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Mit der Ausstellung „Voyage to Italy“ präsentiert die Galerie Thomas Zander erstmals Schlaglichter aus dem Werk des britischen Konzeptkünstlers Victor Burgin im Rahmen einer Einzelausstellung. Wie kein Zweiter behauptet Victor Burgin seit den 1960er Jahren in Kunst und Theorie gleichermaßen eine einflussreiche Position. Burgin steht für eine Ästhetik, die psychoanalytische und strukturalistische Motive ineinander blendet und sich auf den Spannungslinien zwischen politischem Konflikt und ästhetischem Begehren bewegt. Mit dem Film Voyage to Italy (2005) sowie den Fotoserien Gradiva (1982) und Basilica I und II (2006) konzentriert sich die Galerie Thomas Zander auf einen thematischen Schwerpunkt, der sich insbesondere in jüngeren Arbeiten Burgins herauskristallisiert hat. Burgins Arbeiten orientieren sich an der Frage des archivierten Gedächtnisses und der Mehrfachcodierung von Erinnerungsorten. Die Ausstellung „Voyage to Italy“ kreist dabei um Pompeji und fokussiert somit einen Gedächtnisraum, an dem Geschichte auf besonders gespenstische Weise mumifiziert ist.

Schillernd spielt die psychoanalytische Frage nach dem Begehren des Abwesenden in die historiographische Frage nach der Rekonstruktion des Vergangenen hinein. Allegorisch steht dafür die Figur der Gradiva – doppelt begehrtes Objekt eines wirren Archäologen in der gleichnamigen Novelle Wilhelm Jensens. Burgins siebenteilige Fotoserie Gradiva spielt mit Textfragmenten auf diese Novelle an, die Freud und Derrida gleichermaßen zu Kommentaren herausgefordert hat.

Seit Michel Foucaults Prägung benennt der Begriff der Archäologie nicht nur den kumulativen Raum dessen, was gewusst werden kann, sondern auch die blinden Flecken historischen Wissens. Der archäologische Raum ist nicht nur ein Möglichkeits- sondern auch ein Unmöglichkeitsraum. Er verdrängt Geschichte, indem er Vergangenes in einen Deutungszusammenhang einbindet und zudem nur in Substituten heraufzubeschwören vermag. Atmosphärisch erzeugt sich dieses Dilemma inmitten der Ruinen von Pompeji. Insofern geht es in dem Film Voyage to Italy auch um eine Visualisierung des Unsichtbaren. Die Säulenstümpfe in den Fotoserien Basilica I und II erzeugen eine andere Gegenwart des Vergangenen. Man sagt, ein Gliedmaß lasse sich noch nach seiner Amputation empfinden. Ebenso lässt sich der verloren gegangene Baukörper in den Ruinen erahnen. Im Sinne Walter Benjamins sprengt der Historiker Fragmente aus dem Kontinuum der Geschichte heraus, um sie emphatisch erfahrbar zu machen. Burgins Kamera schneidet die Gebäudereste aus ihrem Kontext heraus. Sie lässt Erinnerung damit auch als aggressiven Akt erkennbar werden.

Wie in früheren Arbeiten diskutiert Burgin mit seiner Frage nach dem Archiv auch die kunsttheoretisch entscheidende Frage nach den institutionellen Voraussetzungen, die Geschichte schreiben. Das Archiv ist der institutionelle Ort offiziellen Erinnerns, das auf autorisierte Weise Gewichtungen festlegt. Schon deswegen ist die Frage des historischen Archivs mit der nach dem Museum verwandt. In dieser Weise reflektiert die Ausstellung auch gesellschaftliche Voraussetzungen der Kunstproduktion. Nicht zuletzt darin besteht die Aktualität der originären Konzeptkunst für die gegenwärtige politische und theoretische Neuorientierung der Kunst.

Zur Ausstellung erscheint eine Publikation im Hatje Cantz Verlag.

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