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WHAT BEAUTY IS, I KNOW NOT
GRUPPENAUSSTELLUNG | KURATIERT VON KASPER KÖNIG
19 AUGUST – 13 OKTOBER 2019
ST. AGNES | NAVE & CHAPEL

ERÖFFNUNG: 18 AUGUST, 12 – 18 UHR

Die Sommerausstellung in der KÖNIG GALERIE wird vom Vater des Galeristen kuratiert.

Neben dem Dialog mit seinem Sohn Johann hat Kasper König die außergewöhnliche Architektur der Galerie in der ehemaligen katholischen Kirche St. Agnes gereizt. Das hohe, in den ursprünglichen Proportionen erhaltene Kirchenschiff, präsentiert sich heute als grandiose Ausstellungshalle, die zu bespielen eine Herausforderung für jeden Künstler und Kurator darstellt.

Im Treppenhaus des Turms sowie im zweistöckigen Gebäudeensemble zeigt König Werke von Polly Apfelbaum, Olle Baertling, Alisa Baremboym, Thomas Bayrle, Alighiero e Boetti, Nicole Eisenman, Fischli/Weiss, Thomas Hirschhorn, Mike Kelley, Annette Kelm, Marko Lehanka, Morris Louis, Justin Matherley, Emeka Ogboh, Manfred Pernice, Heidi Specker, Susi Pop, Rosemarie Trockel und Alisa Yoffe. Ihre Auswahl ruht, wie er sagt, auf „zwei thematischen Säulen“. Sie haben ihren Ausgangspunkt in Théodore Géricaults monumentalem Historienbild „Das Floß der Medusa“ (1819) und in Albrecht Dürers „Bauernsäule“ aus dem Jahr 1525.

Géricaults großartiges Gemälde, das vor genau zweihundert Jahren entstand, ist ein politisches Bild. Es thematisiert einen Fall von Kannibalismus, der vor dem Hintergrund der Aufklärung als fundamentaler Zivilisationsbruch die französische Gesellschaft erschüttert hat. In Königs Ausstellung intoniert die Appropriation des Gemäldes durch das Künstlerduo Susi Pop den thematischen Grundakkord der Schau. Als magentafarbener Siebdruck auf Leinwand gewinnt das Bild neue Aktualität und verweist darauf, dass die Aufklärung ein unabgeschlossenes Projekt ist.

An diese Arbeit schließt eine weitere „Bauernsäule“ von Marko Lehanka an. Der Künstler bezieht sich mit seinen Werken auf Albrecht Dürers Holzschnitt „Bauernsäule“. 1525 als Entwurf für ein Bauerndenkmal geschaffen, wird sie von einem erdolchten Bauern gekrönt. Mit der „Bauernsäule“ stellte Dürer sich im Krieg zwischen Bauern und Grundherrn auf die Seite der Verlierer. Im Grunde aber zeigt die Säule nicht nur eine politische, sondern auch eine ästhetische Haltung, diente sie ihm doch gleichfalls zur Demonstration seiner Proportionslehre.

In den zeitgenössischen Versionen der Werke von Géricault und Dürer verbinden sich mit dem Politischen und Ästhetischen die zwei Themen, die in dieser Ausstellung immer neu verhandelt werden. Wobei König seine Werke stets in sinnstiftende Nachbarschaften bringt. Der Säule von Lehanka stellt er eine neue Version der Installation „Strandgut“ aus dem Jahre 1999 von Manfred Pernice gegenüber. Unweit davon präsentiert er die berührenden „Artist’s Scarves“ von Thomas Hirschhorn

Ähnlich komplex sind die Allianzen zwischen Susi Pops „Floß der Medusa“ und zwei Werken von Nicole Eisenman. Es folgen die Bodenarbeit von Polly Apfelbaum und die luftige Stahlplastik von Olle Baertling. Im Weiteren ein kleines kluges Bild von Rosemarie Trockel, eine hintersinnige Installation von Fischli/Weiß, eine rotzig punkige Wandarbeit von Alisa Yoffe und eine geopolitische Weltkarte von Alighiero e Boetti. Thomas Bayrle tritt mit „World War I (plastische Autobahn auf Totenköpfen)“ auf den Plan und der allzu früh verstorbene Mike Kelley mit „Pansy Metal/Clovered Hoof“. Emeka Ogboh braute in Zusammenarbeit mit der BRLO Brauerei ein Starkbier, Alisa Baremboym thematisiert in ihrer Installation Grenzen und Justin Matherley nimmt mit „New Beaches“ Maß an der Antike.

In all diesen Werken ist ihre kritische Dimension nicht zu übersehen. Dagegen scheint ein Gemälde wie „Dalet Chet“ von Morris Louis nur reine Form und Farbe zu sein. Aber gerade in seiner atemberaubenden Schönheit befragt das Bild den Status Quo der Wirklichkeit und ruft nach Veränderung. Ein ähnlich kathartisches Gefühl vermitteln die von Annette Kelm fotografierten Textildesignentwürfe von Dorothy Draper und die Aufnahmen von Heidi Specker, ästhetische Sehschule und Achtsamkeitsübung zugleich. Zwischen ihnen hängt das großformatige Plakat-Ensemble „eight people from europe“ von Niele Toroni.

Von Albrecht Dürer leitet sich auch der Titel der Ausstellung ab: „WHAT BEAUTY IS, I KNOW NOT“. Eine Zeile wie aus einem Rap, so empfindet Kasper König die englische Übersetzung des noblen Dürer-Wortes aus dem Nachlass des Künstlers: „Was aber die Schönheit sei, das weiß ich nit.“ Dass einer der größten Künstler aller Zeiten am Ende seines Lebens gesteht, er wisse nicht, was das sei die Schönheit und damit die Kunst, und dass ein so renommierter Kurator wie Kasper König dieses Wort als Ausstellungstitel wählt, macht die Aussage für uns alle zur Frage.