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Noch nicht entziffert lautet der Titel eines Gemäldes von Willi Baumeister (1889-1955) aus dem Jahr 1942. Dieser Bildtitel könnte auch das Motto unserer Ausstellung sein, denn in mehrfacher Hinsicht erscheint der große deutsche Maler noch immer fremd, unbekannt und auf seine „Entdeckung“ wartend. Baumeisters Noch nicht entziffert entstand während des Krieges in Deutschland. Der Künstler hatte seine Lehrtätigkeit an der Frankfurter Städelschen Kunstschule unter den Nazis aufgeben müssen und aufgrund ihrer atavistischen Kulturpolitik wie viele seiner Künstlerfreunde entscheidende Voraussetzungen einer ungehinderten Kunstausübung verloren. Trotzdem konnte er aber im Land, in Stuttgart, bleiben. Dieses Ausharren unter bedrückenden äußeren Bedingungen macht ihn zu einem der wenigen Vertreter einer Kontinuität der Moderne in Deutschland. Möglicherweise jedoch hat gerade das Ausharren Baumeisters in Deutschland bis heute seine Rezeption auf internationaler Ebene erschwert, da mit dem geistigen Widerstand gegen das Naziterrorregime häufig die Emigration gleichgesetzt, die innere Emigration hingegen weniger als Verweigerung erkannt wird. Das Œuvre von Willi Baumeister beginnt unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg und reicht über den gesamten Zeitraum mit all seinen Verwerfungen und Katastrophen bis in das bundesrepublikanische Deutschland. Damit wird seine Kunst zu einem wesentlichen Bindeglied zwischen der ersten Avantgarde der Zeit vor 1914 und dem Neubeginn einer freien Kunstentfaltung und Wiederaufnahme der als „entartet“ verfemten Kunst. Diese Renaissance der Moderne im Deutschland der 50er Jahre bedeutete für ein breiteres Publikum zumeist die erste Begegnung mit der Bildsprache des Expressionismus und der Abstraktion. So kam es zu einer scheinbaren Gleichzeitigkeit der Moderne mit Künstlern, die bereits auf dieser Erfahrung bauend ihre Bilder schufen. Baumeister sieht in steinzeitlichen Darstellungen wie in archaischen Erzählungen etwa des Gilgamesch-Epos die entsprechende Ausdrucksform, um Das Unbekannte in der Kunst, dies sein Buchtitel von 1947, zu entdecken. Gerade die ursprünglichen Formen sind es, und hier steht der Künstler in engster Beziehung zu den Ideen des Blauen Reiter, auf die sich die Moderne auf ihrem Weg in die Abstraktion beruft. Die Begegnung mit dem Werk von Baumeister ist voller Überraschungen: Formen und Bildgestalten, Farben und Malerlebnisse, Gedankenfreude und Sinnenrausch. Ein Werk von großer Prägnanz, das neu und unverbraucht erscheint und angesichts dessen man stets bedenken sollte, dass die ersten dieser Bilder vor über 85 Jahren, die letzten vor fast einem halben Jahrhundert entstanden sind. Pressetext

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Willi Baumeister - Retrospektive
Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit dem Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid und der Fundación Caja Madrid organisiert.