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URSULA MAYER erhält MSGR. OTTO MAUER PREIS 2007

Otto Mauer Fonds vergibt die mit 11.000 Euro dotierte Auszeichnung zum 27. Mal. Diesjährige Preisträgerin ist die in Oberösterreich geborene und heute in London lebende Künstlerin Ursula Mayer. Prämiert wird das gesamte bisherige Werk österreichischer Künstlerinnen oder Künstler unter 40 Jahren.

Der Preis wird von Weihbischof Dr. Franz Scharl am Mittwoch, den 14. November 2007, um 19.30 Uhr in den Festräumen des Erzbischöflichen Palais, Wollzeile 2, 1010 Wien an Ursula Mayer übergeben.

Vom 16. bis 30. November 2007 präsentiert Ursula Mayer im Rahmen einer Ausstellung im JesuitenFoyer, Bäckerstraße 18, 1010 Wien ausgewählte Arbeiten. Die Eröffnung findet am Donnerstag, den 15. November 2007, um 19.30 Uhr statt. Der Eintritt ist frei. (Ausstellungsöffnungszeiten: Mi – Sa 13.00 – 18.00 Uhr, So 10.30 – 12.30 Uhr)

Begründung der Jury „Überzeugend für die Jury war die Einreichung von Ursula Mayer als eine filmische Position zwischen Fiktion, Dokumentation und Inszenierung. Die Künstlerin arbeitet in ihren installativen Filmprojektionen mit räumlichen und atmosphärischen Situationen und entführt den Betrachter in das kühle, klare Ambiente von moderner Architektur. Im Gegensatz dazu wirken die in dieser Architektur sich bewegenden Frauen eigenartig vorläufig, unbestimmt und vage. Es wird ein Beziehungsgeflecht zwischen der Erzählung des Raums und dem inneren Monolog der Darstellerinnen hergestellt. Alles bleibt innen oder kehrt immer wieder ins Innere zurück. Das gilt für die Darstellung der Architektur genauso wie für die Darstellung der Frauen. Diese entziehen sich immer wieder, sind nur teilweise zu sehen, verschwinden in ihrem Umraum. In der jüngsten Arbeit, „The Crystal Gaze“, spiegeln Architektur, Ausstattung und Kleidung der Darstellerinnen den Luxus einer bereits distanzierten Zeit. Das Gespräch zwischen den Frauen nimmt die Form von einzelnen Monologen an und konstruiert eine Erfahrung von Vergeblichkeit. Die Entwicklung der Bildsprache in den Arbeiten von Ursula Mayer vollzieht sich von einem reinen Architekturbild hin zu einer vielschichtigen Inszenierung mittels einer Anreicherung durch Text, Dramaturgie und bühnenhafter Regie und verstärkt so gerade in der neuesten Arbeit vehement die existenzielle, ja bedrohliche und unheimliche Dimension in den inhaltlichen Abläufen. Die Untiefen ihrer filmischen Weltkonstruktionen lassen Fragen nach dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren aufkommen. Ihre Protagonisten sind ausschließlich Frauen, der Bereich der Frauen wird als Innenraum definiert - der Außenraum der Architektur und der Innenraum der Person gehen einen komplizierten und hochsensiblen Dialog ein. Im Gezeigten gibt sich etwas nicht Gezeigtes zu erkennen, bleibt aber verborgen. Schleier, schleierartige Bilderfindungen, Vorhänge, Schwellen, Raumgrenzen mit ihrem Davor und Dahinter spielen in den Filmen daher eine bedeutende Rolle. Fragen einer möglichen Verortung im Räumlichen wie im Zeitlichen werden verwischt: der zunächst auftretende Anschein von mondänen Interieurs einer privilegierten Oberschicht entpuppt sich als fatal; die inneren Abgründe werden als „schöner Schein“ camoufliert.

Innerhalb des nationalen und internationalen Kontexts wurde die Arbeit von Ursula Mayer noch nicht entsprechend rezipiert und verdient mit Sicherheit größere Aufmerksamkeit. Als beeindruckende Darstellung der Spannung zwischen individuellem Leben und dem Anspruch der Moderne sind ihre Filme bedeutende Beispiele zu einem aktuellen medienreflexiven Diskurs, ohne sich von der Sinnlichkeit einer poetischen Bilderzählung zu verabschieden.“

Seit 1981 verleiht der Otto Mauer Fonds der Erzdiözese Wien den Msgr. Otto Mauer Preis für bildende Kunst. Der Fonds wurde von Kardinal Dr. Franz König und dem Erben Msgr. Otto Mauers, Prälat Dr. Karl Strobl, gegründet. Aufgabe des Fonds ist es, das besondere Anliegen von Monsignore Otto Mauer, den Dialog zwischen Kirche, Kunst und Wissenschaft lebendig zu halten, weiterzuführen. In den vergangenen 26 Jahren waren ingesamt rund 75 prominente VertreterInnen aus dem zeitgenössischen Kunstbereich – KünstlerInnen, KuratorInnen, MuseumsdirektorInnen und JournalistInnen – in der alljährlich wechselnden Jury vertreten.

