press release only in german

Eröffnung: Samstag, 14. Juli 2007, 18-20 Uhr, Galerie 1st Floor

Arndt & Partner freuen sich, zwei neue Einzelausstellungen in der Galerie 1th Floor, Zimmerstraße 90-91 ankündigen zu können. Vom 17. Juli bis zum 25. August zeigt die schwedische Künstlerin Veronica Brovall die raumgreifende Installation „Wurzel-Füllung“, zeitgleich präsentiert der junge Hamburger Künstler Dennis Scholl unter dem Titel „Für immer Faltung im Zimmer der Tränen“ neue Zeichnungen.

Dennis Scholl unternimmt in seinen Zeichnungen und Aquarellen, Kurzfilmen und Objekten den Versuch, ein neues Zeichensystem zu erfinden. Was passiert, wenn die konventionelle Verbindung zwischen der Inhalts- und Ausdrucksebene eines Zeichens durchbrochen wird? Wenn bildliches Zeichen (Signifikant) und inhaltliche Bedeutung (Signifikat) nicht länger in gewohnter Weise aufeinander Bezug nehmen? Wenn Kombinationen von Bildzeichen sich quasi selbst generierend zueinander in Bezug setzten? Genau diesen Fragen geht Dennis Scholl mit seinen Arbeiten nach und häuft in seinen Zeichnungen eine Vielzahl von eigentlich bekannten Signifikanten an, deren aufgerufene Signifikate aber aufgrund der ungewöhnlichen Kombination nicht mehr eindeutig zugeordnet werden können.

In der Arbeit Selbstportrait als Garten (2007) ist so beispielsweise das Halbprofil einer Person zu sehen. Sie trägt ein weißes Hemd. Der Oberkörper ist leicht seitlich abgewendet, so dass dem Betrachter die rechte Körperseite zugewandt ist. Eine schwarze, schmale Krawatte ruht gerade über der Knopfleiste. Sie ist vollkommen unbewegt und bildet somit einen Gegenpol zu dem aufgeregt in Falten gelegten Hemd. Unterhalb der rechten Brust sticht ein schmaler, gerader Gegenstand, an dem eine Schnur befestigt ist, aus dem Hemd heraus. Die dargestellte Person selbst hält diese Schnur fest. Aus dem Hemdkragen ragen statt eines menschlichen Gesichtes exotische Orchideen heraus, die sich rankend in den Bildvordergrund schieben. Eines ist offensichtlich: Diese Arbeit läuft der herkömmlichen Vorstellung von einem Selbstportrait zuwider. Sämtliche Bezüge innerhalb der Zeichnung sind ihrer Bedeutung entfremdet. Dennis Scholl denkt in Bildern, die sich, wie er es selbst formulieren würde, an Abgründen zu einer Leere bewegen. Zeichen, die nichts mehr benennen außer sich selbst.

Scholls derart konstruierte Bilder stammen aus den unterschiedlichsten Kontexten, die durch wiederholte „Faltungen und Umstülpungen in einen Raum überführt wurden, in dem sie bloße Behauptungen sind“ (Dennis Scholl). Wie ein Puzzle, zusammengefügt aus den Teilen vieler verschiedener Puzzlespiele die auf seltsame Weise ein Ganzes ergeben, entstehen Bilder, die auf nichts Eindeutiges verweisen, keine zusammenhängende Geschichte erzählen. Dabei sind sie keine düsteren Verweise auf ein inneres Seelenleben, kein tiefenpsychologisches Durcharbeiten von Erlebnissen, wie es etwa im Surrealismus geschah. Sie verweisen auf nichts als sich selbst, sie führen zu Irritationen und überlassen die Kombination mit ihrer Umgebung dem Betrachter.

