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Die Ausstellung findet im Rahmen des Projektes HeimatModerne statt, einer gemeinsamen Initiative verschiedener Leipziger Institutionen und Gruppen, gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes. Zum Trägerverein Experimentale e.V. haben sich zusammengeschlossen: Forum zeitgenössischer Musik Leipzig e.V, Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig, Büro für urbane Projekte, General Panel und raum4.

Modelle appellieren an die Vorstellungskraft. Wie könnte und würde etwas sein oder aussehen? Gleichzeitig dienen sie auch der Re-Konstruktion. Im Modell kann Realität im kleinen Maßstab inszeniert und imaginiert werden. Die KünstlerInnen der Ausstellung setzen sich in Modellen mit Modellen von Architektur und Stadtplanung auseinander, die in den 50er und 60er Jahren in Ost und West zur Moderne gehörten. Die Ausstellung geht den Visionen und Utopien sowie dem Scheitern dieser Modelle nach. Gleichzeitig behandeln die KünstlerInnen das Material der Moderne als nach wie vor aktuelles Potential zur Diskussion um Stadtplanung und Lebensvision und die Zukunft unserer Städte im Umgang mit Geschichte. Alle KünstlerInnen gehen hierbei auf unterschiedliche Art und Weise mit der Möglichkeit des Modells um.

Karsten Konrad widmet sich in seiner Arbeit Stadtplaners Workshop der Prager Straße in Dresden und deren in der DDR gebauten Scheibenhäusern, dem Rundkino, dem Kaufhaus und der Paradestraße. Heute existiert die ursprüngliche Anlage des Ensembles nicht mehr, da die Architektur der Nachwendezeit das Ensemble unkenntlich gemacht hat. Konrad baut Gebäude der sozialistischen Ära nach und konfrontiert BetrachterInnen mit den überdimensional großen, begehbaren Modellen. Das Modell dient hier als Rekonstruktion, Hinterfragung und Untersuchung einer jungen Vergangenheit. Alte DDR-Möbel werden von Konrad für seine Zwecke recycelt und bilden die Bausubstanz für ihre modellhaften Vorbilder, die zum Teil heute nicht mehr stehen.

Inken Reinerts großformatige Zeichnungen knüpfen an den Gedanken des Recycelns an. Die Künstlerin liniert und kariert mit Bleistift und Lineal riesige Gebäude der sozialistischen Moderne auf das Papier, Gebäude an der Stalin-Allee - der heutigen Karl-Marx-Allee -, das Haus des Lehrers, den Palast der Republik, das Haus des Buches, den Augustusplatz in Leipzig. Sie setzt ihnen zeichnerisch ein Denkmal. Reinerts Plattenbauentwürfe gehen häufig so weit, dass die Gebäuderiesen auf dem Papier maßstäblich umzukippen drohen und es einem plötzlich erscheint, als schaue man auf ein überdimensional großes Muster oder den Plan eines kleinen Kubus. Inken Reinert konterkariert mit ihren Gebäude-Portraits den Größenwahn von Vereinheitlichung und Standardisierung, in der Wohnen und Arbeiten unmöglich erscheint. Gleichzeitig fliegen die Gebäude Reinerts durch ein ungewisses, zeitloses Nichts, da sie ihnen sämtliche Attribute der politischen Vergangenheit entzieht und sie für eine neue Betrachtung frei gibt.

Das Modelabel Frisch (Jürgen Frisch und Ulrike Dorn) zeigt in ihrer Kollektion Maisonette eine Auseinandersetzung mit dem Hansaviertel in Berlin. Das Viertel stellte 1957 mit der Interbau Ausstellung eine architektonische Antwort auf die Bebauung der Stalin-Allee im Osten Berlins dar (siehe Inken Reinert und Karsten Konrad). Über dreißig international bekannte Architekten bauten im Hansaviertel 1300 Wohnungen im sachlichen Stil der Moderne. Frisch hat Le Corbusier, Walter Gropius, Oskar Niemeyer und anderen eine Kollektion gewidmet. Die Kollektion von Frisch spricht über eine Moderne, die am Körper tragbar wird, jedoch exklusiv und modellhaft bleibt. Maisonette wird im Schaufenster des Neubaus zu sehen sein.