Folgende KünstlerInnen haben den Msgr. Otto Mauer Preis für bildende Kunst erhalten: Alfred Klinkan (1981), Gottfried Mairwöger (1982), Erwin Bohatsch (1983), Erwin Wurm (1984), Gunter Damisch (1985), Franz West (1986), Gustav Troger (1987), Peter Kogler (1988), Brigitte Kowanz (1989), Christoph Luger (1990), Martin Walde (1991), Lois Renner (1992), Heimo Zobernig (1993), Tobias Pils (1994), Maria Hahnenkamp (1995), Otto Zitko (1996), Aglaia Konrad (1997), Gregor Zivic (1998), Manfred Erjautz (1999), Florian Pumhösl (2000), Michael Kienzer (2001), Dorit Margreiter (2002), Simon Wachsmuth (2003), Esther Stocker (2004), Jun Yang (2005) und Bernhard Fruehwirth (2006).

Neben der jährlichen Vergabe des Msgr. Otto Mauer Preises fließt der weitaus größte Teil der Mittel des Otto Mauer Fonds in die Förderung aktueller Projekte in den Bereichen bildende Kunst, Musik, Theater, Wissenschaft und Erziehung und Erwachsenenbildung.

Sicht:Wechsel nennt sich das Internationale Integrative Kulturfestival, das im Juni 2007 in Linz statt fand. Ziel des Projektes, das vom Otto Mauer-Fonds mit einem maßgeblichen Betrag unterstützt wurde, war der Abbau von Vorurteilen sowie Aufklärung und Information über die vielfältigen Möglichkeiten und Ausformungen künstlerischer Betätigung von behinderten Menschen.

Mag. Oliver Ressler stellte sich in seinem vom Otto Mauer Fonds geförderten Videoprojekt What is Democracy? die Frage, wie Gesellschaft demokratisch organisiert werden kann. In Herr Bimbo aus Linz beschäftigen sich Mohammed Kasseh sowie Patricia & Arne Marchart auf humorvolle Weise mit rassistischen Vorurteilen. Dies war dem Otto Mauer Fonds ebenso eine Unterstützung wert, wie die Videoinstallation von Ernst Logar Das Ende der Erinnerung – Kärntner PartisanInnen im Lichthof des Palais Epstein. Sowohl in der Grazer Leechkirche als auch Dom St. Jakob in Innsbruck wurden Installationen, die während des Advents oder der Fastenzeit zu sehen waren, mitfinanziert. Der Verein Varwe Musica bemüht sich um eine Wiederbelebung des einst so vielfältigen jüdischen Lebens in Osteuropa. Der Otto Mauer-Fonds unterstützte das Projekt Klezmer On Tour 07.

Im wissenschaftlichen Bereich wurde das Symposion Homo animal materiale – Die materielle Bestimmtheit des Menschen ebenso gefördert wie Publikationen auf den Gebieten Armutsforschung und Religionsphilosophie.

Die Förderungshöhe der angeführten Projekte lag zwischen 1.000 und 8.000 Euro.

ZU URSULA MAYERS WERK

In ihren filmischen Arbeiten zeigt die in Oberösterreich geborene und heute in London lebende und arbeitende Künstlerin Ursula Mayer die Verstrickung von Raum, Zeit, sowie die Verführung des Bildes als Destillat im Film und Kino. Ihr Blick gilt performativen Inszenierungs- und Wahrnehmungsmustern in Fotografie und Film, dabei zieht sie weitläufige Referenzschleifen zu populärer Musik, zu Avantgarde- und frühen Hollywood-Filmen sowie zur Architektur.

In ihren frühen transmedialen Installationen Confrontational Glamour (2001–2003), Fallen Imperial (2003) beschäftigt sich Ursula Mayer mit dem Phänomen Punk und dessen Bezüge zu Mode, Politik und Gender Konstruktionen. In ihren Arbeiten analysiert und übernimmt sie deren emanzipatorische Gegenstrategien. „Crossdressing und Anspielungen auf die Drag- und Travestietraditionen werden in den Performances von Ursula Mayer nicht bloß als Parodie inszeniert, sondern zur subversiven Aktion gegen eine heterosexuelle Matrix von Geschlechteridentitäten.“ (Ursula Maria Probst, Skug, 2004) In Acoustic Mirror (2004), einer Performance und Videoinstallation in einem Spiegelraum wird wiederum der Status von Musikerinnen als Performerin, Bild und Subjekt verhandelt.

