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World of Details / NY, 2011

Viktoria Binschtok geht in ihren fotografischen Arbeiten dem Begriff der Sichtbarkeit nach. Durch überraschende Kontextverschiebungen wirft sie Fragen danach auf, welche Inhalte innerhalb der fest definierten Bildgrenzen transportiert werden und welche aufgrund unseres Wissens darüber hinaus führen. Gleichberechtigt neben eigenen Fotografien greift Binschtok auch zu Medienbildern, um deren Funktion und Repräsentation zu thematisieren.

In ihrer jüngsten Serie ‚World of Details / NY’ verknüpft sie beide Bildwelten miteinander, indem sie ausgewählte Aufnahmen des gigantischen Google- StreetView-Archivs benutzt, um zu ihren Bildern zu gelangen. Binschtok geht zunächst streng analytisch vor und filtert Strassenansichten heraus, auf denen Passanten in die Kamera blickend abgebildet sind, und sich dadurch offensichtlich der optischen Aufnahme ihrer Person bewusst zu sein scheinen. Doch anders, als bei einer herkömmlichen Fotografie, steht hier kein Mensch hinter der Kamera. Die Abgebildeten schauen in die Linse einer auf einem Autodach befestigten Apparatur, die im Sekundentakt und vollautomatisch ein Rundumbild ihrer Umgebung aufzeichnet. Die so abgelichteten Strassenszenen sind an Authentizität kaum zu übertreffen, denn sie entstanden ohne jegliche kompositorische Idee.

In einem zweiten Schritt begibt sich Binschtok physisch an die ausgewählten Orte, um sich in der vorgefundenen Realität ihr eigenes Bild zu machen. Während die Referenzbilder in ihrem Ausschnitt eine Strassenansicht aus einem gewissen Abstand zeigen, geht die Künstlerin ins Detail und setzt dem reinen Ablichten eines programmierten Automats etwas entgegen, was im Endeffekt den Menschen von der Maschine unterscheidet, nämlich die Absicht.

Entgegen ihrem rein informativen Zweck, behandelt Viktoria Binschtok die StreetView Bilder als Artefakte der Welt, in der wir uns bewegen. Durch die Kleisterung der einheitlich kleinen Inkjetprints (21x28cm) auf MDF-Platten, verwischt sie den schwarzen Tintenauftrag. Diese ‚Hybridbilder’ vereinen fotografische Genauigkeit mit malerischer Geste und die ohnehin durch eine Software zur unkenntlich gefilterten Gesichter ‚verschmelzen’ somit mit ihrer Umgebung. Die wesentlich grösseren C-Prints der Detailaufnahmen hängen mittels Klebeband in Rahmenkästen. Wie Fundstücke des Lebensumfelds einer anderen Spezies muten diese Foto-Objekte an, die in der Kombination mit ihren Referenzbildern einen subtilen Perspektivwechsel innerhalb desselben Mediums zulassen.

In der Vielschichtigkeit von ,World of Details’ beleuchtet Binschtok nicht nur die Sicht auf unsere Welt, sie schafft fotografisch den schmalen Grat, der über das dokumentarische hinausgeht und gleichzeitig auf die Hilfsmittel der Inszenierung verzichtet.

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Viktoria Binschtok
World of Details