Terence Gower hat fünf Pavillons ehemaliger Weltausstellungen aus Wellpappe rekonstruiert und zusammen auf ein Plateau montiert. Einige Architekten, mit denen sich Frisch in Maisonette befassen, stehen auch im Mittelpunkt des Interesses von Gower, u.a. Alvar Aalto, Oskar Niemeyer und Mies van der Rohe. Terence Gower filmt eine virtuelle Rundfahrt um die Gebäude ab, die die BetrachterInnen wie in einer Computeranimation quasi auf das Plateau zieht. Man beginnt, sich gedanklich auf den Zeit- und Maßstabstransfer einzulassen: Hier wird ein Treffen von temporären Gebäudetypen in einer eigenen Ausstellung simuliert. Mies van der Rohes deutscher Pavillon in Barcelona (1929) trifft auf Alvar Aaltos finnischen Pavillon in Paris (1937) usw. Ein Plakat im Leuchtkasten kündigt im Außenraum der GfZK den Film im Innenraum an und korrespondiert mit der Pavillon-Architektur des Neubaus der GfZK. Die Ausstellung findet hier ihre Verlängerung in den Außenraum. Die Fassade wird zur Ausstellungswand.

Anna Meyer erweitert die Ausstellung durch ihre Tokyomodelle und –malereien, die unser modernes Leben in den Städten untersuchen. Aus Parfümflaschen, Lippenstiften, CDs und vielem mehr baut Meyer dichte, bunte, sprudelnde Stadtmodelle, die in ihrer Nachbarschaft zur sachlichen Moderne belebt und laut anmuten. Meyer baut Objekte, die auch als ein Modell jeder zeitgenössischen Millionenmetropole gelesen werden können. Anna Meyer sagt selbst zu ihren Städtebühnen: „Die universale Vielschichtigkeit der Städte, in denen sich der schillernde Konsumrausch behände in Müll hin und zurück verwandeln lässt, deutet darauf hin, dass alles miteinander verbunden ist.“ Die Künstlerin geht der Realität und ihrem Kreislauf der Städte nach und verleiht ihnen durch die Hinzugabe fantastischer Elemente wie dem Erdlogo etwas Surreal-Utopisch-in-die-Zukunft-Weisendes. BetrachterInnen ihrer Arbeiten können gedanklich zwischen bemaltem Konsummüllhochhäusern spazieren gehen.

ModellbauerInnen gesucht! lautete im Vorfeld zur Ausstellung ein Aufruf an alle LeipzigerInnen. Sie wurden in einem Wettbewerb dazu aufgefordert, ihre Vision der sog. „Brühlbebauung“ in Leipzig in einem Modell zu veranschaulichen bzw. zu konstruieren. Die Modelle werden während der Ausstellung zu sehen sein und in ihrer Nachbarschaft zur Prager Straße von Karsten Konrad in einen Dialog treten können.

Deckenplan (Arbeitstitel): Annalena von Helldorff (Grafikerin) und Julia Schäfer (Kuratorin der Ausstellung) haben zusammen eine neben den Kunstwerken existierende Vermittlungsebene in die Ausstellung implantiert. Hierbei dient die Decke als Grundriss und Modell für die Ausstellung. Die BesucherInnen werden zu BegeherInnen dieses Modells. Die Decke, deren Position sich bereits durch das Farb- und Höhenkonzept der ArchitektInnen des Neubaus auflöst, gewinnt durch ihre Rolle als Vermittlungsträger zusätzlicher Informationen eine neue Bedeutung. Die BesucherInnen sind wie bei den Arbeiten der Ausstellung immer wieder neu aufgefordert, ihren Standpunkt und Perspektive neu zu definieren und Verbindungen zwischen den Arbeiten herzustellen. Der Deckenplan soll dabei behilflich sein.

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Was wäre, wenn...
Kuratiert von Julia Schäfer

mit Inken Reinert, Karsten Konrad, Anna Meyer, Terence Gower, Frisch  (Jürgen Frisch & Ulrike Dorn)