rainer Metzger ausgehend von der selben Passage, die der Ausstellung auch den Titel gibt, den Vergleich zwischen den Künsten. Die Debatte um die Vorherrschaft der Literatur wird angesprochen und die Theatralität des Kunstwerkes während der Moderne. Sara Danius schließlich, Literaturhistorikern aus Uppsala, Schweden, beschäftigt sich mit literarischen Charakterisierung des Sehens und cinematografischer Erzählweise im Roman.

Im letzten Teil finden sich Kurzfassungen aller achtzehn Kapitel des historischen Romans. Aufgearbeitet und mit historischen Abbildungen der Stadt Dublin werden die Grundzüge der Erzählung als Fibel für besseres Verstehen oder als Einstiegshilfe für den Erstleser.

Biographie JOYCE, James Augustine (Aloysius), irischer Schriftsteller, 2.2. 1882 in Rathgar (Dublin) als zweites von elf Kindern des John Stanislaus Joyce und der Mary (May) Murray, + 13.1. 1941 in Zürich. Schul- und Studienzeit des jungen J. waren u. a. geprägt von den Lehren und Ideen seiner jesuitischen Lehrer. 1888 wurde er Schüler des Jesuiten-Colleges Clongowes Wood in Salins, Co.Kildare, das auch als »Eton Irlands« bekannt war, 1893 Zögling des jesuitischen Belvedere College in Dublin, nachdem er im Jahr zuvor kurz die Ordensschule der Christian Brothers in Dublin besucht hatte. Schon während seiner Schulzeit galt J. als überdurchschnittlich begabt und war bei Lehrern und Mitschülern gleichermaßen beliebt. 1898 immatrikulierte er sich am Royal University College, einer ursprünglich rein katholischen Institution. 1902 erwarb er dort den Grad eines »Bachelor of Arts«. J.s diverse Berufspläne, u. a. wollte er zunächst in Dublin, dann in Paris Medizin studieren, führten zu keinem Ziel. 1904 verließ er zusammen mit seiner Lebensgefährtin Nora Barnacle Dublin, um dem beschränkten geistigen Klima seiner Heimat zu entfliehen, das ihn bei der Erfüllung seiner künstlerischen Sendung zu stark beengte. Von 1904 bis zu seinem Tod 1941 in Zürich lebte die Familie (Sohn Giorgio 1905, Tochter Lucia 1907) abwechselnd in Triest, Paris und Zürich. J.s geistige Entwicklung war beeinflußt von zwei ganz unterschiedlichen Seiten. Zum einen wuchs er in der von Nationalismus und Antiklerikalismus geprägten Tradition der väterlichen Familie auf. Sein Vater war ein großer Verehrer des Führers der Home Rule Bewegung, Parnell, der 1891 gestürzt wurde. Der junge J. machte die katholische Kirche für den Sturz seines Idols verantwortlich, was er als Neunjähriger eindrucksvoll in dem Gedicht »Et Tu, Healy« beschreibt. Seine desolate familiäre Situation verarbeitet J. in vielen Szenen seiner stark autobiographisch gefärbten Werke, stellt sie als typisch irisch dar: ein in allen Belangen stets versagender Vater, eine fromme und treu ergebene Mutter, die vergeblich gegen den sozialen Abstieg der Familie ankämpft, gleichzeitig aber Opfer und Komplizin dieses Mannes ist. - Die Ideen und Lehren der jesuitischen Lehrer und Erzieher wurden zum zweiten bestimmenden Faktor in J.s Entwicklung. Die zunächst ungeteilte Bewunderung für seine Lehrmeister und ihre Gelehrsamkeit weicht der Desillusionierung und der Suche nach neuen Identifikationsmöglichkeiten - ausgelöst durch die Wahrnehmung einer den Bewunderten innewohnenden doppelten Moral: Religion mit Demut und Gehorsam versus beobachtbare Praxis jesuitischen Lebens, die diplomatisch-pragmatischen Verhaltensweisen standen konträr zu ihrer idealistischen Lehre. Enttäuscht von Priestern und den praktischen Auswirkungen der Religion macht J. sich auf die Suche nach dem Kern der Wahrheit und Schönheit. Religion sieht er nur noch als Ersatz für die Kunst an, die Priester als Usurpatoren des Platzes der Künstler. - J.s Werk zeichnet sich aus durch den experimentellen Gebrauch der Sprache und durch die Begründung neuer literarischer Methoden. Inhaltlich bewegt er sich von autobiographisch gefärbten Beschreibungen der irischen Lebensart bis zur Verarbeitung klassischer Stoffe (z. B. Odysseus). Insgesamt stellen seine Werke eine bleibende literarische Herausforderung dar. *Nach Ursula Hoffacker

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Ulysses - Die unausweichliche Modalität des Sichtbaren
Der Roman von James Joyce in der zeitgenössischen Kunst
Kurator: Thomas D. Trummer

Künstler: Joseph Beuys, Edith Clever / Hans Jürgen Syberberg, Julius Deutschbauer & Gerhard Spring, Cerith Wyn Evans, Birgit Jürgenssen, Isabell Heimerdinger, Koo Jeong-a, Jonathan Monk / Douglas Gordon, Raymond Pettibon, Man Ray, Markus Schinwald, Lawrence Weiner, Franz West, Deutschbauer / Spring