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Kunstbetrachtung findet vornehmlich in Städten, insbesondere in großen Kunstmetropolen statt; ebenso ist die Stadt und das Leben in ihr ein wieder kehrendes Thema in der Kunst. Das ländliche Leben und das Dorf spielen hingegen sehr selten eine Rolle, obwohl viele der Künstler und Kulturschaffenden, die heute in der Stadt leben, ursprünglich vom Dorf stammen oder dort aufgewachsen sind. Demografische Veränderungen, die sowohl das Ländliche als auch das Städtische betreffen, werden vornehmlich im Urbanen betrachtet, während das kollektive Bild des Dorfes von romantisierenden Eindrücken des 19. Jahrhunderts beherrscht zu sein scheint. Die Betrachtung des Landlebens mit dem speziellen Blick auf den Wandel der Arbeit ist in fünf aktuellen künstlerischen Positionen Thema der Ausstellung Village People.

Die Unterschiede in der Wahrnehmung von ländlichem und städtischem Leben sind immens: während die Stadt als Ort der Hoffnung und Freiheit gilt, steht das Dorf für Stagnation oder sogar Rückschritt, und Menschen, die sich - womöglich als Städter - gezielt für ein Leben auf dem Land entscheiden, werden dafür von den Alteingesessenen mit ewigem Misstrauen bestraft. In der künstlerischen Beschäftigung ist die Stadt vor allem als kultureller Ort der häufiger reflektierte. In neuerer Zeit vornehmlich im Hinblick auf die Entwicklung sog. Megacities; 2008 ist das erste Jahr, in dem die Mehrheit der Menschen in Städten lebt. Die Kehrseite dieses Wachstums sind die sich leerenden ländlichen Regionen. Der prognostizierte Verlust und die Unsichtbarkeit dieser Kultur motivieren eine genauere Betrachtung.

Das kulturelle Bild des Lebensortes Dorf existiert, wenn überhaupt, in einer völlig veralteten Form, in Malerei und Fotografie beschrieben von Millet über Sander bis Riebesehl. Von entbehrlich bis romantisch wird hier das Leben einer kleinen Gemeinschaft betrachtet, in der die Arbeit scheinbar dem direkten Broterwerb dient, und Heimatgefühle im Betrachter weckt. In künstlichen Formen wie z.B. dem Wolfsburger Themenpark „Landleben“ wird versucht, genau dieses Bild aufrecht zu erhalten, indem man eine längst ausgestorbene dörfliche Welt zugänglich macht, während nur wenige Kilometer weiter eine lebendige Dorfstruktur zu sehen und erleben ist. Offenbar zur Darstellung ungeeignet zeigen sind die Entwicklungen der Landwirtschaft, die sich in monokulturell betriebenen Agrarflächen und unsichtbarer Massentierhaltung oder auch dem Erblühen der Landwirtschaft durch neue Interessen in der Energieproduktion zeigen, sowie die mit dieser Entwicklung einhergehenden Veränderungen von Arbeitssituationen und –angeboten. Dabei bietet die sehr spezielle soziale Komponente des Dorflebens zwischen behütet und bewacht weitere interessante Beobachtungsmöglichkeiten und Erlebnisse, die alle auf dem Dorf Aufgewachsenen teilen. Fragen nach Identität, Ausgrenzungsmechanismen gegenüber Fremden, Kindheit und Jugend in Abgeschiedenheit, und die Wahl des zukünftigen Lebensorts spielen dabei ebenso wie traditionelle Feste und Freizeitbeschäftigungen eine Rolle.

In einigen sehr ambitionierten zeitgenössischen Kunstprojekten, die sich vor Ort der Thematik der ruralen Landschaft widmen, so z.B. beim oberösterreichischen „Festival der Regionen“, findet bereits eine Beschäftigung mit dieser unsichtbar gewordenen Kultur statt. Die Ausstellung im Kunstverein Wolfsburg möchte diese Sichtbarkeit ganz gezielt in einer etablierten Kunstinstitution schaffen und damit als ein Thema in die zeitgenössische Kunstdebatte einführen.

Künstler: Letitia El Halli Obeid (ARG), Tue Greenfort (D/DK), Casey McKee (D/USA), Antje Schiffers / Thomas Sprenger (D), Elisabeth Schimana/ Markus Seidl (A)

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Village People
Kurator: Anne Kersten

Künstler: Leticia El Halli Obeid, Tue Greenfort, Casey McKee, Antje Schiffers / Thomas Sprenger, Elisabeth Schimana / Markus Seidl