Veronica Brovall hingegen gestaltet Collagen und monumentale Installationen, die sich mit Fragen nach der menschlichen Existenz und unterschiedlichen Arten von menschlichen Ängsten auseinandersetzen. Aber ähnlich wie die Zeichnungen Dennis Scholls erweisen sich ihre Werke als durchaus „tückisch“: Einerseits von großer formaler Klarheit, transparenter Einfachheit und beeindruckenden Ausmaßen präsentieren diese doch andererseits Energiesysteme, die schwer zu ergründen sind und bizarr anmuten. Die figurativen oder narrativen Objekte als solche und die Verknüpfungen zwischen ihnen entziehen sich häufig der normalen, funktionalen Logik. Ein Tisch, an dem man nicht essen kann. Ein Sofa, aus dem Messerklingen ragen. Möbel, die nicht benutzbar sind: die Skulpturen werden auf ihre eigene Art und Weise zum Ausdruck dessen, was die Künstlerin in ihrer alltäglichen Umgebung wahrnimmt. Die Materialien, mit denen sie aufgewachsen ist, die Art, wie Menschen mit Fleisch und Nahrungsmitteln umgehen, ihr Konsumverhalten. Und nicht zuletzt die Art, wie Menschen sich auf die Natur beziehen, deren Teil sie sind.

Ebenso wichtig wie die jeweilige Form der Elemente ist jedoch auch ihre Materialität, das Gespür für Volumen, Gewicht und Maßstab, das die Arbeiten charakterisiert. Veronica Brovall legt Wert auf Größe. Sie zieht die Aufmerksamkeit des Betrachters durch die große Geste an. Doch schließlich sind es die Details und die Textur, die ihre Werke zum Sprechen bringen und das Gestaltungsmuster des „aktiven Parts“, das sich immer wieder in den Brovall Skulpturen finden lässt. Ein Konvergenzpunkt, an dem die Energie sich verdichtet oder kollidiert, und einen Gegenpart, der sich statischer oder reflektierend verhält. So erkennt man in Rootfilling (Wurzelfüllung), einem riesigen liegenden Baum, erst an seinem Wurzelende eine schwarze, menschliche Gestalt, die sich in das Wurzelwerk hineinkrallt, als wäre sie Teil des Baumriesen. Und als wäre dies nicht bereits Verwirrung genug, saugt die Figur an ihrem eigenen Zeh – so als wolle die Wurzel in menschlicher Gestalt Nahrung aus sich selbst ziehen, nachdem sie aus der nährenden Erde entwurzelt wurde. Und auch in der ausgestellten Arbeit Wurzel-Füllung II (2007) ist es wieder ein Baum – diesmal allerdings kleiner, aufrecht stehend und mit stachelig anmutenden Ästen. Und erneut ist seine Wurzel durchaus lebendig, ist nicht nur Wurzel sondern auch menschliche Gestalt. Leben unterhalb der Oberfläche.

Brovalls Arbeiten sind immer voller Energie, und dies verleiht ihrer Kunst eine große Kraft. Der Drang und Wille, Dinge auf ihre Art zu formulieren, ist überall greifbar. Nicht mit Worten, sondern visuell, physisch. Die Logik, die die Künstlerin anbietet, ist manchmal amüsant, manchmal grob und übertrieben, manchmal leicht und elegant. Kurzum: so vielfältig wie einzigartig.

1975 in Falun, Schweden geboren, absolvierte Veronice Brovall ihr Kunststudium an der Academy of Arts in Umeå, Sweden. Neben zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen war sie u.a. als Assistentin für Thomas Hirschhorn tätig. Veronica Brovall lebt und arbeitet seit 2003 in Berlin. Werke von ihr werden in diesem Jahr u.a. im Bildmuseet in Umeå, Schweden zu sehen sein.

Dennis Scholl, geboren 1980 in Hünfeld, studierte von 2002 bis 2006 an der Hamburger Hochschule für bildende Künste bei Prof. Franz Erhard Walther und Andreas Slominski. Er lebt und arbeitet in Hamburg. Bislang wurden seine Arbeiten u.a. in der Hamburger Kunsthalle (2005) und in der Kunsthalle Mannheim (2006) gezeigt.

only in german

Veronica Brovall: Wurzel-Füllung
Dennis Scholl: Für immer Faltung im Zimmer der Tränen