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Im Januar 2011 zeigt die Galerie Crystal Ball Wolfgang Müllers „Lokomotion – Valeska Gert“, die Installation seiner gleichnamigen Siebdruckedition. Der Galerieraum wird zum Pausenraum. Es entsteht ein Ort des Verharrens, der Unterbrechung. Mit den Siebdrucken wird die radikale Pause-Performance von Valeska Gert (1892 – 1978) aus den 1920ern wieder ins aktuelle Bewusstsein gerufen. Das einzig existierende Bilddokument, ein 1928 gedrucktes Foto, bildet die Basis.

Parallel läuft noch bis zum 6.2.2011 die von An Paenhuysen und Wolfgang Müller gemeinsam kuratierte Ausstellung „Pause. Valeska Gert: Bewegte Fragmente“ im Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart.

Zu Valeska Gerts Pause: Im Kino der 20er Jahre entstanden aufgrund des Filmrollenwechsels Unterbrechungen. Die Kinobetreiber engagierten Künstler, Musiker und „Pausenclowns“, welche die technisch bedingten Pausen mit kurzen Auftritten überbrücken bzw. füllen sollten.

Valeska Gerts Tanzperformance Pause experimentiert ganz grundsätzlich und radikal in ihrer spezifisch realistischen Ästhetik mit den banalen Grenzen neuer Technologien. Sie materialisiert und verdoppelt das Phänomen der Pause mit ihrem Körper, den sie wie einen Werkstoff einsetzt. Damit öffnet Valeska Gert eine fundamentale Zwischenposition zum damaligen Mainstream, wie er beispielsweise in der Fortschrittseuphorie der Futuristen oder im Kulturpessimismus der konservativen Revolution seine extremen Ausprägungen fand.

Die Künstlerin tanzte die Pause, einen einzigen kurzen Bewegungsablauf, der in einer Geste mit geschlossenen Armen über den Kopf mündet – und hier erstarrt – bis „jeder im Publikum spürte, was eine Pause bedeutet“. Diese Nicht-Bewegung hielt bis zum Ende der Filmunterbrechung an. „Für alle Künste, die Bewegung sind, wie Happening, Aktionskunst und Performance ist die Pause von Valeska Gert so fundamental wie die Komposition 4’33“ von John Cage für die Musik“, schreibt Wolfgang Müller. (Literatur: Wolfgang Müller: Ästhetik der Präsenzen. Valeska Gert, Martin Schmitz Verlag, Berlin 2010.)

Die Ausstellungsinstallation „Lokomotion“ bewegt sich um drei Siebdrucke, die Wolfgang Müller mit seinem Assistenten Hrafnkell Brynjarson 2010 von der einzig überlieferten Fotografie dieser Gert Performance herstellte. Das Wandern einer technisch produzierten Pause durch Materialien und Körper greift zum einen die Bewegung der Unbewegtheit Gerts erneut auf und fokussiert zugleich deren radikale Frage nach dem Menschen: Eine uralte Minimaldefinition des Lebewesens läuft über die Fähigkeit der Bewegung von Ort zu Ort (Loco-motion). Was nun, wenn sich der Ort selbst bewegt? – Der Mensch als bewegte Selbstbewegung?

Die „Pause“ wird zum fundamentalen Politikum und prangt in roten Lettern auf dem Siebdruck wie einst die Vokabel „Streik“!

Die Galerie lädt ein zu Meditation, Kontemplation, Zerstreuung zwischen ökonomischem Nutzkalkül und unserem Recht auf Faulheit.