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Um die ökologische, ökonomische, soziale und kulturelle Bedeutung des Waldes zu würdigen, erklärte die Organisation der Vereinten Nationen (UNO) das Jahr 2011 zum Internationalen Jahr der Wälder.

Auch die Kunsthalle Würth setzt sich in ihrer diesjährigen Herbst-Ausstellung „Waldeslust“ mit den vielfältigen kulturellen Aspekten des (deutschen) Natur- und Waldbewusstsein auseinander. Denn die künstlerischen Darstellungen des Waldes spiegeln im Laufe der Jahrhunderte sowohl das von radikalen Wandlungen als auch das von modebedingten Schwankungen unterworfene Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt deutlich wieder.

Beherrschte viele nachchristliche Jahrhunderte lang das Bild einer Natur, die als kosmisches Ordnungsgefüge Gültigkeit forderte und damit für den Menschen Gesetzmäßigkeit und Verbindlichkeit bereit hielt (Schöpfungsmythos/Baum der Erkenntnis) die künstlerischen Vorstellungen, so reicht der Mythos vom Deutschen Wald und der daraus geformten bildhaften Vorstellungen noch weiter zurück, bis hin zum altrömischen Historiker und Ethnografen Tacitus. Dieser berichtete von riesigen Urwäldern im germanischen Norden und von der rätselhaften Furcht der Bewohner "Germaniens" vor dem Betreten bestimmter geheimnisvoller Waldbezirke (Cranach: Familie der Naturmenschen). Noch von den Romantikern um Jacob Grimm wurde Tacitus’ Berichte als historische Quelle ernst genommen und bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts von Germanisten, Volkskundlern und besonders von Lehrern der unterschiedlichen Schularten als historische Tatsache vermittelt. Damit wurde „Germania“ zum fest verankerten, jedoch der beständigen Interpretation anheim gestellten Ursprungsmythos der Deutschen. Ihnen galt er als magischer Ort, an dem Geister und Faune spuken und der Mensch den Göttern nahe ist. Unter den Nationalsozialisten konnte er so leichterhand zum germanischen Hain mutieren – dessen Zugang Reichsforstmeister Göring in abstruser Logik den Juden verbot. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges, von der Idee des Seelenhains gründlich desillusioniert, stutzte man den Wald dann auf rein rationales Maß – zum nützlichen Holzlieferanten zurück

Bis Mitte der 1970er Jahre das Waldsterben ausgemacht wurde, das sowohl als Begriff als auch als Bild in anderen europäische Ländern und Sprachen Einzug hielt. Doch nicht nur Waldsterben, auch Begriffe und Redewendungen wie - aus gutem Holz geschnitzt sein;- ein stämmiger Bursche;- der Apfel fällt nicht weit vom Stamm; oder auch mit etwas- verwurzelt sein zeigt den hohen Identifikationsgrad mit dem Baumbestand der heimischen Wälder. Und tatsächlich scheint in keinem modernen Land der Welt das Waldgefühl so lebendig geblieben zu sein, wie in Deutschland. „Das Rigide und Parallele der aufrecht stehenden Bäume, ihre Dichte und ihre Zahl“, so lesen wir etwa bei Canetti, „erfüllt das Herz des Deutschen mit tiefer und geheimnisvoller Freude.“

So gilt der postmoderne Wald dem einen heute als künstlerischen Prägegrund für Erinnerung (Baselitz) dem anderen hingegen als Ort der Spurensicherung menschlicher oder spiritueller Existenz. Und trotz des legendären „Waldsterbens“ bleibt der Wald auch heute noch ein häufiger Schöpfungsimpuls. Bäume und Wald haben seit den Tagen des Paradieses, als man vom „Baum der Erkenntnis“ naschte, als Versuchung offenbar noch nicht ausgedient.

Und wenn uns der Wald mittlerweile auch als Auffanglager von Trivialität begegnet, in dem die Übergänge von Idylle, Banalität, Mythos und Kitsch fließend sind (Deacon/Woodrow), so bleibt er als Folie für subjektive Weltschau doch weiterhin ein wichtiges und beliebtes Experimentierfeld der Kunst.

Mit rund 100 markanten künstlerischen Positionen zum Wald aus der Sammlung Würth (von Cranach bis Hockney) folgt die Ausstellung den sich immer wieder neu erfindenden künstlerischen Behauptungen zum Mythos Wald.