Der Focus gilt den Räumen, die als Bühnen- und Handlungsträger für Mayers performative Inszenierungen dienen. In der Trilogie (2003–2006), die drei Kurzfilme Portland Place 33 (2005), Keeling House (2006) und Villa Mairea (2006) beinhaltet, verwendet Ursula Mayer bewusst eine signifikante architektonische Zeichensprache und macht diese zum Schlüsselelement der filmischen Handlung. So zeigt Portland Place 33, ein viktorianisches Gebäude mit beinahe kahlen, großen Räumen. In Keeling House steht ein Wohnblock der 1950er Jahre in London im Zentrum der Aufmerksamkeit, während der dritte Kurzfilm die Villa Mairea des Architekten Alvar Aalto in Finnland zeigt. Fragmentierte Aktionen der immer wieder auftauchenden Performerin in den drei Filmen ergeben keine stringente Erzählung, sondern erweitern den Schauplatz zu einem fiktionalen Charakter. Das Kameraauge bewegt sich langsam von Raum zu Raum und fokussiert immer wieder aufs Neue, wobei diese Räume und die sich darin befindenden Objekte, zu einem Netz von offenen Narrationen verstricken. Stilistisch bezieht sich Ursula Mayer auf die manieristische Filmsprache des italienischen Regisseurs Michelangelo Antonioni. Bewegungen werden nur angedeutet oder nicht abgeschlossen und enden beinahe so unbemerkt, wie sie begonnen haben. „Mayers Trilogie erzählt nicht, beschreibt nicht, dokumentiert nicht. Ihr Subjekt ist nicht die Performerin, sondern die Beziehung zwischen Raum, Person und Kamera.“ (Nina Schedlmayer, Potential Dialogue, RCM Museum - Kunstraum Noe, 2006)

In Ursula Mayers Film Interiors (2006) tritt weiterhin das Verhältnis von Architektur und deren sozial eingeschriebenen Verweise ins Zentrum. Als Set wählt sie das Wohndomizil des Architekten Ernö Goldfinger und seiner Familie, der 2 Willow Road in Hampstead. Der Ort steht für die künstlerische Avantgarde in London der 1930er Jahre. Goldfingers Kunstsammlung, die Arbeiten der klassischen Moderne von Max Ernst bis zu Marcel Duchamp umfasst, setzt Ursula Mayer in ihrem Film als einzigartige Kulisse und dramaturgisches Element ein. Vor dem Hintergrund dieses historisch bedeutsamen Ortes wird ein Treffen einer jüngeren und einer älteren Frau halluziniert, das aber nie stattfindet. Eine Replika einer Skulptur der bedeutenden britischen Bildhauerin Barbara Hepworth wird letztendlich sowohl als unterschiedliche Vorstellung von Zeit und Wirklichkeit zum trennenden als auch verbindenden Element der Gegensätze von Tradition und Moderne. „Die negierte Position weiblicher Präsenz in Architektur und Film zentriert Mayers Film in einer anonymen Sequenz an Begegnungen, die teilweise wie Stills anmuten in der Tradition von Cindy Shermans Untitled Film Stills.“ (Walter Seidl, Interiors, Katalog, Verbund Sammlung Wien)

Auch bei ihrem jüngsten Werk, The Crystal Gaze (2007) besetzen drei Frauen ein ausdrucksstarkes Ambiente, die prunkvollen Art Deco Räume des Londoner Eltham Palace. In Kombination mit den drei in perfekte historischen Kleider und Perlenschmuck gehüllten Frauen, die an die ausschweifenden 20er Jahre erinnern, schafft Ursula Mayer eine visuelle Parallele zur Tradition des klassischen Hollywood Films und dessen Schauspieler Ikonen. Im Gegensatz zu ihren früheren Filmen wird ein Skript verwendet, wenn auch in Form von unabhängigen Statements, Monologen und Zitaten. Ein cinematisches Rollenspiel zeigt ein komplexes Geflecht in Dramaturgie, Kamera und Inszenierung. „Was sie zum Ausdruck bringen, ist die Tatsache, dass ihre eigenen Körper zu Bildern geworden sind, was wiederum durch die Metapher unserer und ihrer «kristallenen Blicke» auf raffinierte Weise gebrochen und reflektiert wird. Sie verkörpern eine Art Destillat des Kinos: weder Geschichte noch Biografie, sondern einfach die unerträgliche Verführung durch ein Bild, in das wir uns nicht hineinbegeben können, dem wir uns aber ebenso wenig zu entziehen vermögen“ (Ian White, Kristallblicke, Ausstellung, Lentos Museum, Linz, 2007)

Unter dem Titel Zeitkristalle / The Crystals of time sind Ursula Mayers Videoarbeiten der Trilogie: Portland Place 33 (2005), Keeling House (2006) und Villa Mairea (2006) und ihre neue Arbeit The Crystal Gaze (2007) derzeit im Rahmen einer Einzelausstellung im Lentos Kunstmuseum in Linz zu sehen.

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Ursula Mayer
Otto Mauer Preis 2007
Ausstellungsort: JesuitenFoyer, Wien