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Eröffnung: Freitag, 10. Januar 2003, um 19 Uhr

Die erste Ausstellung des Jahres 2003 verzahnt künstlerische Positionen im Medium Video aus Deutschland, England, Israel, Jugoslawien, Österreich und Russland miteinander, die sich mit Verstößen gegen Regeln und Werte innerhalb einer Zivilisation, aber auch mit Konflikten zwischen den Zivilisationen beschäftigen. Schon durch die Benutzung der Vokabeln „collisions“, „zivilisatorisch“ und „Konflikt“ stellt sich die Erwartung ein, dass die Werke der Ausstellung sich — wie es weitgehend für die Kunst seit den 90er Jahren kennzeichnend ist — im Kontext ihrer gesellschaftlichen Umgebung verorten. Die Arbeiten verbindet dabei eine dem Thema adäquate Metaphorik im Sinne der Reflexion auf die Möglichkeit der Kunst, durch kontextuelle Verschiebungen und transitorische Prozesse alternative Denkstrukturen zu befördern. Ihr Ausgangspunkt ist daher nicht der Glaube an den Wahrheitsgehalt der Bilder, sondern vielmehr das Bewusstsein für ihre Reversibilität. Somit ist die Herangehensweise an die soziokulturelle Fragestellung zum Thema der zivilisatorischen Konflikte eine dezidiert konzeptuelle.

Pash Buzari arbeitet in seiner Videoinstallation walking through green grass mit den Motiven von Autounfall und Verfolgungsjagd, indem er Zitate aus einem Computerspiel mit Fragmenten aus David Cronenbergs Kinofilm Crash von 1996 verschränkt. Die Grenzen der verschiedenen „Realitäten“ lösen sich dabei auf, so dass eine Kontinuität zwischen den Wirklichkeitsebenen entsteht.

Die Arbeit When I grow up I want to be a cooker (1998) von Maria Marshall zeigt einen kleinen Jungen — einen der Söhne der Künstlerin — in slow motion, der genussvoll eine Zigarette raucht, wobei sich der Raum in dem 19 Sekunden dauernden loop mit Rauch füllt, bis der kleine Junge in diesem verschwunden ist. Die Tatsache, dass Maria Marshall den Konsum von Suchtmitteln durch einen Zweijährigen in superästhetische Bilder fasst, lässt die Verletzung einer gesellschaftlichen Norm umso deutlicher hervortreten.

Zoran Naskovski wurde zu seiner Arbeit Death in Dallas durch eine Plattenaufnahme zweier Guslaspieler inspiriert, die ein traditionelles episches Volkslied über das Ereignis des Attentats auf John F. Kennedy im November 1963 singen. Naskovski kombiniert die Schallplattenaufnahme vom Lied der Guslaspieler auf der Bildebene mit Dokumentaraufnahmen der Geschehnisse in Dallas, wie wir sie aus dem TV kennen. Wie in einem Palimpsest kollidieren die verschiedenen Ebenen von Geschichtsschreibung aus unterschiedlichen kulturellen Hintergründen miteinander.

Für die Arbeit Polka filmten Maria Serebriakova & Rudi Molacek während einer Reise durch Mexiko in einem Hotel in Oaxaca eine Gruppe von Volkstänzern in aufwändigen traditionellen Kostümen mit gigantischem Feder-Kopfschmuck, die eine traditionelle Polka tanzen. Für den europäischen Blick und ohne Kenntnis des historischen Einflusses des französischen und vor allem des österreichischen Adels auf die mexikanische Volksmusik scheinen sich hier zwei grundsätzlich fremde kulturelle Elemente in absurder Weise zu mischen.

In Dmitry Vilenskys Eine Mark kommen Filmaufnahmen von einem Flohmarkt in Frankfurt am Main zum Einsatz, in denen verschiedene Händler, vornehmlich arabischer und türkischer Herkunft, ihre Waren durch kehliges Rufen des Preises anbieten. Die Stimmen der Händler werden durch Tonmanipulationen zu einem vielstimmigen Chor mit ritueller Anmutung. Der Blick der Kamera bzw. der Akt des Sehens birgt einen gewissen Voyeurismus in sich, wobei uns Vilensky zu Komplizen dieses penetrierenden Blicks auf den Anderen macht und diesen gleichzeitig entlarvt.

Die Videoarbeit Infinity von Uri Tzaig kreist — wie es für sein Werk typisch ist — um den Komplex der Aussetzung von alten und der Schaffung von neuen Regeln für Spiele, insbesondere für den Sport. Infinity basiert auf einer Performance, die er mit einer professionellen Tanzgruppe in Montpellier inszeniert hat. Eine Gruppe von zehn Männern und Frauen, alle in den gleichen roten Anzügen, spielt einander einen Ball zu, ohne dass klare Regeln oder eine Einteilung der Spieler in Mannschaften zu erkennen wären.

Zur Ausstellung Urban Collisions, mit der der Neue Berliner Kunstverein eine neue Ausstellungsreihe seines Video-Forums beginnt, die sich ausschließlich der Videokunst widmet, erscheint ein Katalog (deutsch-englisch, 64 Seiten) mit zahlreichen Abbildungen sowie Texten von Kathrin Becker, Christoph Doswald, Viktor Misiano, Zoran Naskovski, Robert Punkenhofer, Antje Weitzel und Mirjam Wenzel.

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Urban Collisions
Zivilisatorische Konflikte im Medium Video

mit Pash Buzari, Maria Marshall, Zoran Naskovski, Maria Serebriakova & Rudi Molacek, Uri Tzaig, Dmitry Vilensky